Asylpolitik ist und bleibt eines der umstrittensten Themen auf Bundes- wie auf Europaebene. Vor allem im Wahlkampf polarisieren Politiker:innen verschiedener Parteien immer wieder mit Forderungen zur Migration. Auch innerhalb der Europäischen Union wird bereits seit der Flüchtlingskrise vor knapp zehn Jahren immer wieder heftig über eine Reform des Asylrechts diskutiert.
Nun hat das EU-Parlament einer entsprechend umstrittenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) zugestimmt. Ein Überblick zu den wichtigsten Neuerungen durch die am Mittwoch verabschiedete EU-Reform.
An einer Reform wird bereits seit 2015 und 2016 intensiv gearbeitet. Damals waren vor allem Länder in Südeuropa mit einer Vielzahl von ankommenden Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert.
Hunderttausende kamen etwa über Griechenland unregistriert in andere EU-Staaten. Die Regelung der sogenannten Dublin-Verordnung, dass Asylbewerber:innen dort registriert werden müssen, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben, konnte vielerorts nicht befolgt werden.
Die nun verabschiedete Reform sieht einheitliche Grenzverfahren an den Außengrenzen vor. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten.
Bis zu einer entsprechenden Entscheidung über den Asylantrag können die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können. Menschenrechtler:innen bezeichnen diesen Aspekt als unmenschlich.
Menschen, die aus einem Land mit einer durchschnittlichen Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen, müssen künftig verpflichtend das genannte Grenzverfahren durchlaufen. Ankommende können zudem mit Fingerabdrücken und Fotos registriert werden, um zu überprüfen, ob sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sein könnten.
Die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten wird den Plänen soll mit einem "Solidaritätsmechanismus" neu geregelt werden: Wenn die Länder keine Geflüchteten aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen.
Für den Fall eines besonders starken Anstiegs der Migration könnte von den Standard-Asylverfahren mit einer sogenannten Krisenverordnung abgewichen werden.
In diesem Fall könnte auch der Zeitraum verlängert werden, in dem die Menschen in den Auffanglagern festgehalten werden können.
Zudem könnte der Kreis derjenigen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Auch Menschen aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von maximal 50 Prozent würden dies dann durchlaufen müssen.
Nein, trotz Forderungen etwa vonseiten der Bundesregierung soll es beim Grenzverfahren keine Ausnahme für Familien mit Kindern geben. Nur für unbegleitete Minderjährige wird im Gesetz eine Sonderregel festgehalten.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte in diesem Zusammenhang, dass nun bei der Umsetzung des neuen Asylsystems umso mehr darauf geachtet werden müsse, "dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht".
Die Einigung muss Ende April noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Die Entscheidung gilt allerdings als Formsache.
Anschließend haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, um die neuen Vorgaben umzusetzen. Das soll den Staaten an den Außengrenzen genügend Zeit geben, entsprechende Einrichtungen zur Unterbringung der Menschen während des Grenzverfahrens zu schaffen.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beteuerte, dass die Mitgliedstaaten um Schnelligkeit bemüht seien. Einige sollen demnach bereits erste Vorbereitungen getroffen haben.
Kurzfristig wird sich an der Situation in Deutschland nichts ändern. Bis die nun politisch geeinten Regelungen in die Praxis umgesetzt werden, kann es noch dauern.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass der konkrete Anpassungsbedarf in Deutschland noch nicht abschließend analysiert sei.
Die rechtlichen Anpassungen betreffen laut Innenministerium voraussichtlich das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz, liegen zum Teil aber auch in den Zuständigkeitsbereichen anderer Ressorts und der Länder. Gespräche mit den anderen betroffenen Bundesressorts und den Ländern seien geplant.
Ja, denn ein Teil der Schutzsuchenden soll mit der Neuregelung künftig von den Außengrenzen direkt zurückgeschickt werden.
Zusätzlich schließen Expert:innen nicht aus, dass die verschärften Regeln eine abschreckende Wirkung haben könnten. Darauf hofft vor allem die CDU/CSU sowie Länder und Kommunen.
Der Deutsche Städtetag dringt jedoch weiterhin auf sofortige Unterstützung bei der Unterbringung der Geflüchteten. "Die Verordnung soll ab 2026 von den Mitgliedstaaten angewendet werden. Doch schon in einigen Monaten müssen sie mit der Vorbereitung und Umsetzung beginnen. Das könnte sich dann schon auf die Migrationszahlen auswirken, deutliche Effekte wird es aber von heute auf morgen nicht geben", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der dpa.
Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatte es massive Kritik an der Reform gegeben, unter anderem, weil auch Familien mit Kindern in die Auffanglager kommen könnten.
Für Kritik sorgte auch, dass abgelehnte Asylbewerber:innen künftig leichter in sichere Drittstaaten abgeschoben werden können. Mit der Einigung können jetzt mehr Drittstaaten als sicher eingestuft werden, dies gilt auch für bloße Teilgebiete von Staaten. Grundlage dafür können auch nationale Einschätzungen sein.
Das Bündnis "Seebrücke" sprach davon, dass die Verschärfungen die grundlegenden Rechte von Menschen auf der Flucht bedrohten. Pro Asyl sprach von einem "historischen Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa".
Amnesty International kritisierte, die verschärften Asylregeln führten "zu noch größerem menschlichen Leid" an Europas Außengrenzen. Die Kinderschutzorganisation "Save the Children" sieht Migrantenfamilien mit Kindern nun einem noch höheren "Risiko von Inhaftierung, Abschiebung und unzumutbaren Bedingungen" ausgesetzt.
(mit Material von dpa)