Die Niederländerinnen und Niederländer haben gewählt: Damit steht das deutsche Nachbarland vor einem historischen Rechtsruck. Denn nach dem Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei den Parlamentswahlen will dieser nun mit einer islamfeindlichen Partei regieren. Zudem will er Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte werden, der sich nach einer Rekord-Amtszeit von der nationalen Politikbühne verabschiedet.
Der Rechtsaußen Wilders wartet durchaus mit extremen Ansichten auf. Auch deshalb ist es fraglich, inwiefern er ein Bündnis mit anderen Partnern schmieden kann. Wohl aber ist das Ergebnis ein Warnsignal für Europa.
Wie extrem Wilders wirklich ist und wie es nun in den Niederlanden und international weitergehen könnte, erfährst du hier.
Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) kommt jüngsten Hochrechnungen zufolge auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments, wie die Nachrichtenagentur ANP berichtete. Diese Kammer ist vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag. Ein Paukenschlag: 36 wären mehr als doppelt so viele Mandate als bei der Wahl im Jahr 2021.
Laut Hochrechnung ist das rot-grüne Bündnis mit dem früheren EU-Kommissar Frans Timmermans an der Spitze mit 25 Sitzen die zweitstärkste Kraft. Auch das wären mehr als bislang: acht Sitze mehr als 2021. Auf immerhin 20 Sitze kommt der Hochrechnung zufolge die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC). Mindestens drei Parteien wären also für eine koalitionsfähige Mehrheit nötig.
Der Rechtspopulist Wilders ist auch als "niederländischer Trump" bekannt. Er hat zwar ähnlich wie der Ex-US-Präsident Donald Trump nach hinten gekämmte, blond gefärbten Haare, aber diese Bezeichnung hat er sich nicht deshalb eingehandelt.
Vielmehr fällt er ebenso wie Trump wegen seiner Hetze gegen Einwanderer:innen und Islamophobie auf. Vor etwa 25 Jahren kam der heute 60-Jährige ins Parlament. Er gründete seine eigene Partei für die Freiheit (PVV) nach dem Bruch mit der rechtsliberalen VVD. Er ist das einzige Mitglied der Partei.
So bezeichnete er die Zweite Kammer einmal als "Nep-Parlament", ein Fake-Parlament. Zudem forderte er eine Steuer für Muslima mit Kopftuch, eine "Kopflumpen-Steuer". Gegen den Islam, in seinen Augen "eine faschistische Ideologie", will er sogar noch radikaler vorgehen: mit einem Verbot für Moscheen zum Beispiel.
Zudem verglich er den Koran mit Hitlers "Mein Kampf". Nach einer beispiellosen verbalen Attacke auf Marokkaner wurde er wegen Beleidigung einer Bevölkerungsgruppe schuldig gesprochen. Er aber sah in dem Verfahren einen politischen Versuch, ihn mundtot zu machen.
Während des Wahlkampfs aber zeigte er sich ungewohnt versöhnlich gegenüber Muslima, wurde im Zuge dessen sogar "Geert Milders" genannt. Seine Töne, plötzlich tatsächlich milder: "Der Islam wird nie aus unserer DNA verschwinden", sagte er etwa in einem seiner seltenen TV-Interviews, "aber die Priorität liegt nun deutlich bei anderen Themen." Der Grund ist wahrscheinlich, dass Wilders jetzt Premier werden will. So nahe an diesem Ziel war er bisher noch nie.
Ob der 60-Jährige tatsächlich eine Koalition bilden kann, steht in den Sternen. Wilders aber zeigte sich nach der Wahl optimistisch: "Die PVV will (...) mit anderen Parteien zusammenarbeiten, und das bedeutet, dass alle Parteien – auch die unsere – über ihren Schatten springen müssen." Für eine Regierungskoalition werden mindestens 76 Sitze im Parlament benötigt.
Wie die Regierung schlussendlich aussehen könnte, ist noch völlig offen. Zwar zeigt sich Wilders koalitionsbereit, doch Pieter Omtzigt (NSC), hat seine Position bereits klargestellt: Mit Wilders will er keine Koalition bilden. Der Grund ist die verfassungsfeindliche Position des 60-Jährigen.
Für Dilan Yesilgöz (Rechtsliberale) kommt eine Zusammenarbeit zwar infrage, aber sie will keine Koalition unter Wilders als Ministerpräsident. Für den Niederländischen Trump dürften die Koalitionsgespräche also kein Leichtes werden. Scheitert Wilders, wäre etwa eine Anti-Wilders-Koalition aus GL/PvdA, VVD, BoerBurgerBeweging (BBB) und NSC möglich.
Wilders fordert in seinem Parteiprogramm nicht nur, Moscheen und den Koran zu verbieten. Er spricht sich auch für den Nexit aus – den Austritt der Niederlande aus der EU. Er will die Grenzen schließen, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nicht mehr ins Land lassen und Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen. Teils drastische Ansichten, mit denen er in Europa nicht allein ist.
Die Wahl in den Niederlanden ist nur ein weiterer Etappensieg der Rechten in Europa. Man denke da etwa an das Erstarken von Marine Le Pen in Frankreich. Oder Italien, wo Giorgia Meloni die Wahl vor einem Jahr gewonnen hat. Oder Finnland. Dort sind die "wahren Finnen" ein Teil der Regierung, mit Skandalen inklusive. Ein Paradebeispiel für Rechtspopulismus ist außerdem Victor Orbán in Ungarn.
Sie alle haben eines gemeinsam: Sie konnten nur so erstarken, weil das Thema Migration immer mehr an Bedeutung gewinnt und Gesellschaften spaltet. Dass eine einheitliche, sinnvolle und kohärente Migrationspolitik in Europa noch nicht funktioniert, spielt den Rechten in die Hände. Derzeit laufen die Verhandlungen für eine Reform des EU-Migrationspakts.