Das Leben ist dieser Tage teuer: Butter kostet heute fast doppelt so viel wie 2015. Auch der Vollmilchpreis ist um 36 Prozent im Vergleich zu 2015 gestiegen. Das ergeben Daten des Statistischen Bundesamts. Schuld daran ist die Inflation.
Aber was genau ist das eigentlich? Und wie kommen wir da wieder raus? Die wichtigsten Fragen klärt watson für euch auf.
Ein anderes Wort für Inflation ist Teuerung: Dadurch, dass Waren teurer werden, verliert Geld an Wert. Vor wenigen Monaten konnten sich beispielsweise Studierende von ihrem Bafög noch mehr leisten, als heute. Das wird beim Wocheneinkauf im Supermarkt besonders deutlich.
An und für sich ist Inflation wenig problematisch. Genau genommen liegt die Inflationsrate oftmals über null. In den vergangenen 61 Jahren schwankte sie zwischen -0,1 Prozent und 7 Prozent. Im Schnitt ergibt das eine Inflation von 2,6 Prozent. Das macht nichts, auch wenn ein Artikel heute mehr kostet, als noch in den 1960er Jahren. Denn: Wir verdienen heute im Schnitt mehr Geld.
Die Europäische Zentralbank hat das Ziel, die Inflation "mittelfristig" bei zwei Prozent zu halten. Sie möchte nämlich auch eine Deflation, also eine stetige Preissenkung, vermeiden.
Klar ist auch: Die Inflation nützt Schuldnern. Denn dadurch, dass Geld aktuell weniger wert ist, sinkt auch der Wert der Schulden, die zurückgezahlt werden müssen. Die Inflation kommt also auch der Bundesrepublik zugute, denn der Staat hat sich sehr viel Geld geliehen. Gerade erst wurde das Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro gebilligt.
Wenn wir durch die Teuerung also besser über unsere Verhältnisse leben können – was ist an der aktuellen Entwicklung problematisch?
Ganz einfach: die besonders hohe Inflationsrate.
Im Mai lag sie bei knapp acht Prozent. Dadurch sind Produkte aktuell so teuer, dass sich viele Menschen ihren Einkauf nicht mehr leisten können. "Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen geben einen größeren Anteil ihres monatlichen Budgets für Lebensmittel und Wohnnebenkosten wie Heizen aus", fasst es Thomas Obst vom Institut der Deutschen Wirtschaft auf Anfrage von watson zusammen. Dadurch seien gerade diese Menschen besonders von der Teuerung betroffen.
Das schafft Probleme, denn hält die Entwicklung länger an, müssen Menschen um ihre Existenz kämpfen. Um dem entgegenzuwirken, hat die deutsche Regierung bereits zwei Hilfspakete auf die Straße gebracht. Mit Blick auf den Tankrabatt ist aber ersichtlich, dass diese Unterstützungen und Entlastungen nicht komplett bei den Verbrauchenden ankommen.
Außerdem fallen Studierende sowie Rentner und Rentnerinnen bei den Entlastungsversuchen oftmals aus dem Raster.
Die Inflation wird in Teilen importiert, meint der Experte Obst. Er führt aus:
Rohstoffe, die ohnehin schon knapp sind, verknappen dadurch nämlich noch mehr. Das gilt vor allem für Öl, Gas und Weizen. Die Sanktionspakete der Europäischen Union gegen Russland wirken sich natürlich auch auf die Mitgliedsländer aus. Öl und Gas sind deshalb teuer. 90 Prozent der russischen Öllieferungen will die EU durch das sechste Sanktionspaket beenden – die Ausnahme bildet Öl aus der Druschba-Trasse. Hier hatte Ungarn ein Veto eingelegt.
Die gestiegenen Transport- und Energiekosten, meint Obst, täten ihr Übriges: Sie führen zu einem Anstieg der Konsumierendenpreise. "Wir sehen also eine kostengetriebene Inflationswelle", sagt Obst. Es gebe aber strukturelle Faktoren, die die Inflationsrate länger hochhalten könnten – zum Beispiel die Dekarbonisierung, also ein Ausstieg aus den fossilen Energien. Denn:
Gemessen wird die Inflationsrate durch einen hypothetischen Warenkorb und dessen Preisänderung. Für diese Messung legt das Statistische Bundesamt 650 Güter und Dienstleistungen in diesen hypothetischen Warenkorb. Dazu gehören zum Beispiel die Miete, Energie, Bahn- oder Autofahren, Lebensmittel und Reisen. Die Auswahl der Güter stammt aus einer Messung, die das Statistische Bundesamt bereits durchgeführt hat – sie stellen den Durchschnittskonsum dar.
Die Inflationsrate gibt die Veränderung des Preises für diesen hypothetischen Warenkorb im Vergleich zum Vorjahresmonat an. Die größten Posten im Warenkorb: Wohnen inklusive Wasser und Energie (32,5 Prozent), Verkehr (12,9 Prozent), Freizeit und Kultur (11,3 Prozent) sowie Nahrungsmittel (9,7 Prozent).
Die Frage, warum alles teurer wird – und werden kann – außer die Arbeitskraft, die wir an unsere Arbeitgeber verkaufen, ist naheliegend. Aber leider nicht zielführend. Laut dem Ökonomen Obst kann dieser Impuls vor allem dann problematisch werden, wenn er zu einer Lohn-Preis-Spirale führt.
Obst erklärt das so:
Bei einer solchen Lohn-Preis-Spirale müssten die Zentralbanken eingreifen. Dadurch würden sie eine Rezession – also ein stagnierendes oder sogar negatives Wirtschaftswachstum – riskieren. Laut einer Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB), die das "Handelsblatt" veröffentlichte, rechnen Experten aktuell nicht mit einer Rezession. Und das, obwohl die EZB angekündigt hat, den Leitzins im Sommer anzuheben. Eine solche Anhebung hat es das letzte Mal 2011 gegeben. Seit 2016 lag der Leitzins der EZB sogar bei null Prozent.
Da die Inflation kein deutsches, sondern ein globales Phänomen ist, reicht ein Anheben der Zinsen durch die EZB nicht aus, um die Teuerungsrate abzuflachen. Auch andere große Zentralbanken, wie die amerikanische FED, haben ihre Leitzinsen allerdings angehoben.
Bisherige Ausnahmen sind laut Obst die Zentralbanken in Japan, der Schweiz und noch Europas. Sollten die Zentralbanken es gemeinsam schaffen, die Inflation durch die angehobenen Leitzinsen einzufangen, wäre das laut dem Ökonomen ein Weg aus der Krise.
Dieser würde aber auch dadurch bedingt, dass sich die steigenden Energiekosten und die Rohstoffknappheit ebenfalls wieder normalisierten. Obst sieht mit der aktuellen Situation einen Wendepunkt in der Geldpolitik erreicht.
Er sagt:
Eine andere Möglichkeit ist laut Obst die von Kanzler Olaf Scholz vorgeschlagene "Konzertierte Aktion". Dabei geht es darum, dass sich sowohl die Politik, als auch die Unternehmen und Gewerkschaften untereinander abstimmen – um so möglichst zielführend gesellschaftlichen Problemen entgegenzuwirken. Die Idee stammt aus den 1960er Jahren. Damals wollte man einen hohen Beschäftigungsstand mit gleichzeitigem Wirtschaftswachstum und einer Preisstabilität erreichen.
Für die kommenden zehn Jahre stehe Deutschland die Gefahr einer Stagflation bevor: hohe Inflation bei niedrigem Wachstum. Obst kommt in diesem Zusammenhang auf den sozialen Frieden zu sprechen, der dadurch bedroht werden könnte. Zumindest, wenn der Staat nicht gegensteuert.
Er sagt:
Helfen könnten auch einmalige Zahlungen der Arbeitgeber, um die Kaufverluste ihrer Beschäftigten auszugleichen.