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Russland wegen Ukraine-Krieg vor dem Internationalen Gerichtshof: Was das bedeutet

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Russische Soldaten auf einem Militärfahrzeug.Bild: www.imago-images.de / imago images
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Russland muss sich vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten: Was bedeutet das eigentlich?

07.03.2022, 16:3208.06.2022, 18:34
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Die Ukraine hat Russland wegen der Verletzung der Völkermordkonvention verklagt und fordert eine Einstellung der Kriegshandlungen. Der Fall wird vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag verhandelt.

Die Ukraine führt an, dass Russland die Invasion "fälschlicherweise" damit rechtfertige, dass Russen im Osten der Ukraine – also in den selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk – Opfer von Völkermord seien. In der Anklage beschuldigt die Ukraine Russland selbst des Genozids gegen Ukrainer.

Die Völkermordkonvention
Die Völkermordkonvention ist eines der ältesten Menschenrechtsabkommen überhaupt. Sie ist 1951 in Kraft getreten und fordert unter anderem, dass nicht nur der tatsächliche Genozid, sondern auch Handlungen zur Vorbereitung eines solchen unter Strafe stehen. Außerdem stellt die Konvention klar, dass es bei Völkermord keine Immunität gibt.
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Der Internationale Gerichtshof in Den Haag wird auch Palast des Friedens genannt.Bild: picture alliance / Photoshot

Der Prozess startet an diesem Montag mit dem Statement der Ukraine, am Dienstag soll Russland aussagen. Wann ein Urteil erfolgt, steht nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa noch nicht fest.

Doch was kann ein solches Urteil überhaupt bewirken? Was bedeutet der Prozess für den Krieg? Und wieso wird der Fall nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof verhandelt? Diese und mehr Fragen klärt watson mithilfe des Völkerrechtlers Matthias Hartwig vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht für euch.

Was kann das Urteil bewirken?

Prinzipiell, erklärt Matthias Hartwig, sei ein Staat der Gerichtsbarkeit des IGH nur unterworfen, wenn er die Gerichtsbarkeit anerkannt hat. Diese Anerkennung erfolge auch dadurch, dass ein Staat einen völkerrechtlichen Vertrag abschließe, nach welchem Streitigkeiten durch den IGH geklärt werden müssten. Ein solcher Vertrag sei die Völkermordkonvention.

Hartwig sagt:

"Der IGH ist wohl zuständig. Allerdings kann er im Rahmen dieses Verfahrens nur Fragen des Völkermordes entscheiden, nicht etwa auch die Frage, ob Russland einen verbotenen Angriffskrieg führt oder schwere Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht begeht."

Diese Fragen sind in der Völkermordkonvention nicht geregelt.

Was der IGH aber könne, sei verbindliche vorläufige Maßnahmen zu beschließen. Er könne zum Beispiel "die Kriegsparteien verpflichten, die Kriegshandlungen auszusetzen, soweit sie mit dem Genozidvorwurf zusammenhängen", so Hartwig.

Ein Problem gebe es allerdings: Der IGH kann seine eigenen Entscheidungen nicht durchsetzen. Diese Macht habe nur der UN-Sicherheitsrat – und dort genießt Russland das Vetorecht. "Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Durchsetzung der Entscheidung erlässt", sagt Hartwig.

Der UN-Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat insgesamt 15 Mitglieder. Fünf von ihnen sind ständig vertreten: Großbritannien, Frankreich, Russland, China und USA. Diese dauerhaften Mitglieder haben unter anderem ein Veto-Recht, mit welchem sie im Alleingang Beschlüsse des Sicherheitsrates verhindern können.

Was bedeutet der Prozess für den Krieg?

Die konkreten Kriegshandlungen wird der Prozess im Zweifel nicht verhindern können.

Und auch wenn an den Vorwürfen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass im Osten der Ukraine Völkermord gegen Russen betrieben werde, etwas dran wäre – wofür es tatsächlich keinerlei Anhaltspunkte gibt –, hätte das aus Sicht des Völkerrechtlers Hartwig keine rechtlichen Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen.

Er sagt:

"Solange die Russische Föderation nicht von der Ukraine angegriffen wird oder sie vom UN-Sicherheitsrat zur Gewaltanwendung autorisiert wird, darf sie im Rahmen des bestehenden Völkerrechts militärisch nicht gegen die Ukraine vorgehen."

Ungeachtet aller Vorwürfe möglicher Genozide handelt Russland also allein aufgrund des Angriffskrieges wahrscheinlich schon rechtswidrig

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Die ukrainische Stadt Kharkiv.Bild: www.imago-images.de / imago images

Was muss passieren, damit der Tatbestand des Genozids erfüllt ist?

Laut Völkermordkonvention handelt es sich um einen Genozid, wenn eine "nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppen" mit Absicht ganz oder teilweise vernichtet wird. Folgende Handlungen erfüllen den Tatbestand:

  • Tötung
  • Verletzung der körperlichen oder geistigen Integrität
  • Lebensgefährdung durch Verschlechterung der Lebensbedingungen
  • Geburtenverhinderung innerhalb der auszurottenden Bevölkerungsgruppe
  • Gewaltsame Überführung von Kindern aus der auszurottenden in eine andere Bevölkerungsgruppe

Wieso wird der Prozess nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof geführt?

Wie die Wochenzeitung "Zeit" berichtet, leitet auch der Internationale Strafgerichtshof Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Dieser verfolgt, anders als der Internationale Gerichtshof, keine Staaten, sondern Individuen – im konkreten Fall könnte er beispielsweise gegen Wladimir Putin vorgehen.

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Auf einer Anti-Kriegs-Demo in München wird gefordert, Putin vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen.Bild: www.imago-images.de / Wolfgang Maria Weber

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) wird außerdem nicht von allen Staaten anerkannt. Unter anderem Russland, aber auch die USA erkennen die Legitimität dieses Gerichtes nicht an.

Aus Sicht des Völkerrechtlers Hartwig ist die Grundlage für die Einleitungen der Ermittlungen des Chefanklägers des IStGH dadurch erfüllt, dass die Ukraine zwei Erklärungen der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofes für alle auf seinem Territorium begangenen Straftaten anerkannt habe.

Dadurch kann also eine Ermittlung gestartet werden, ohne dass Russland den Gerichtshof anerkannt hat.

Hartwig führt aus:

"Die Zuständigkeit des IStGH ist gegeben, wenn ein im Statut genannter Straftatbestand entweder durch einen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates des Statuts oder auf dem Territorium eines Mitgliedsstaates begangen worden sein soll."

Der Völkerrechtler fügt allerdings an, "dass eine strafrechtliche Verfolgung russischer Personen – etwa des Präsidenten – wegen des Verstoßes gegen das Aggressionsverbot nicht möglich ist." Das Aggressionsverbot erlaubt es dem Internationalen Strafgerichtshof, über die Verursacher von Angriffskriegen zu richten.

Putin kann also nicht rechtmäßig verurteilt, da Russland den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt hat.

Damit der Internationale Strafgerichtshof gegen Putin wegen des Angriffskrieges tätig werden könnte, hätte Russland diesen Straftatbestand im Statut ausdrücklich anerkennen müssen.

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