Die Fußball-WM in Katar steht aus vielerlei Gründen in der Kritik – und das nicht erst seit Beginn des Events. Doch im Verlauf des Turniers kam ein weiteres Thema hinzu: Antisemitismus. Mehrere antisemitische Vorfälle sind im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft dokumentiert.
Israelische Sportjournalist:innen berichten von zahlreichen Anfeindungen bei der Fußball-WM in Katar. "Wir spüren Hass, sind von Feindseligkeit umgeben und nicht erwünscht", schrieben zwei Reporter der israelischen Zeitung "Jediot Achronot". Sie konkretisieren ihre Erfahrungen: "Auf den Straßen folgten uns Palästinenser, Iraner, Katarer, Marokkaner, Jordanier, Syrier, Ägypter und Libanesen, die uns hasserfüllt anstarrten."
Andere israelische Journalist:innen schilderten auf sozialen Medien ähnliche Erfahrungen. In einem Video ist etwa zu sehen, wie Moav Vardi vom Kan-Sender von einem wütenden Fan angeschrien wird, der sagt: "Es gibt kein Israel, sondern Palästina."
Das ist im Sinne der international anerkannten Definition der "International Holocaust Remembrance Alliance" (IHRA) antisemitisch. Konkret sei das israelbezogener Antisemitismus. "Da die Existenz des Staates Israel geleugnet wird", sagt Jörg Rensmann von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW) gegenüber watson. Damit werde, "das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung aberkannt."
Wie sehr Moav Vardi bedrängt und eingeschüchtert wird, zeigt sich in einer anderen Situation nach einem Spiel des Teams aus dem Iran. Umringt von Fans der iranischen Mannschaft versucht er Stimmen und Stimmungen einzufangen und wird selbst befragt. Nämlich: Woher der Journalist komme, will eine Person wissen.
Sichtlich unsicher, sagt er, er sei deutscher Staatsbürger. Vermutlich aus Sorge, sonst körperlicher Gewalt ausgesetzt zu sein.
Der Aktivist und Berater in Antisemitismus-Fragen Leonard Kaminski ist darüber nicht überrascht. Im Gespräch mit watson sagt er: "Bei allem Ekel, den man verspürt, wenn man sieht, wie als Israelis erkennbare Journalisten während der WM in Katar behandelt werden: Wundern darf das nicht."
Denn: "Israelhass und Antisemitismus sind in Katar Staatsdoktrin." Das Emirat finanziere die antisemitische Terrororganisation Hamas, für die die Vernichtung des einzigen jüdischen Staates Existenzgrundlage sei. Kaminski führt aus: "Der staatliche TV-Sender Al Jazeera ist eine antisemitische Propagandamaschine. Da liegt es auf der Hand, dass jüdische Israelis dort nicht willkommen sind."
Der Aktivist beschäftigt sich in mehreren Bereichen mit antisemitischen Vorfällen, auch im Fußball. Er meint, dass das Problem sogar noch weitreichender sei. Kaminski sagt dazu:
Dass Katar Ausrichter der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft der Männer ist, ist also auch unter diesem Aspekt problematisch.
Kaminski sagt dazu:
Die Beziehungen Israels zu den arabischen Nachbarstaaten und zu den Golfstaaten wie Katar habe sich teilweise verbessert. Doch das bedeute nicht, dass dies auch für die Bevölkerung gilt.
Der israelische Journalist Ohad Chemo vom Sender Channel 12 erklärt es so: Israel habe in den vergangenen Jahren zwar Vereinbarungen mit vier arabischen Staaten – den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan – geschlossen. Von vielen Menschen auf der Straße werde dies jedoch nicht unterstützt, "und vielen von ihnen gefällt unsere Anwesenheit hier nicht".
Sie werde offenbar als Anzeichen einer Normalisierung der Beziehungen gedeutet, die man ablehne. Chemo wurde unter anderem von einem offenbar iranischen Fan aggressiv angegangen.
Ein positiveres Video hatte zuletzt einen israelischen TV-Reporter gezeigt, der von feiernden iranischen Fans umringt war. Auch israelische Fans berichteten von einer freundlichen Aufnahme in Katar.
Trotz der schwierigen politischen Beziehungen zwischen Katar und Israel sind auch Tausende israelische Fußball-Fans zur WM in das Emirat gereist. Vor einer Woche war der erste direkte Charterflug von Israel in das Emirat gestartet. Israel und Katar unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.
Dem israelischen Außenministerium zufolge sollen mit einer Vereinbarung während der WM jedoch konsularische Dienstleistungen auch für Israelis ermöglicht werden. Israel hatte 1996 eine Handelsvertretung in Katar eröffnet, die später von dem Emirat aber wieder geschlossen wurde.
(Mit Material von dpa)