Wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht schon Probleme macht, wie soll das nur mit einer möglichen allgemeinen werden? CSU-Generalsekretär Markus Blume macht in der Runde von Anne Will wie zu erwarten die Ampel-Regierung dafür verantwortlich. Dabei verfängt er sich in mehreren hitzigen Debatten mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der wiederum Blume und der Union Polemik, Unehrlichkeit und Parteitaktik unterstellt.
Diese Gäste waren am Sonntagabend bei Anne Will:
"Ist Deutschland immer noch planlos in der Omikron-Welle?", will Anne zu Beginn der Sendung von den fünf Gästen der Runde wissen. Vieles spricht dafür: Nachdem die einrichtungsbezogene Impfpflicht erst im Dezember beschlossen wurde, schert die Union nun zunehmend aus. Den Anfang hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gemacht, als er Anfang vergangener Woche bekannt gab, die Impfpflicht erst einmal aussetzen.
"Markus Söder kann nicht einfach sagen, dass er das nicht macht. Das ist Willkür", so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Damit würde er sich einem Bundesgesetz widersetzen. Söder könne sich jetzt nicht "breitbeinig" hinstellen, sagt auch Joachim Stamp (FDP), Vize-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
CSU-Generalsekretär Markus Blume sieht das ganz anders: Söder habe lediglich die Umsetzbarkeit infrage gestellt. Die Kritik an Söder von Mitgliedern der Regierungsparteien sei "Ablenkung", schließlich seien weder allgemeine noch einrichtungsbezogene Impfpflicht von der Ampel richtig vorbereitet, keilt er in Richtung Lauterbach.
Wenige Minuten nach Beginn sind die Fronten zwischen den beiden Politikern bereits verhärtet: "Sie haben drei Dinge gesagt, die falsch waren, und eine Polemik", geht Lauterbach Blume an. Zwei Gesetzesentwürfe von Regierungsparteien würden bereits vorliegen. Aber nicht von der Regierung, unterbricht Blume. Lauterbach schüttelt sichtlich genervt nur noch den Kopf: "Stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind." Die Ampel-Regierung habe schließlich schon vor Wochen gesagt, dass sie keinen gesammelten Entwurf vorlegen werde.
Wie schwierig die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wirklich ist, erzählen die zwei Frauen in der Runde. Elke Keiner leitet ein Pflegeheim im sächsischen Freital. Von 81 Pflegekräften in ihrem Haus sind 27 nicht geimpft. Einige davon seien unter 18 Jahren, die auf mehr Informationen zu dem neuen Impfstoff Novavax warten, andere hätten Ängste, denen sie selbst oft hilflos gegenüberstehe.
Novavax werde bald mit Priorität an die Heime geliefert, verspricht Lauterbach. Er rechne damit, dass viele sich mit diesem Quasi-Totimpfstoff impfen werden – stärker scheint die Hoffnung. Wie findet Keiner es, wenn Pflegekräfte von Risikopatienten nicht geimpft sind? "Ich finde es nicht richtig, aber ich akzeptiere es."
In der Klinik von Virologin Jana Schroeder liegt die Impfquote weit über 90 Prozent. Doch auch sie bemängelt die unzureichenden Vorgaben zur Impfpflicht, erst am Freitag habe ihre Klinik ein 23-seitiges Schreiben erhalten. "Es ist verklausuliert geschrieben", so Schröder. Unter anderem sei nicht einmal klar vorgegeben, ob das Gesetz eine zweifache oder eine dreifache Impfung impliziere. Es wurde bereits nachgearbeitet, sagt Lauterbach. Offene Fragen klärt er aber damit erstmal nicht.
75 Prozent der Bevölkerung glauben einer Umfrage zufolge nicht, dass die allgemeine Impfpflicht noch kommen werde, merkt Will an. Während Stamp – eher abgeneigt – davon spricht, dass diese "geprüft" werden müsse, plädiert Blume für mehr Druck und Tempo von der Regierung.
"Das ist doch unehrlich", widerspricht Lauterbach. Die Union will einerseits einen Gesetzesentwurf für den Herbst vorlegen – viel zu spät, merkt Lauterbach an –, und bemängelt andererseits, dass die Regierung die Welle verpasst habe. "Ich finde es sehr schade, dass die Union sich aus parteitaktischen Gründen zurückhält." Stamp pflichtet ihm bei: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst – auch CDU – ticke zum Glück anders.
Am 20. März läuft das Infektionsschutzgesetz aus. Wenn es nicht verlängert wird, würden die Maßnahmen fallen – doch bereits früher soll gelockert werden, fordert FDP-Politiker Stamp. Lauterbach bleibt noch eine Weile in seinem gewöhnlichen Mahn-Modus: "Die Idee, dass das jetzt immer ungefährlicher wird, ist ein ganz gefährlicher Mythos." Stamp geht dabei nicht ganz mit: "Wir müssen jetzt auch mal aus dieser Angst rauskommen."
Blume wirft Lauterbach erneut vor, dass er Strategien wechsle und ständig nur Panik mache. "Vielleicht können Sie sich hier heute Abend etwas locker machen." Lauterbach winkt nur ab – doch tatsächlich beendet er sein letztes Statement mit einem Lichtblick. Seine vielfach kritisierte Rechnung, dass man mit Öffnungen wie in Israel pro Tag 500 Tote in Deutschland hätte, sei nämlich von einigen missverstanden worden: "Ich habe damit nicht warnen wollen, sondern ich wollte damit etwas anderes, etwas Positives, sagen: Uns ist es gelungen, jeden Tag 100, 150 Todesfälle zu verhindern."