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Kühnert fordert nach vodafone-Studie mehr Bildungsgerechtigkeit

Pressekonferenz nach hybrider Sitzung SPD-Pr
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bei einer Pressekonferenz in der Parteizentrale in Berlin. Bild: www.imago-images.de / imago images
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Kühnert zu Zukunftsangst bei Menschen unter 25: "Junge Generation hat lange genug gewartet"

Der SPD-Generalsekretär spricht mit watson über die neue Jugendstudie der vodafone-Stiftung, die das Bild einer politisch interessierten, aber enttäuschten und verängstigten Generation zeichnet. Kühnert wörtlich: "Wir dürfen die großen Katastrophen in der Welt und die kleinen, alltäglichen Katastrophen im Leben der jungen Menschen nicht gegeneinander ausspielen."
06.04.2022, 07:1506.04.2022, 12:18
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Als Reaktion auf die Jugendstudie der vodafone-Stiftung zu politischen Einstellungen junger Menschen zwischen 14 und 24 Jahren fordert SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit.

Gegenüber watson sagte Kühnert zum Zusammenhang zwischen sozialer Situation und politischem Interesse, den die Studie festgestellt hatte:

"Menschen in prekären Verhältnissen fehlt es nicht an Broschüren der Bundeszentrale für politische Bildung. Ihnen fehlt es an finanzieller Freiheit und an der nötigen Zeit, um sich politisch engagieren zu können. Wenn ich drei Minijobs brauche, um als Alleinerziehende meine Familie über Wasser zu halten, dann fehlt mir schlicht die zeitliche und die emotionale Kapazität dafür. Um das zu ändern, braucht es noch tiefgreifendere Maßnahmen als die Anhebung des Mindestlohns auf 12 oder 13 Euro. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass junge Menschen in Deutschland nicht schon mit der Geburt völlig ungleiche Startvoraussetzungen haben.“
Young woman with backpack looking at Bundestag building in Berlin. Erasmus student, studying abroad and tourist concept.
Bild: iStockphoto / kavunchik
Die Jugendstudie der vodafone-Stiftung, für die über 2000 junge Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren befragt wurden, hat unter anderem festgestellt, dass Jugendliche und junge Erwachsene mit hoher formaler Bildung zu einem deutlich größeren Anteil politisch interessiert sind als Altersgenossen mit formal geringerer Bildung.

Zudem ergab die Studie, dass eine übergroße Mehrheit (86 Prozent) junger Menschen Angst vor der Zukunft hat
– und dass eine deutliche absolute Mehrheit unzufrieden mit den politischen Verhältnissen im Land ist.

Eine ausführliche Analyse der Studie lest ihr hier.

Mit Blick auf die Positionen des SPD-Koalitionspartners FDP sagte Kühnert wörtlich: "Die Reaktivierung der in Deutschland jahrzehntelang problemlos erhobenen Vermögensteuer ist derzeit leider noch nicht mehrheitsfähig."

Er versprach aber einen Anspruch auf gebührenfreie Bildung. Kühnert sagte zu watson:

"Aber wir können und werden Rechtsansprüche schaffen auf mehr Sicherheit im Leben: zum Beispiel auf eine gebührenfreie Bildung. Wenn nicht mehr nur elf Prozent der Studierenden BAföG bekommen, sondern endlich wieder deutlich mehr von ihnen, dann macht das für viele Menschen den sozialen Aufstieg wahrscheinlicher.“
"Unzufriedenheit kann eine Triebfeder für Engagement sein"

Kühnert zeigte außerdem Verständnis für die verbreitete Unzufriedenheit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die Studie feststellte. Der SPD-Generalsekretär wörtlich:

"Die Studie zeigt, dass viele junge Menschen von Politik das Bild haben, dass sie es momentan nicht hinbekommt, schnell genug Antworten zu finden, die groß genug sind für die Herausforderungen unserer Zeit. Und im Grundsatz stimmt diese Beobachtung ja auch."

Die Unzufriedenheit mit der politischen Situation ist laut der Studie bei jungen Frauen verbreiteter als bei jungen Männern. Kühnert äußerte auch dafür Verständnis und erklärte, junge Frauen sähen in der Politik "spiegelbildlich das, was sie im Arbeitsleben oder auch in vielen Vereinsstrukturen erleben: Dass für sie theoretisch mittlerweile fast alle Türen offen sind – es praktisch aber oft ganz anders aussieht."

Der SPD-Generalsekretär ergänzte: "Wie sollen sie dem anders begegnen als mit Unzufriedenheit?"

Für die politischen Parteien und Organisationen sieht Kühnert die Aufgabe, unzufriedene junge Menschen dazu zu bringen, sich einzubringen. Er sagte zu watson:

"Unzufriedenheit kann eine Triebfeder für Engagement sein. Wichtig ist jetzt, dass möglichst viele junge Menschen auch ihren gerechten Anteil an Mitbestimmung einfordern und in die Parlamente und politischen Organisationen drängen. Erfahrungsgemäß bekommen Kinder und Jugendliche ihren gerechten Anteil in unserer Gesellschaft nicht geschenkt – es geht nicht ohne Druck."

Blick auf jüngeren Bundestag macht Kühnert Hoffnung

Hoffnung macht Kühnert nach eigener Aussage dabei der Blick auf den aktuellen Bundestag, der nach der Bundestagswahl 2021 deutlich diverser geworden ist und einen niedrigeren Altersdurchschnitt hat.

Kühnert wörtlich:

"Man kann auf das Plenum zeigen und jungen Menschen sagen: Guckt mal, die haben sich durchgesetzt. Da sieht es jetzt längst nicht mehr so alt und grau aus wie der Bundestag in euren Schulbüchern."

Zudem zeige die Klimaschutzbewegung Fridays for Future, was junge Menschen mit politischem Engagement auch außerhalb von Parteien bewirken können:

"Fridays for Future hat außerdem gezeigt, wie man von der Straße aus die Klimapolitik auf nationaler und europäischer Ebene massiv beeinflussen kann."

"Große Katastrophen nicht gegen kleine ausspielen"

Die Vodafone-Studie stellt zudem eine enorm weit verbreitete Zukunftsangst unter jungen Menschen fest.

Kühnert sagte watson zur Möglichkeit, angesichts der Krisen in der Welt bessere Perspektiven für junge Menschen in Deutschland zu schaffen:

"Es ist auch unser Job in der Politik, jungen Menschen in diesen Tagen deutlich zu machen, dass es nicht darum geht, entweder etwas gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine zu unternehmen – oder Bildungsgerechtigkeit in Deutschland herzustellen. Es muss beides möglich sein. Wir dürfen die großen Katastrophen in der Welt und die kleinen, alltäglichen Katastrophen im Leben der jungen Menschen nicht gegeneinander ausspielen. Die junge Generation hat wirklich lange genug gewartet, dass ihre Anliegen endlich behandelt werden."
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