An der Veröffentlichung des Haftbefehls im Fall der tödlichen Messerstiche in Chemnitz haben nach Informationen von t-online.de mehr JVA-Bedienstete mitgewirkt als bislang bekannt. Das sächsische Justizministerium bestätigte auf Anfrage: Es laufen Ermittlungen, weil sich Justizbeschäftigte über die Veröffentlichung mit Daniel Z. ausgetauscht haben sollen. Dabei nutzten sie offenbar eine WhatsApp-Gruppe.
Die Staatsanwaltschaft untersuche „Kommunikationsabläufe und Kommunikationsinhalte“, erklärte das Ministerium gegenüber t-online.de. Mehrere Disziplinarverfahren seien gegen Beschuldigte aus dem Justizdienst eingeleitet worden. Der 39-jährige Daniel Z. hatte eingeräumt, den Haftbefehl fotografiert und weitergegeben zu haben.
Das Veröffentlichen eines Haftbefehls vor der Gerichtsverhandlung stellt eine Straftat dar. Deswegen nahmen die Behörden Ermittlungen auf, als das Dokument über rechte Seiten öffentlich wurde. Unter anderem wurde es von der rechtsradikalen Bewegung Pro Chemnitz, dem inoffiziellen Pegida-Frontmann Lutz Bachmann und AfD-Abgeordneten verbreitet, die sich damit ebenfalls strafbar gemacht haben könnten.
Der JVA-Beamte Daniel Z. hatte sich nach Beginn der Ermittlungen gestellt und eine Erklärung zu seinen vorgeblichen Motiven verbreiten lassen. Die hatte ein Anwalt verschickt, der auch bei der Gründung von Pegida beteiligt gewesen war. Durch die Veröffentlichung des Haftbefehls waren auch die Namen aller Opfer, der Richterin und die Namen der mutmaßlichen Täter sowie die Adresse eines mutmaßlichen Täters an die Öffentlichkeit gelangt.
Nicht bekannt war bisher, dass bei der Veröffentlichung mutmaßlich Kollegen beteiligt waren. Das sächsische Ministerium für Justiz erklärte, derzeit ermittele die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen mehrere Beschuldigte aufgrund der Veröffentlichung.
Zunächst hatte die Gefangenen-Gewerkschaft GGBO öffentlich auf den Chatverlauf aufmerksam gemacht. Laut der Aktivisten sind insgesamt elf JVA-Beamte an dem Chat in der Whatsapp-Gruppe beteiligt gewesen. Diese Zahl hat das Ministerium nicht bestätigt.
Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im sächsischen Landtag und Vorsitzender des Rechtsausschusses, hatte nach einer Sondersitzung am Dienstag erklärt, die Aufklärung der Umstände des geleakten Haftbefehls stehe erst am Anfang. Es sei eine "offene Frage", "ob man inzwischen von einem rechten Netzwerk in sächsischen Sicherheitsbehörden sprechen kann".
Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de.