Pusten, sonst startet das Auto nicht – 8 Fragen zu Alkolocks
21.01.2019, 14:46
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In Deutschland gehen jedes Jahr rund 300 Verkehrstote und Tausende Verletzte auf das Konto von Fahrern, die betrunken fahren. Im Jahr 2017 wurden mehr als 12.000 Unfälle
mit Personenschäden registriert, bei denen Alkohol im Spiel war. Beim
Verkehrsgerichtstag in Goslar wollen Experten in dieser Woche darüber
diskutieren, ob Alkohol-Wegfahrsperren für Promille-Sünder,
sogenannte Alkolocks, die Verkehrssicherheit erhöhen können.
Politische Forderungen danach werden immer wieder laut.
Können
diese Wegfahrsperren helfen? Und wie funktionieren sie? Wir erklären dir Alkolocks – in 8 Fragen und Antworten.
Wie funktioniert das?
"Ein Alkohol-Interlock-System ist ein in ein Kraftfahrzeug
eingebautes Atemalkohol-Messgerät in Kombination mit einer
Wegfahrsperre", sagt die Sprecherin der Deutschen
Verkehrssicherheitsrats (DVR), Julia Fohmann. Die Sperre führt dazu,
dass alkoholisierte Personen den Fahrzeugmotor nicht starten können.
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) plädiert für eine
EU-Richtlinie, wonach alle neuen Kraftfahrzeuge mit Alkolocks
auszurüsten sind. "Europaweit könnten die Geräte dann so eingestellt
werden, dass ab 0,5 Promille das Starten des Fahrzeugs nicht mehr
möglich ist", sagt UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Ein Fahrer, der
ohne ein solches Gerät führe, verstieße dann gegen das Gesetz.
Für wen wäre das?
Alkoholsünder, die mit mehr als 1,6 Promille erwischt werden, müssen
zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU), bevor sie ihre
Fahrerlaubnis zurückerhalten. Fahrer, bei denen ein Wert zwischen 1,1
und 1,6 Promille festgestellt wurde, bekommen den Führerschein
hingegen in der Regel nach Ablauf einer Sperrzeit zurück. Beim
Verkehrsgerichtstag wird darüber diskutiert, ob diese Personen für
bestimmte Zeit ein Alkolock-System nutzen sollten.
Bild: imago stock&people
Für wie viele würde das gelten?
Im Jahr 2017 gab es bundesweit knapp 3000 Unfallbeteiligte, bei denen
Alkoholwerte zwischen 1,1 und 1,6 Promille gemessen wurden.
Was soll das bringen?
Beim ADAC geht man davon aus, dass ein Alkolock zusammen mit einer
psychologischen Begleitung die Betroffenen dazu bringt, ihr Verhalten
zu ändern. Die Wahrscheinlichkeit dürfte sinken, dass sie erneut
alkoholauffällig werden, sagte ein Sprecher. Ein Pilotversuch wäre
sinnvoll.
"Vision Zero, also die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten
auf null zu senken, ist und bleibt unser Ziel", sagt Stefan Heimlich,
Vorsitzender des Auto Club Europa (ACE). "Alkolocks können dazu
beitragen, sich diesem Ziel zu nähern."
Kann man nicht schummeln?
Grundsätzlich könne man die Geräte zwar austricksen, indem man jemand
anderen pusten lasse, sagt ein Sprecher des Bundesverbands
Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Nach Ansicht des
Verkehrssicherheitsrates ist die Wahrscheinlichkeit dafür aber
relativ gering. Denn Alkolocks forderten in der Regel auch während
der Fahrt zur Kontrolle auf, und zwar so lange, bis der Fahrer
gepustet hat. In den USA und Australien kämen zudem Kameras zum
Einsatz, die die Personen bei der Atemabgabe fotografierten.
Bild: imago stock&people
Was würde das kosten?
Wer sich als Privatperson ein Gerät einbauen lässt, muss mehrere
tausend Euro auf den Tisch legen. In Skandinavien können
Alkolock-Systeme auch gemietet werden. Das wäre laut DVR auch für
Deutschland eine Option, wenn die Geräte für bestimmte
Personengruppen vorgeschrieben werden sollten.
Und das hat Erfolg?
Internationale Studien aus den USA und Schweden belegen nach Angaben
des DVR, das Trunkenheitsfahrten mit eingebauten Alkolocks seltener
werden. Es habe sich aber auch gezeigt, dass die Zahl der
Alkoholfahrten steigt, sobald das System ausgebaut ist. Der
Automobilclub ACE weist darauf hin, dass in Frankreich, Finnland, den
Niederlanden und in Polen bereits rechtliche Grundlagen für den
Einsatz von Alkolocks in den Fahrzeugen besonders alkoholauffälliger
Verkehrsteilnehmer geschaffen wurden.
Juristisch auch alles okay?
Interessant sei das System für Personen, die mit geringeren
Promille-Graden erwischt wurden, bei denen für die Wiedererteilung
der Fahrerlaubnis keine MPU notwendig ist, sagt Rechtsanwalt
Christian Funk von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des
Deutschen Anwaltvereins (DAV). "Das Alkohol-Interlock-System kann
dann zusätzliche Möglichkeiten bieten, entweder eine Sperrfrist zu
verkürzen oder ein Strafverfahren zur Einstellung zu bringen."
(dpa)
Betrunkene Watson-Mitarbeiter (die anschließend nicht Auto gefahren sind):
Video: watson/Dominik Sliskovic, Lia Haubner, Marius Notter
Video: watson/Elisabeth Kochan, Lia Haubner, Johanna Rummel
Video: watson/Helena Duell, Marius Notter, Lia Haubner