Mehr Tempolimits, weniger Unfalltote? Ein Pro und Contra
22.01.2019, 07:43
Mehr «Deutschland»
Wie kann die Zahl der Verkehrstoten reduziert werden? Für viele gibt
es darauf nur eine Antwort: durch schärfere Tempolimits auf deutschen
Straßen. Doch macht Tempo 30 in der Stadt wirklich Sinn?
Eine Regierungskommission, die an
Vorschlägen für mehr Klimaschutz arbeitet, hat die Idee jetzt wieder
ins Spiel gebracht. Vor dem Deutschen Verkehrsgerichtstag wird nun
darüber debattiert: Was spricht für Tempolimits, was dagegen?
PRO:
Die Argumente:
Besser für's Klima
Zahl der Verkehrstoten könnte sinken
Die Vorschläge:
Tempo 30 in Ortschaften:
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert
Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Ortschaften, weil die Zahl der
Verkehrstoten seit Jahren kaum noch sinkt. "Wenn wir uns nicht damit
abfinden wollen, dass jedes Jahr rund 3200 Menschen im Straßenverkehr
ums Leben kommen, müssen wir uns etwas einfallen lassen", sagt der
stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens.
"Dabei spielt
die Begrenzung der Geschwindigkeit eine wichtige Rolle." Denn: "Je
schneller Fahrzeuge bei einem Zusammenstoß sind, desto größer sind
auch die Kräfte, die auf die Insassen wirken", sagt Mertens. Viele
innerörtliche Straßen seien für Tempo 50 objektiv ungeeignet.
Deswegen sei Tempo 30 als Regel dort angebracht. Nur für ausgebaute
Hauptverkehrsstraßen sollte aus Sicht des GdP-Vize weiter Tempo 50
gelten.
Ein Auto liegt nach einem Verkehrsunfall neben der Landstraße 303zwischen Siershahn und Helferskirchen in Rheinland Pfalz.Bild: imago stock&people
Der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) unterstützt die Idee.
"Wir setzen uns dafür ein, dass Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit in
Städten wird", sagt Sprecherin Stephanie Krone.
"Wo höhere Geschwindigkeiten erlaubt werden sollen, muss das begründet werden. Bisher ist es andersherum."
Stephanie Krone
Tempolimits auf Landstraßen:
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat
plädiert für Tempo 80 auf schmalen Landstraßen. "Dort passieren mit
Abstand die meisten Unfälle aufgrund von nicht angepasster
Geschwindigkeit", sagt Sprecherin Julia Fohmann. Der Automobilclub
ACE unterstützt die Idee: Zuletzt seien auf Landstraßen jährlich rund
1900 Menschen gestorben, das seien knapp 60 Prozent aller
Verkehrstoten gewesen, sagt eine Sprecherin des ACE. "Es besteht
Handlungsbedarf."
Eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit für Autos
habe zudem den Vorteil, dass die Zahl der gefährlichen Überholmanöver
von Autofahrern sinken werden, die langsamere Lastwagen hinter sich
lassen wollen. Aus Sicht des ADFC sollte auf Landstraßen ohne gut
befahrbaren Radweg sogar nur Tempo 70 gelten.
Tempolimits auf Autobahnen:
Die Unfallforscher der Versicherer
(UDV) fordern eine Diskussion über ein Tempolimit auf Autobahnen.
"Die Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Fahrspuren nehmen immer
mehr zu", sagt Leiter Siegfried Brockmann. Auch die Gewerkschaft der
Polizei sieht hier Handlungsbedarf. "Wenn jemand mit Tempo 180
unterwegs ist und vor ihm schert ein Fahrzeug mit Tempo 90 auf die
Überholspur aus, geht das schnell schief", sagt der stellvertretende
GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens.
Bild: imago stock&people
CONTRA:
Die Argumente:
Vorteil für's Klima umstritten
Der ADAC hat untersucht, wie
sich Tempo 30 im Vergleich zu Tempo 50 auf Pkw-Emissionen auswirkt.
Sein Ergebnis: Tempo 30 führt aus Sicht des ADAC weder zur
Reduzierung der Stickoxid- noch der CO2-Emissionen. Auch der AvD
sagt, es habe bisher nicht nachgewiesen werden können, dass sich der
Schadstoffausstoß durch Tempolimits verringern könnte.
Zahl der Verkehrstoten würde nicht sinken
Die
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein kann
generellen Tempolimits nichts abgewinnen. "Ich bin fest überzeugt,
dass eine signifikante Senkung der Zahl der Verkehrstoten dadurch
nicht erzielt würde", sagte der Vorsitzende Jörg Elsner.
Die Vorschläge:
Tempolimits an Gefahrenstellen:
Der Automobilclub AvD
hält einen Einfluss genereller Tempobegrenzungen auf die Unfallzahlen
für nicht erwiesen. Stattdessen plädiert der Verband für
Geschwindigkeitsbegrenzungen an Gefahrenstellen und
Unfallschwerpunkten. Dies gebe es im übrigen schon jetzt auf vielen
Autobahnen, Land- und innerörtlichen Straßen, sagte ein Sprecher.
Bauliche Maßnahmen:
Der ADAC hält statt genereller
Tempolimits Beschränkungen auf unfallträchtigen Strecken sowie
bauliche Maßnahmen für sinnvoll. So sollten gefährliche Kreuzungen
auf Landstraßen zu Kreisverkehren ausgebaut werden. Außerdem müssten
mehr Überholstreifen angelegt werden, um Unfälle mit dem Gegenverkehr
zu vermeiden. In den Städten sollten mehr Fahrstreifen- und -wege
angelegt und zusätzliche Ampeln für Fußgänger installiert werden.