Max Otte ist Ökonom, CDU-Mitglied und hat zuletzt AfD gewählt. Am Samstag, 5. Mai, lädt er Mitstreiter wie den AfD-Ko-Vorsitzenden Jörg Meuthen und den ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin aufs Hambacher Schloss in der Pfalz ein.
Hambach ist ein kleiner Ort nahe Neustadt an der Weinstraße in der Pfalz. Am 27. Mai 1832 fanden sich dort an einer Schlossruine bis zu 32.000 Menschen ein, um für Pressefreiheit, Demokratie und Rechtsstaat zu demonstrieren. Für die damalige Zeit (ohne Bahnverbindungen) war das eine riesige Menge.
Initiatoren der Veranstaltung waren Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und Johann Georg August Wirth (1798-1848). Aus Frust über fehlende Reformen hatten die beiden Juristen den bayerischen Staatsdienst verlassen und waren in die vergleichsweise liberale Pfalz ausgewichen, um dort als Journalisten für demokratische Reformen zu werben.
Siebenpfeiffer und Wirth hatten in Zweibrücken einen "Press- und Vaterlandsverein" gegründet. Da politische Versammlungen offiziell verboten waren, tarnten sie die Zusammenkunft als Volksfest, eine Art frühes Happening. Deshalb der Name: Hambacher Fest.
Siebenpfeiffer und Wirth wurden in Landau vor Gericht gestellt, aber 1833 zunächst freigesprochen, weil sie - als gewiefte Juristen - in ihren Reden in Hambach nicht offen zur Rebellion aufgerufen hatten.
Schon allein die Zusammenkunft in Hambach war eine Provokation. Siebenpfeiffer, der Radikalere der beiden Initiatoren, setzte sich deshalb über das nahe Frankreich in die Schweiz ab. Er verzweifelte aber an den reaktionären politischen Umständen und starb in "geistiger Umnachtung", wie es ein Biograf formulierte. Wirth, der eher deutschnational dachte, zog nach der Revolution von 1848 ins Frankfurter Paulskirchen-Parlament ein.
Das Hambacher Fest wurde in der Folge weitgehend totgeschwiegen. Erst die Weimarer Republik knüpfte nach 1918 an die republikanische Tradition wieder an. Ebenso wie nach 1945 die Bundesrepublik auf der Suche nach unbelasteten demokratischen Identifikationspunkten. So feierte Bundespräsident Theodor Heuss Hambach als „erste Volksversammlung der neueren deutschen Geschichte“.
Die Stadt Homburg vergibt jährlich einen Siebenpfeiffer-Preis für kritischen Journalisten. Jüngster Preisträger, Can Dündar, der aus der Türkei geflohene Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet".
Zum 150-jährigen Jubiläum 1982 wurde das Schloss renoviert und eine Dauerausstellung eingerichtet. Die Einrichtung wird von einer Stiftung getragen. Die Räumlichkeiten können auch für private Zwecke gemietet werden.
Der eingangs erwähnte Max Otte ist Ökonom, seine Professur an der FH Worms lässt er derzeit ruhen. Bekannt wurde er 2006 durch sein Buch "Der Crash kommt", in welchem er die Finanzkrise von 2008 vorhersah.
Otte ist CDU Mitglied, hatte vor der Bundestagswahl im September 2017 aber angekündigt aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel die AfD zu wählen.
In einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online begründete er sein Neues Hambacher Fest wie folgt:
Der Historiker Dieter Langewiesche hatte es schon vor zwanzig Jahren beschrieben. "Republik und Republikaner. Von der historischen Entwertung eines politischen Begriffs", lautet der Titel seines Buchs.
Das ehemalige SS-Mitglied Franz Schönhuber hatte damals die rechtspopulistische Partei "Die Republikaner" gegründet. Die Idee: einen positiv konnotierten Begriff besetzen und ihn einfach umwerten. Eine Art semantische Enteignung.
Otte kapert diese Idee. Er versucht seine Bewegung in die Tradition von liberalen Vorkämpfern zu stellen, eine neue außerparlamentarische Opposition (APO) von rechts. Ein beliebter Trick auf der politischen Rechten. In den Niederlanden stilisiert sich der Anti-Islam-Agitator Geert Wilders als Kämpfer für die Meinungsfreiheit.
Otte und seine Gastredner wie der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin sehen sich als "demokratische Systemkritiker", als politisch Ausgestoßene im eigenen Land.
Ein heikles Spiel treibt Otte mit der Nation. Auf dem Hambacher Fest von 1832 ging es auch darum, die fürstliche Kleinstaaterei zu überwinden. "Hinauf Patrioten zum Schloss", lautete der Protestsong de Hambacher damals. Doch ging es ihnen nicht allein um ein geeintes Deutschland, die Einheit war eingebettet in Demokratie und Rechtsstaat.
In Hambach flatterten 1832 erstmals die Farben Schwarz-Rot-Gold auf einer politischen Veranstaltung. Aber das Fest hatte einen äußerst internationalen Charakter.
Wirth erklärte damals in Hambach in seiner Rede:
Schon zuvor hatte Wirth auf einem Vortrag im französischen Straßburg "eine natürliche und dauerhafte Organisation Europas zur Herstellung und Bewachung des europäischen Friedens", gefordert.
Schwierig also, sich mit Blick auf das Hambacher Fest auf den engen Nationalismus zu berufen.
Das Schloss wird von einer Stiftung getragen, die finanziert sich großteils über die Mieteinnahmen. Einzelne Mieter aussperren kann sie nicht. "Als öffentliche Stiftung sind wir zur Gleichbehandlung verpflichtet", erklärte Schlossmanagerin Ulrike Dittrich der Süddeutschen Zeitung.
Schon im Jahr 2016 war die Stiftung mit dem Versuch gescheitert, der AfD die Tür zu weisen. Die rechtspopulustische Partei dürfe auf dem Schloss tagen, befand das Verwaltungsgericht Neustadt. Die Partei tagte. Die Bevölkerung protestierte.
Auch für das Wochenende haben sich aber Gegendemonstranten angekündigt.
(Mit Material von dpa)