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"Artgemeinschaft" und "Hammerskins": Was die Verbote bedeuten

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Am Mittwoch wurde die Vereinigung "Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" verboten.Bild: IMAGO images/Funke Foto Services
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"Artgemeinschaft" und "Hammerskins": Was die Verbote bedeuten

27.09.2023, 14:1927.09.2023, 14:30
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Innerhalb weniger Tage hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gleich zwei rechtsradikale Vereinigungen verboten: die Nazi-Organisation "Hammerskins" und die völkische Gruppierung "Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung". Letztere nennt Faeser sogar eine Sekte.

Die "Artgemeinschaft", meinte sie, sei eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Organisation. In einer Publikation des Verfassungsschutzes von 2020 wurde die Gemeinschaft als "die derzeit größte deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung" bezeichnet.

Die "Hammerskins" währenddessen sind ein radikaler, rechtsextremer Männerbund, der ursprünglich aus den USA stammt. Faeser löst mit den Verboten ihr Versprechen ein, ein waches Auge auf extremistische Bestrebungen zu werfen. Immer wieder betont die SPD-Ministerin, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist.

Was aber bedeuten die Verbote? Und warum kommen sie so geballt? Darüber hat watson mit Politikwissenschaftler Peter Neumann vom King's College in London gesprochen.

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Verbot könnte strategische Strahlkraft haben

"Die Hammerskins und die Artgemeinschaft sind zwei klar rechtsextremistische Kräfte", stellt Neumann klar. Beide Vereinigungen wendeten sich aggressiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Verbote seien dementsprechend angebracht. "Selbst wenn die Mitglieder Widerspruch einlegen, habe ich keine Zweifel, dass Gerichte das bestätigen werden", sagt Neumann.

Er könne nicht einschätzen, ob der Doppelzuschlag nun mit dem Wahlkampf Faesers in Hessen zu tun habe – unabhängig davon sei es aber die richtige Entscheidung gewesen. Dass die beiden Verbote so kurz hintereinander ausgesprochen wurden, könnte trotzdem eine Strategie sein, meint Neumann. Dahinter könnte die Entscheidung stecken, gegen Rechtsextremismus auf andere Art und Weise vorzugehen – und zwar durch eine aggressivere Politik der Verbote.

Dieser Kurs könnte auch mit dem Erstarken der in Teilen rechtsextremen AfD zusammenhängen. Neumann führt aus: "Die Verbote könnten das Zeichen setzen, dass das Innenministerium und die Sicherheitsbehörden nun noch konsequenter und aggressiver gegen Rechtsextremismus vorgehen. Und dass es in diesem Spektrum keine Toleranz gibt."

"Es muss abgewogen werden, was mehr bringt: Lässt man solche Vereinigungen weiter öffentlich agieren und beobachtet sie – oder sagt man, sie werden verboten?", wirft Neumann ein. Das bedeutet: Die Vereinigung darf sich nicht mehr legal betätigen, Treffen veranstalten, Vereinsembleme tragen, ein Konto betreiben.

Das Verbot gegen die Vereinigung, die sich häufig in einem Hotel in Thüringen traf, wurde nach Angaben des Ministeriums seit mehr als einem Jahr vorbereitet. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen, hieß es. Die Vereinigung, die nach Ministeriums-Schätzungen rund 150 Mitglieder hat, richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.

Das Verbot könnte auch bedeuten: Die Gruppierungen tauchen ab. Neumann sagt:

"Es kann gut sein, dass beim Innenministerium oder dem Verfassungsschutz die Entscheidung getroffen wurde, dass eine weitere Beobachtung keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden und es besser ist, die Organisationen zu verbieten."

Aktivität der Gruppen wird gebunden

Klar sei aber auch, dass sich die Mitglieder der Gruppen durch ein bloßes Verbot kaum von ihrer rechtsextremistischen Gesinnung verabschieden werden. "Wahrscheinlich werden sie in naher Zukunft ähnliche Gruppierungen aufbauen, dann vielleicht mit einem anderen Namen, aber der gleichen Ausrichtung und denselben Menschen", merkt Neumann an.

Trotzdem sorge das Verbot dafür, dass sich die Organisationen erst einmal mit sich selbst beschäftigen müssen, um neue Strukturen aufzubauen. Ein Verbot sei also keine Methode, um Organisationen zu zerschlagen, aber eine Möglichkeit, ihnen Schwierigkeiten zu bereiten.

Gleichzeitig sei ein Verbot auch ein Signal an Menschen, die sich möglicherweise in solchen Vereinigungen organisieren – und beim Staat angestellt sind. Also beispielsweise Lehrer:innen, Polizist:innen oder Armeeangehörige. Ein Verbot einer solchen Organisation könnte auf sie abschreckend wirken, sich in ähnlichen Vereinigungen zu engagieren. Und es könnte zeigen, dass der Staat so etwas nicht toleriert.

(Mit Material der dpa)

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