Ausgerechnet beim Niederknien zum Beten hat sich Wolfgang Ehrle eine Zerrung zugezogen. So ganz jung ist er mit seinen 45 Jahren eben nicht mehr. Dennoch beginnt er gerade noch mal ganz von vorn: Nach vielen Jahren als Großhandelskaufmann lässt er sich als Quereinsteiger zum Priester ausbilden. Die katholische Kirche unterhält dafür in dem kleinen Ort Grafschaft in Rheinland-Pfalz nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen ein spezielles Ausbildungszentrum, das Studienhaus St. Lambert. Es ist deutschlandweit einzigartig.
Der enorme Priestermangel stellt die Kirche vor immer größere Probleme.
Deshalb wird in letzter Zeit verstärkt mit Plakaten und Flyern um "Spätberufene" geworben. Der Slogan: "Ruf! Mitten im Beruf: Priester werden ohne Abitur".
Die vierjährige Ausbildung ist kein staatlich anerkanntes Theologiestudium, man kann keinen Bachelor oder Master machen. Der Kirche aber reicht es.
TV-Moderator Eckart von Hirschhausen kommentierte das beim Katholikentag in Münster im vergangenen Mai mit den Worten:
Diese Bemerkung ist in St. Lambert natürlich weniger gut angekommen. "Kann man den Ruf Gottes so einfach an das Abitur knüpfen?", fragt der als Regens bezeichnete Leiter des Hauses, Volker Malburg. "Oder kann man sagen, man kann auch ohne Voraussetzung für ein Hochschulstudium ein guter Priester sein? Das würde ich immer bejahen." Es könne sogar Vorteile für die Arbeit als Seelsorger haben, schon mal einen anderen Beruf ausgeübt zu haben. Eben das ist Voraussetzung, um sich beim Ausbildungszentrum bewerben zu können.
Zurzeit studieren 28 Männer in dem Institut, das Platz für 70 bietet. "Das löst jetzt nicht alle Probleme, die mit dem Stichwort Priestermangel verbunden sind", räumt Regens Malburg ein. Er persönlich sei offen dafür, auch über den Zölibat - die vorgeschriebene Ehelosigkeit des Priesters - zu diskutieren. Diese Einschränkung gilt allgemein als Hauptgrund für die Nachwuchsprobleme. Auch die Quereinsteiger machen sich darüber Gedanken. Wolfgang Ehrle hat für sich entschieden, dass er später eine Familie in sein Pfarrhaus aufnehmen oder aber mit anderen Priestern zusammenwohnen will: "Abends in ein leeres Haus zu kommen - das kann ich mir nicht vorstellen."
(dpa/pcl)