Warum sollen Ferkel noch bis 2021 betäubungslos kastriert werden? Und 3 weitere Fragen
29.11.2018, 10:5429.11.2018, 11:04
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In Deutschland werden Millionen Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Diese traditionelle Methode soll vermeiden, dass Fleisch von Ebern einen strengen Geruch und Beigeschmack bekommt.
Nach jetzigem Stand ist es ab dem 1. Januar 2019 verboten, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren.
An diesem Donnerstag wird im Bundestag darüber beraten, ob die Frist bis zum Inkraftreten des Gesetzes verlängert werden soll.
Weil die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD sich den Wünschen aus Landwirtschaft und Fleischindustrie gebeugt hat und das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration verschieben will.
Welche Forderungen gab es?
Der Bauernverband hatte auch angesichts der generell schwierigen
wirtschaftlichen Lage vieler Schweinehalter dringend für eine
Verschiebung geworben und darauf verwiesen, dass es keine Alternativverfahren gebe. Das Verbot ab 2019 war bereits
mit der Reform des Tierschutzgesetzes 2013 beschlossen worden. Tierschützer forderten, es beim geplanten Verbotsdatum zu
belassen, um Ferkelqual nicht zu verlängern.
Proteste von Tierschützern in Berlin
Im Bundesrat hatten Initiativen, die bisherige Praxis noch bis Ende
2020 oder sogar Ende 2023 zu ermöglichen, kürzlich keine Mehrheit
gefunden. Aus der Union wurden daraufhin Rufe laut, im Bundestag
einen weiteren Anlauf für eine Verschiebung des Verbots zu nehmen.
Wie sind die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft?
Das Bundesagrarministerium von CDU-Ministerin Julia Klöckner begrüßte Anfang Oktober die verlängerte Übergangsfrist. "Ferkelproduktion soll auch künftig in Deutschland möglich bleiben
(...). Ohne eine Fristverlängerung würden die Sauenhalter in
Deutschland aber Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen
Wettbewerbern ausgesetzt sein", teilte das Ministerium mit.
Während die Fristverlängerung bei Tierschützern und Grünen auf starke
Kritik stieß, zeigten sich Vertreter der Landwirte und der
Fleischbranche erleichtert. "Die geplante Fristverlängerung bedeutet
für unsere Mitgliedsunternehmen und die gesamte Fleischwirtschaft in
Deutschland, dass die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen EU-Ländern
gewahrt bleibt, wenn auch nur vorerst", sagte der Präsident des
Deutschen Raiffeisenverbandes, Franz-Josef Holzenkamp.
Auch die Verbraucherschutzminister von Baden-Württemberg und
Niedersachsen, Peter Hauk und Barbara Otte-Kinast (beide CDU),
begrüßten eine längere Übergangsfrist. Damit werde Zeit gewonnen, an
Alternativen zur betäubungslosen Kastration zu arbeiten, sagte Hauk.
Auch Otte-Kinast forderte die Branche dazu auf, die Zeit zu nutzen,
um tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Agrarministerin Klöckner, CDU, in der Natur
Bild: imago stock&people
Die Landwirte im Land sehen noch keine Alternative zur umstrittenen betäubungslosen Ferkelkastration. "Es gibt noch zu viele offene Fragen bei den Alternativen", sagte Marco Eberle, Fachreferent des Landesbauernverbands im Vorfeld des Bauerntags auf dem Landwirtschaftlichen Hauptfest am Donnerstag. "Nach dem jetzigen Stand ist das Verbot nicht umsetzbar."
Was sagen die Tierschützer und Tierärzte?
"Es ist ein schmutziger Deal. Der minimalste Tierschutz, den Ferkeln
eine Betäubung zu gewähren, wird für den CSU-Wahlkampf in Bayern
geopfert", kritisierte hingegen der Sprecher für Agrarpolitik der
Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff, als der Plan der Fristverlängerung Anfang Oktober bekannt wurde. "Was der
Koalitionsausschuss beschlossen hat, ist Verrat an den Ferkeln und
Verrat am Staatsziel Tierschutz und wurde offenbar wie auf einem
Basar in die Pokerrunden um Diesel und Zuwanderung eingepreist",
sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.
Verrat am Tier, sagt der Tierschutzbund
Der Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte,
Siegfried Moder, mahnte, Tierärzte und Landwirte bräuchten dringend
Klarheit. Übrig bleibe allein die Impfung gegen Ebergeruch mit dem
Impfstoff Improvac. Dieses Verfahren scheitere derzeit vor allem
daran, dass der Lebensmitteleinzelhandel keine klaren und
einheitlichen Aussagen zur Abnahme von damit geimpftem
Schweinefleisch treffe: "Die Zeit drängt. Deshalb sind die
gemeinsamen Beratungen im Rahmen eines Nationalen Improvac-Gipfels
aus unserer Sicht dringend erforderlich."