Heute will die GroKo die Diesel-Zukunft beschließen – der watson-Guide zur Debatte
01.10.2018, 09:26
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Nach jahrelangen Diskussionen über zu
schmutzige Luft in deutschen Städten sollen Einwohner und Millionen
Diesel-Besitzer Klarheit über neue Gegenmaßnahmen bekommen. Die
Spitzen von Union und SPD wollen am Montagabend eine Einigung auf ein
Paket erreichen, das Diesel-Fahrverbote in weiteren Städten abwenden
soll.
Bei einem Treffen des Koalitionsausschusses geht es um Prämien von mehreren Tausend Euro, wenn Besitzer ihre älteren Diesel durch sauberere Wagen ersetzen.
Außerdem geht es um mögliche Umbauten an Motoren älterer Diesel, auf die vor allem die SPD in der Bundesregierung dringt. Vor dem Treffen waren aber zunächst noch zahlreiche Fragen offen.
Was will der Verkehrsminister?
Verkehrsminister Andreas Scheuer.Bild: Felix Zahn/imago
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzt vorrangig auf
neue Anreize, damit mehr Diesel-Besitzer Fahrzeuge der Klassen Euro 4
und Euro 5 in saubere Euro-6-Autos tauschen - Benziner oder Diesel,
neue oder gebrauchte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht dies
als "Hauptelement" des neuen Konzepts.
Offen blieb über das
Wochenende zunächst, in welchen Regionen solche Prämien von mehreren
Tausend Euro angeboten werden sollen. Neben den 14 Städten, in denen
die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) 2017 mehr als 50 Mikrogramm
pro Kubikmeter Luft betrug, werden für andere betroffene Städte
spezielle Lösungen angestrebt – unter anderem für Frankfurt am Main,
wo nach einem Gerichtsurteil 2019 Fahrverbote kommen sollen.
Diesel ist ein Umweltthema – was denkt die Umweltministerin von der SPD?
Schwierigster Punkt der Gespräche sei die Kostenübernahme bei möglichen technischen Nachrüstungen, hieß es in Koalitionskreisen. Die Hersteller seien nicht bereit, Nachrüstungen zu 100 Prozent zu bezahlen. Daneben gehe es darum, für wie viele Städte und in welchem Radius solche Nachrüstungen infrage kommen sollen. Scheuer hatte zehn Städte mit hoher Luftverschmutzung vorgeschlagen und jeweils einen Umkreis von 70 Kilometern. Dies sei Schulze aber zu wenig, hieß es.
Umweltministerin Schulze glaubt an die Zukunft der Elektromobilität.Bild: sepp spiegl/imago
Die Umweltministerin pocht auf umfangreiche technische Nachrüstungen zur stärkeren Reduzierung des Schadstoffausstoßes. Diese müssten "zwingend Teil der Lösung sein", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Ich glaube, das klappt!", sagte Schulze am Montag im Sender SWR. Ohne Hardware-Nachrüstungen werde es allerdings nicht gehen, betonte Schulze. Außerdem gehörten auch Umtauschprämien zum Lösungspaket, da sich eine Umrüstung alter Fahrzeuge nicht immer lohne. Alle Maßnahmen sollten auf Kosten der Industrie gehen, sagte Schulze. "Die hat uns das eingebrockt, die Automobilindustrie, und die muss das auch bezahlen." Es gehe nicht darum, die Autoindustrie zu vertreiben oder kaputt zu machen.
Und was denkt die Autoindustrie?
Die Betriebsratsvorsitzenden von VW, Daimler
und BMW sprachen sich gegen pauschale
Hardware-Nachrüstungen für Dieselfahrzeuge aus. "Wir sind gegen eine
Lösung, die einseitig deutsche Hersteller benachteiligen und
Arbeitsplätze gefährden würde", erklärten Bernd Osterloh (VW),
Michael Brecht (Daimler) und Manfred Schoch (BMW) in einem
gemeinsamen Apell in der "Bild"-Zeitung.
VW-Vorstandsvorsitzender Diess.Bild: Darius Simka/imago
Sie favorisierten
Umtauschprämieren, um alte Diesel von der Straße zu holen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dagegen der "Passauer
Neuen Presse", auch mit einer Umtauschprämie von ein paar
tausend Euro würden sich viele Diesel-Fahrer keinen neuen Wagen
leisten können.
Das ist die Position der Städte:
Der Deutsche Städtetag verlangte ein umfassendes Konzept. "Es
darf jetzt keine halbherzigen Lösungen mehr geben, die in Kürze
wieder ergänzt werden müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy . Menschen an belasteten Straßen, die
Städte und die Dieselfahrer bräuchten eine Perspektive, die trage.
Nach quälend langen Diskussionen und mehreren Gerichtsurteilen müsse
ein Paket kommen, das die Stickoxid-Belastung reduziere und die
Industrie in die Pflicht nehme. Dazu gehörten Hardware-Nachrüstungen
für Euro-5-Diesel auf Kosten der Hersteller, attraktivere
Umtauschprämien und ein Konzept nicht nur für wenige besonders
belastete Städte.
Daneben soll für Euro-5-Diesel ein Einbau besserer Abgastechnik
an den Motoren ermöglicht werden – das Urteil zu Frankfurt hatte hier
für Bewegung gesorgt. Merkel, die lange gegen Hardware-Nachrüstungen
argumentiert hatte, öffnete sich angesichts dessen dafür. In Hessen
ist am 28. Oktober Landtagswahl. Offen waren aber Fragen der Haftung.
Ein schwieriger Punkt in den Gesprächen war laut Koalitionskreisen
auch, dass die Hersteller vorerst nicht bereit waren, die kompletten
Kosten zu tragen. Die Bundesregierung pochte aber darauf.
Beim Treffen im Kanzleramt sollten je nach Fortschritt beim
Hauptthema Diesel auch noch weitere Themen angesprochen werden – etwa
die Zuwanderung von Fachkräften und bezahlbare Wohnungen.