Viele Prozesse, die im menschlichen Körper stattfinden, werden von Hormonen gesteuert. Sie beeinflussen zum Beispiel den Muskelaufbau, die Verarbeitung von Zucker oder Fett im Körper, die Sexualität oder unser Stresslevel. All das funktioniert in einem fein ausbalancierten System, in dem Schwankungen oder Störungen erhebliche Folgen haben können.
Zu den Stoffen, die hormonelle Abläufe im Körper durcheinander bringen können, zählen unter anderem die sogenannten endokrinen Disruptoren. Seit einigen Jahren schon sind die Stoffe im Gespräch. Sie stecken in Kunststoffen und Körperpflegeprodukten und werden mit hormonbedingten Krebserkrankungen, Fortpflanzungs- und Fruchtbarkeitsstörungen in Verbindung gebracht.
Nun widmet sich die EU-Kommission stärker diesem Thema. In den kommenden Wochen und Monaten soll die EU-Gesetzgebung auf Schlupflöcher für hormonschädigende Chemikalien hin untersucht werden, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Eine öffentliche Umfrage sei ebenfalls geplant. Doch was machen endokrine Disruptoren überhaupt? Worin sind sie überall enthalten? Und welche Gefahr geht von ihnen aus? Wir klären 5 wichtige Fragen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt, dass einige dieser Stoffe dadurch wirken, dass sie an Rezeptoren binden und "dort eine dem Hormon ähnliche Wirkung verursachen".
Häufig sind sie Kunststoffen zugesetzt, vermutlich wirken etwa bestimmte Weichmacher hormonell. Auch bestimmte Tenside, die Waschmitteln ihre schmutz- und fettlösenden Eigenschaften verleihen, zählen zu den endokrinen Disruptoren. Weiter gehören bestimmte Flammschutzmittel sowie Pflanzenschutzmittel dazu.
Es gibt aber auch hormonell wirksame Substanzen aus der Natur – zum Beispiel:
Wir können sie über die Haut oder die Lunge aufnehmen, vor allem gelangen sie aber über die Nahrung in den Körper. Zum Beispiel so:
Viel diskutiert werden vor allem Stoffe, die Sexualhormone beeinflussen oder ihnen ähnlich sind. Gegen sie gibt es gleich zahlreiche Vorbehalte:
Wenn gegen die hormonell wirksamen Stoffe argumentiert wird, werden häufig Studien genannt, wonach die Fälle von Prostata- und Brustkrebs zunehmen, also Krebsarten in Organen, die hormonell reguliert werden. Forscher ziehen endokrine Disruptoren als möglichen Risikofaktor in Erwägung – genauso sind aber auch Übergewicht und Alkoholkonsum Risikofaktoren. Wissenschaftlich belegt ist ein Zusammenhang zwischen Krankheiten und der Aufnahme hormonell wirksamer Stoffe aber nicht.
In der EU sind hormonell wirksame Substanzen durch verschiedene Gesetze reguliert. Für Nahrungsmittel etwa sind Grenzwerte festgelegt, bis zu denen die Stoffe als unbedenklich gelten.
Die EU-Kommission hat nun eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung vor hormonverändernden Stoffen vorgestellt. Der Ansatz der EU müsse der "modernste und zweckmäßigste der Welt bleiben", sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde am Mittwoch. Die Kommission gehe so auf die Bedenken der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments bezüglich der bisherigen Regelungen ein.
Die Kommission kündigte an, die Gesamtexposition gegenüber endokrinen Disruptoren zu minimieren, mehr zu forschen und die bestehenden Rechtsvorschriften einer umfassenden Eignungsprüfung zu unterziehen. Die EU-Kommission war bereits 2010 damit beauftragt worden, wissenschaftliche Kriterien als Grundlage für EU-Gesetze zu entwickeln. Die jahrelange Verspätung brachte der Brüsseler Behörde 2016 eine Rüge des Europäischen Gerichtshofs ein.
(sg/dpa/afp)