Das Leben an der Kriegsfront in der Ukraine ist brutal. Noch brutaler ist es aber in schlecht sitzender Kleidung und mit fehlenden Hygieneartikeln – und das betrifft hauptsächlich die Frauen. Denn gewisse biologische Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern kommen in der unbarmherzigen Gefahrenzone an der Front noch viel mehr zum Tragen.
Während die Männer für die Blasenentleerung bloß einen Reißverschluss öffnen müssen, gestaltet sich der Prozess für die Frauen einiges mühsamer. Der Toilettengang – ein für uns so selbstverständlich erfüllbares Grundbedürfnis – ist für sie nicht nur unangenehm, sondern geradezu gefährlich.
Gegenüber der amerikanischen Nachrichten-Webseite The Daily Beast erzählen Frauen der ukrainischen Armee von den Herausforderungen an der Front. So sagt Julia:
Doch der WC-Gang sei noch eines der geringsten Probleme, sagt Julias Schwester, Alina. Aufgrund ungeeigneter Ausrüstung und Ressourcen sind Soldatinnen häufig in noch größerer Gefahr als ihre männlichen Kollegen.
Ausrüstung und Schuhe sind oft nur auf Männer zugeschnitten und sind den Frauen viel zu groß. Das hindert sie unter anderem an schnellen Bewegungen, was in gefährlichen Situationen fatale Folgen haben kann.
Am schlimmsten sei dabei die 13 kg schwere kugelsichere Panzerung, die zur Standardausrüstung gehöre, erklärt Julia. Bei "einem Busen wie ihrem", liege diese einfach nie richtig am Körper an. Wenn sie diese aber ausziehen und dann verwundet oder getötet würde, erhielte weder sie noch ihre Familie eine Entschädigung. Sie betont: "Unser Leben, unsere Sicherheit hängt oft davon ab, was wir am Körper und an den Füßen tragen und wie gesund wir sind."
Bereits letztes Jahr beklagten sich Soldatinnen darüber, dass es bis dahin bloß bei Tests von Damenunterwäsche geblieben sei. Deswegen trügen sie noch immer Herrenunterhosen, erzählten Frauen im Juli 2022 gegenüber der ukrainischen Nachrichten-Website TSN.
Die Frauen hätten unter anderem auch damit begonnen, sich gegenseitig Fotos zu schicken, um zu zeigen, wie sie etwa Hosen mit Schnürsenkeln und Gürteln an ihre Körper anpassten. Bei den Mänteln hingegen seien sie chancenlos: Vielen Frauen lägen die Schultern des Mantels näher an den Ellenbogen.
Die Problematik ist bereits bekannt und wird unter anderem von der Wohltätigkeitsorganisation Zemliachky aktiv angegangen. The Daily Beast hat die Schwestern Julia und Alina an einem Anlass von Zemliachky getroffen. In einem Warenhaus stellte die Organisation für Frauen designte Sommer-Uniformen vor und verteilte eine limitierte Anzahl davon. Sie verhandele derzeit mit Armee-Offiziellen über eine Zulassung dieser Uniformen, welche leichtere, speziell auf den weiblichen Körper zugeschnittene Panzerungen beinhalte.
Am Donnerstag äußerte sich der ukrainische Verteidigungsminister Oleksey Reschnikow während des ukrainischen Frauenkongresses noch persönlich zur Thematik. Helme und Uniformen für Frauen seien bereits entwickelt worden und würden nun in Kampfeinheiten getestet werden.
Sobald er die Rückmeldung erhalte, dass die Modelle funktionierten und für die Frauen bequem seien, werde er diese als neuen Standard per Anordnung genehmigen.
Man wolle die Frauen einbeziehen, so Oleksey Reschnikow, und verhindern, "dass es zu einer Situation wie bei der Parade und den Schuhen kommt." Er spielte damit auf ein Ereignis aus dem Jahr 2021 an. Damals wurden Fotos von Studentinnen einer Kiewer Militärhochschule veröffentlicht, die in Schuhen mit Blockabsätzen für den ukrainischen Unabhängigkeitstag am 24. August trainierten.
Auch wenn die 5,4 cm hohen Absatzschuhe bloß für Paraden und nicht auf dem Feld getragen würden, sorgten sie nicht nur im Netz für Spott und Empörung, sondern lösten auch im ukrainischen Parlament hitzige Diskussionen aus. Der damalige Verteidigungsminister Andriy Taran verkündete deshalb wenige Tage später, dass man den Kauf von verbesserten und ergonomischen Schuhen in Betracht ziehe.
Wie der Gründer von Zemliachky gegenüber The Daily Beast erklärt, hätte seine Organisation derzeit nur genügend Mittel, für zehn Prozent der 9.000 Frauen Uniformen herzustellen. Die Frauen benötigten Hunderte von Artikeln, so Zemlichaky doch die Priorität seien derzeit die Uniformen. Alleine für die Sommer-Uniformen inklusive Schuhen benötigen sie umgerechnet etwa 780.000 Euro. Er betont:
Am Anlass der Organisation stellte Ksenia Draganyu, eine Freiwillige des Militärs, den Reporter:innen von The Daily Beast den "Feminine Urinary Director" vor. Diese Art Trichter erlaubt es den Frauen auch im Stehen zu Pinkeln.
Nebst diesen Urinal-Trichtern fehle es aber auch an den grundlegendsten Ressourcen wie Damenbinden. Doch wie Kolesnyk stolz festhält: Die Hingabe der zahlreichen ukrainischen Frauen, die im Krieg kämpfen, sei dennoch unerschütterlich.
Laut offiziellen Daten dienten Stand Anfang Mai 2023 42.000 Frauen in ukrainischen Militäreinheiten, davon 5.000 direkt an der Front. 107 Frauen der ukrainischen Armee sind seit der russischen Invasion ums Leben gekommen.