Oleksii Zadoienko ist auf der Flucht.
Um 5 Uhr morgens wurden der 37 Jahre alte Anwalt, seine zwei Kinder und seine Frau aus dem Schlaf gerissen – von dem Höllenlärm der Explosionen in der Nähe seines Zuhauses.
Seine Söhne sind zwei und zwölf Jahre alt. Er will sie in Sicherheit bringen – und dann für sein Land kämpfen.
Am Telefon erzählt er seine Geschichte.
Das Protokoll eines Vaters, der kämpfen will:
"Am Donnerstagmorgen, frühmorgens um fünf Uhr, wachten wir von heftigen Explosionsgeräuschen auf. Wir sind um 12 Uhr aus Kiew geflohen. Wegen des Staus war es schwer, aus der Stadt herauszukommen – da waren so viele Autos. Am ersten Tag kamen wir in Riwne an, einer Stadt im Nordwesten der Ukraine. Und danach zogen wir hierher in eine Stadt nahe der rumänischen Grenze.
Es ist schwer zu beschreiben, was wir in dieser Zeit gefühlt haben. Wir kannten solche Gefühle nicht, haben so etwas noch nie fühlen müssen.
Es ist sehr schwer zu erklären, wie es sich anfühlt, wenn dein kleiner Sohn neben dir schläft und Dinge über deinem Kopf explodieren.
Es ist auch jetzt... (macht eine Pause, Anm. d. Red) ... sehr schwer für mich, meine Gefühle auszudrücken.
Wir sind sehr erschöpft, wir sind seit drei Tagen unterwegs. Im Moment versuchen wir, etwas zu essen zu kaufen. Hier in der Stadt sind viele Leute aus anderen Städten: aus Kiew, aus Tschernobyl, sogar aus Odessa. Sie viele Leute.
Ich bin hier mit meinen Freunden, ich denke, wir werden jetzt versuchen, etwas für unsere Streitkräfte zu tun. Vielleicht können wir helfen. Nun, wir sind keine professionellen Militärs, aber wir werden versuchen, etwas für sie zu tun.
Ich wollte nur, dass meine Familie sicher ist. Das war erstmal das Wichtigste für mich. Aber jetzt bin ich bereit, hier beim Kampf zu helfen. Nun, ich weiß nicht, ob wir Waffen bekommen, aber ja, wir sind bereit.
Hier ist meine Familie erstmal sicher, wir bleiben also erstmal hier. Wir kommen in einer Wohnung von unseren Freunden unter. Aber klar: Die Situation wird immer schlimmer. Ich werde versuchen, meine Familie irgendwie nach Polen oder Rumänien zu bringen.
Es wird schwer werden, weil in der Nähe der Grenze viel Stau ist, Tausende von Autos stehen dort. Aber egal, wir werden es versuchen. Wenn sich die Situation in den nächsten Stunden verschlimmert und meine Familie hier angegriffen werden könnte, werde ich versuchen, sie außer Landes zu bringen.
Und ich weiß, dass ich da nicht mitgehen kann.
Und ich will das auch nicht.
Ich habe keine Angst. Ich bin nicht wegen Putin hier. Oder der russischen Armee. Ich habe nur Angst um meine Familie. Ich will nur, dass es ihr gut geht.
Noch immer verstehen leider nicht alle Europäer, dass wir angegriffen werden, dass russische Raketen unser Land, unsere Häuser bombardieren – nicht nur militärische Objekte. Häuser von Menschen, von Kindern.
Die offizielle Position Russlands ist verrückt. Sie erzählen irgendeinen Bullshit, von wegen, sie müssten gegen Nationalisten kämpfen. Sie retteten Menschen in der Ukraine.
Es ist so verrückt, weil sie ja die Leute in der Ukraine bombardieren. Sie töten Menschen der Ukraine.
Es ist wie eine andere Realität."
Hinter jeder Katastrophe stecken eigene Geschichten. Wir lassen sie von denen erzählen, die sie erleben.