Granaten, bei denen es sich offenbar um weißen Phosphor aus israelischer Artillerie handelt, explodieren angeblich an einem libanesischen Grenzdorf zu Israel im Südlibanon. Bild: AP / Hussein Malla
International
Wie ein Feuerwerk erhellen sie die Nacht. Sie wäre beinahe schön, wäre sie nicht so verdammt tödlich: Munition mit weißem Phosphor. Sie kommt in allen Formen, ob als Leuchtspurmunition, Vernebelungsgranaten oder als Brandwaffe. Weißen Phosphor kann man vielfältig anwenden, dabei führt er zu schweren Verbrennungen bei Menschen, setzt Gebäude, Felder oder andere zivile Objekte in der Umgebung in Brand.
In dem dichtbesiedelten Gazastreifen hätte der Einsatz von weißem Phosphor demnach dramatische Folgen. Doch das soll Israel anscheinend nicht abschrecken. Bereits am 16. Oktober wurden Vorwürfe laut, dass das israelische Militär Phosphormunition einsetzt.
Eine Granate, bei der es sich offenbar um weißen Phosphor handelt, explodiert im Südlibanon.Bild: AP / Hussein Malla
Human Rights Watch wirft Israel Einsatz von weißem Phosphor vor
Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation "Human Rights Watch" lieferte dazu Beweise. Demnach überprüfte die Organisation Videos, die am 10. und 11. Oktober 2023 im Libanon beziehungsweise im Gazastreifen aufgenommen wurden. Sie sollen den mehrfachen Einsatz von weißem Phosphor über dem Hafen von Gaza-Stadt und zwei ländlichen Ortschaften entlang der israelisch-libanesischen Grenze zeigen. Außerdem befragte "Human Rights Watch" zwei Personen, die einen solchen Angriff in Gaza miterlebt haben.
Die israelischen Behörden haben sich nicht zum mutmaßlichen Einsatz von weißem Phosphor während der laufenden Kämpfe geäußert. Das israelische Militär teilte laut Medienberichten mit, dass es derzeit keine Kenntnis vom Einsatz von Waffen mit weißem Phosphor im Gazastreifen gebe.
Nun wirft eine weitere Menschenrechtsorganisation Israel vor, Phosphormunition einzusetzen.
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Auch Amnesty International liefert jetzt offenbar Beweise
Laut der Non-Profit Nichtregierungsorganisation "Amnesty International" soll die israelische Armee zwischen dem 10. und 16. Oktober bei Militäroperationen Artilleriegranaten mit weißem Phosphor, einer Brandwaffe, abgefeuert haben. Und zwar entlang der südlichen Grenze des Libanon. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Organisation hervor.
Sie fordert: Ein Angriff auf die Stadt Dhayra am 16. Oktober müsse als Kriegsverbrechen untersucht werden. Denn dabei handelt es sich um einen "wahllosen Angriff, bei dem mindestens neun Zivilist:innen verletzt und zivile Objekte beschädigt worden seien", schreibt "Amnesty International".
Aya Majzoub, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei "Amnesty International", äußert sich dazu:
"Es ist mehr als entsetzlich, dass die israelische Armee wahllos weißen Phosphor eingesetzt hat und damit gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Der rechtswidrige Einsatz von weißem Phosphor im Libanon in der Stadt Dhayra am 16. Oktober hat das Leben von Zivilisten ernsthaft gefährdet, von denen viele ins Krankenhaus eingeliefert und vertrieben wurden und deren Häuser und Autos Feuer fingen."
Aya Majzoub, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei "Amnesty International".Bild: AP / Bilal Hussein
Auch "Amnesty International" liegen Beweise in Form von verifizierten Videos und Fotos vor. Zusätzlich wurden vier Zeugen befragt: der Bürgermeister und ein Bewohner des betroffenen Ortes Dhayra sowie ein Ersthelfer, der den Transport von verletzten Zivilist:innen ins Krankenhaus ermöglichte, und ein Notarzt, der betroffene Opfer behandelte.
So gefährlich ist weißer Phosphor
Laut "Amnesty International" ist weißer Phosphor ein Brandstoff, der meist zur Erzeugung einer dichten Rauchwand oder zur Markierung von Zielen eingesetzt wird. Wenn er der Luft ausgesetzt wird, brennt er bei extrem hohen Temperaturen und löst in den Einsatzgebieten häufig Brände aus. Menschen, die weißem Phosphor ausgesetzt sind, können Atemwegsschäden, Organversagen und andere schwere Verletzungen erleiden, darunter Verbrennungen, die extrem schwer zu behandeln sind und nicht mit Wasser gelöscht werden können. Verbrennungen, die nur zehn Prozent des Körpers betreffen, sind oft tödlich.
Zusätzlich sammelte das Team stichhaltige Beweise bei drei weiteren Vorfällen zwischen dem 10. und 16. Oktober in Dhayra und den Grenzstädten al-Mari und Aita al-Chaab, indem es Videos und Fotos dieser Angriffe überprüfte.
Nach Angaben der Organisation bestritten die israelischen Behörden am 14. Oktober, dass sie bei ihren Militäroperationen im Gazastreifen und im Libanon weißen Phosphor eingesetzt haben. Bereits 2009 warf "Human Rights Watch" Israel den Einsatz von weißem Phosphor vor.
Schon 2009 soll Israel weißen Phosphor "willkürlich" eingesetzt haben
Demnach habe Israel schon damals im Gazakrieg weißen Phosphor gegen palästinensische Zivilbevölkerung eingesetzt – und zwar "willkürlich und rücksichtslos". Das belegen die Recherchen der Organisation, die in einem 71-seitigen Bericht veröffentlicht wurden.
Die israelischen Streitkräfte bestritten dies zunächst, erklärten dann aber, die Granaten nur im Rahmen des nach internationalem Recht Erlaubten eingesetzt zu haben – also um das Vorrücken der eigenen Truppen durch den weißen Rauch zu decken. Die Behauptung, man habe die Geschosse "in breitem Maße eingesetzt und damit die Zivilbevölkerung bedroht, entbehren jeder Grundlage", hieß es damals in der Stellungnahme laut "Tagesspiegel".
Unter internationalem Recht ist die Anwendung von Phosphorbomben zum Zwecke der Tarnung oder Täuschung erlaubt. Allerdings ist ihr Einsatz laut einer Waffenkonvention von 1980 gegen Zivilist:innen und in städtischen Gebieten geächtet.
"Amnesty International" untersucht derzeit auch die Angriffe der Hisbollah und anderer bewaffneter Gruppen auf Nordisrael, um festzustellen, ob sie gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen haben. Auch dokumentiert die Organisation begangene Kriegsverbrechen durch die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen.
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