Auf einer Pro-Palästina-Demo im Iran werden Flaggen der USA und Israels verbrannt.Bild: imago images / Sobhan Farajvan/ /Pacific Press Agency
Analyse
Rebecca Sawicki, Alessandro Mustazzu, Emile Schnieders, Katja Schwarz
Mit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel ist das Pulverfass Nahost explodiert. Erneut. Diesmal allerdings fordert der Krieg so viele Leben, wie seit Langem nicht. Die Welt schaut schockiert auf Israel und Gaza.
Währenddessen positionieren sich viele Staaten der Weltgemeinschaft schnell sehr klar: Es gibt jene, die Israel uneingeschränkt unterstützen wollen – und Gönner-Staaten der Hamas. Doch wer steht sich im Nahen Osten eigentlich gegenüber? Und hat der Konflikt das Potenzial, einen Flächenbrand in der Region auszulösen?
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USA, Iran, Hamas: Welche Blöcke sich im Nahen Osten gegenüberstehen
Die Zeit der Blöcke, so dachten viele mit dem Ende des Kalten Krieges, ist vorbei. Wie falsch diese Annahme war, dürfte allerspätestens mit dem russischen Überfall auf die Ukraine klar geworden sein. Plötzlich war er wieder da: der alte Konflikt zwischen Westen und Osten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus besucht.Bild: AP / Evan Vucci
Auch im Nahen Osten stehen sich die Blöcke der Welt gegenüber: der Westen gegen eine Vielzahl arabischer Staaten. Das zeigt ein Blick auf die Unterstützer-Nationen von Israel und der Hamas. Hinter Israel stehen mit voller Schlagkraft die USA. Präsident Joe Biden hat bereits kurz nach dem Überfall der Hamas Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegen lassen. Eine Message vor allem an den Iran: Haltet euch raus, wollte der Präsident damit wohl klarstellen. Auch Großbritannien hat bereits Kriegsschiffe ins Krisengebiet verlegen lassen.
Biden war zudem schon bei Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Besuch – und das, obwohl die USA der rechten Regierung Netanjahus nicht gewogen sind. "Im Moment unterstützen die Amerikaner Israel und das jüdische Volk, das angegriffen wurde, nicht aber die Regierung von Netanjahu", ordnet Politikexperte Benjamin Radd von der University of California beim "ZDF" die Lage ein.
Und auch Deutschland und die EU stehen klar hinter Israel. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) haben dem verwundeten Land bereits Solidaritätsbesuche abgestattet. Mit Ägypten hat Israel zudem 1979 einen Friedensvertrag ausgehandelt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Israels Staatschef Benjamin Netanjahu.Bild: dpa / Michael Kappeler
Neben den deutlichen Unterstützern gibt es auch eine Reihe von Staaten, die traditionell eher an der Seite der Palästinenser:innen stehen: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und das Königreich Jordanien etwa. Allerdings wollen alle drei Länder wohl keinen weiteren Stress in der Region und dürften sich vorerst aus dem Krieg heraushalten. Mit Saudi-Arabien war Israel auf einem guten Weg, ebenfalls ein Friedensabkommen zu schließen – der Plan ist nun aber wohl vorerst auf Eis gelegt.
Unterstützung erhält die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen unterdessen von Katar, dem Iran, Irak und Syrien.
Geld, Waffen, Ausbildung: Wie die Unterstützung der Hamas aussieht
Finanzielle Unterstützung bekommt die Hamas vom Emirat Katar. Wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, unterstützt Doha Gaza mit monatlich 30 Millionen Euro. Laut dem Terrorismusforscher Peter Neumann vom Kings College in London geschieht das nicht gegen den Willen Israels. Demnach billige Israel die Finanzspritze, damit die Strukturen in Gaza nicht gänzlich zusammenbrechen.
Aktuell sieht die Versorgungslage in Gaza allerdings wenig rosig aus: Bislang hat Israel erst wenige Hilfstransporter die Grenze nach Gaza passieren lassen. Das Internationale Rote Kreuz warnt vor einer humanitären Katastrophe.
Katar fungiert aber nicht nur als Geldgeber. Gleichzeitig stellt sich der Golfstaat auch als Vermittler dar, denn er arbeitet eng mit Ländern zusammen, die hinter Israel stehen. Auch Deutschland hat 2022 einen Flüssiggas-Deal mit dem Wüstenstaat ausgehandelt, ab 2026 sollen die Lieferungen starten.
Der Iran unterstützt die Hamas unterdessen nicht nur mit Geld, sondern auch mit Waffen und Schulungen. So führen wohl die Iranischen Revolutionsgarden – deren brutales Vorgehen gegen die Freiheitsbewegung im Land immer wieder in die Schlagzeilen gelangt – Schulungen mit Hamas-Terroristen durch.
Der Iran sieht sich als Schutzmacht der Muslime – und er erkennt Israel als Staat nicht an. Seit sich manche arabische Staaten mit Israel anfreunden, wie es etwa auch Saudi-Arabien geplant hatte, rücken der Iran und die Hamas immer enger zusammen. "Iran blieb übrig", sagt Neumann in der "Süddeutschen Zeitung" dazu. Das Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) kommt zu dem Schluss, dass der Iran seit 2014 die lokale Rüstungsproduktion in Gaza aufbaut.
Im Libanon ist zudem der militärische Arm des iranischen Regimes geparkt: die Terrororganisation Hisbollah. Auch hier wurden Hamas-Terroristen ausgebildet. Es besteht außerdem die Sorge, dass die Hisbollah eine zweite Front von Norden her eröffnen könnte. Für Israel und die Sicherheit seiner Existenz wäre das katastrophal. Bislang kommt es hier bereits täglich zu einzelnen Auseinandersetzungen. Und auch von syrischer Seite fliegen immer wieder Bomben.
In Russland geben währenddessen nun sogar die Star-Propagandisten des Präsidenten Wladimir Putin zu, dass der Staat – der gerade selbst einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt – von der aktuellen Lage im Nahen Osten profitiert. Putin pflegt schon seit Längerem enge Kontakte zu einzelnen Staaten im Nahen Osten, unter anderem dem Iran und Syrien. Verschiedene Seiten werfen Russland außerdem vor, die Finger bei diesem Konflikt ebenfalls im Spiel zu haben, so etwa die Ukraine oder auch CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter.
Auch die Türkei und ihr Präsident Recep Tayyip Erdoğan gelten als Unterstützer der Hamas. Allerdings versucht sich Erdoğan aktuell an einem Balanceakt: Er will auch die Beziehungen zu Israel nicht weiter belasten. Stattdessen ruft er laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland dazu auf, "mit Zurückhaltung zu handeln und von impulsiven Schritten, die die Spannungen verschärfen, abzusehen".
Der Iran klingt weniger versöhnlich. Das Regime hat bereits angedroht, die ihm gewogenen Milizen in den Krieg eingreifen zu lassen, sollte Israel die Bodenoffensive in Gaza nicht stoppen. Von der "Achse des Widerstandes" spricht das Regime in Teheran. Gemeint sind damit neben der Hisbollah Milizen in Syrien und dem Irak, aber auch im Jemen. Es könnte also – so zumindest legt es ein iranisches Propagandavideo nahe – zu einem großflächigen Nahostkrieg kommen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert den Obersten Führer Ali Khamenei aus dem Video:
"Wenn die Verbrechen des zionistischen Regimes weitergehen, werden die Muslime und die Widerstandskräfte ungeduldig werden."
Wenn es dazu komme, könnte sie niemand mehr aufhalten. Kommt es im Pulverfass Naher Osten also tatsächlich zu einem Flächenbrand?
Wie groß die Gefahr des Flächenbrands ist
Westliche Staaten fahren aktuell die diplomatischen Anstrengungen hoch. So war US-Außenminister Anthony Blinken in Saudi-Arabien und Ägypten, um durch Gespräche eine Ausweitung des Konfliktes zu vermeiden. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war in den vergangenen Wochen in der Region unterwegs. Ihr erklärtes Ziel: Den Flächenbrand zu verhindern.
Militärexperte Carlo Masala schließt das jedoch nicht aus – vor allem wegen der Bodenoffensive, die Israel nun langsam startet. In Gaza wird dadurch mit andauernden, blutigen Häuserkämpfen gerechnet. Aktuell funktioniere die Abschreckung durch die US-Flugzeugträger zwar. Es sei aber nicht auszuschließen, dass der Iran bei blutigen Kämpfen doch in den Krieg eintreten werde, meinte der Experte in der TV-Talkshow "Maischberger". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kommt zu dem Schluss, der Iran würde durch ein Eingreifen sein Abschreckungsinstrument schwächen und zudem Angriffe Israels auf dem eigenen Staatsgebiet befürchten.
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss letzte Woche im Bundestag wohl eine große Enttäuschung gewesen sein. Er hatte sich auf eine Debatte mit seinem Erzfeind und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestellt. Dieser fehlte aber spontan aufgrund eines Defekts an einem Regierungsflugzeug und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste für ihn einspringen.