"Es fühlte sich an wie das Ende der Welt", berichtet ein Augenzeuge über den israelischen Angriff auf ein Flüchtlingslager in Gaza.Bild: AP / Abdul Qader Sabbah
International
01.11.2023, 10:4003.11.2023, 14:59
Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert den gewaltvollen Tod von Kindern. Er kann negative Gefühle auslösen und Traumata triggern.
"Es gab sieben bis acht riesige Löcher im Boden, gefüllt mit getöteten Menschen und Leichenteilen", sagt Augenzeuge Mohammad Ibrahim nach dem israelischen Angriff auf das Geflüchtetenlager Dschabalija in Gaza gegenüber dem US-Sender "CNN". "Es fühlte sich an wie das Ende der Welt".
Israel bezeichnete den Angriff als "breit angelegten Schlag gegen Terroristen und Terror-Infrastruktur". Sprich, ein Erfolg im Kampf gegen die Terrorgruppe Hamas. Bei dem Angriff sei eine "große Anzahl an Terroristen" getötet worden, die sich in der Nähe von Hamas-Vertreter Biari befunden hätten.
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Für Augenzeugen fühlte sich der Angriff auf das dicht besiedelte Flüchtlingslager im nördlichen Gazastreifen wie eine Apokalypse an. Im Gespräch mit "CNN" erzählen Überlebende von dramatischen Szenen nach dem Angriff, der einen riesigen Krater mitten in das überfüllte Lager gerissen hatte.
Der israelische Angriff auf das Flüchtlingslager hinterlässt einen großen Krater.Bild: imago images / Anas Jamal
Menschen gruben mit ihren Händen nach Überlebenden
Bei dem Angriff seien "mindestens 20 Gebäude" zerstört und dutzende Menschen verschüttet worden, erklärt das Hamas-Gesundheitsministerium. Auf Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur "AFP" war zu sehen, wie mindestens 47 Leichen aus den Trümmern geborgen wurden.
Palästinenser Mohammad Al Aswad erzählt, dass er nach dem Einschlag zum Flüchtlingslager lief, um nach seiner Familie zu suchen. Laut ihm trugen Kinder andere verwundete Kinder, während grauer Staub in der Luft hing. "Leichen hingen in den Trümmern, viele von ihnen unkenntlich. Einige bluteten, andere waren verbrannt", sagt Al Aswad gegenüber "CNN" per Telefon.
Es herrschte pures Chaos, führt er aus. "Ich sah schreiende und verwirrte Frauen. Sie wussten nicht, ob sie weinen sollten, weil sie ihre Kinder verloren hatten, oder ob sie nach ihnen suchen sollten, zumal viele Kinder in der Nachbarschaft spielten." Kurz darauf seien viele Zivilist:innen und Rettungskräfte vor Ort gewesen, um gemeinsam nach den Opfern zu suchen – teils buddelten die Leute mit ihren eigenen Händen in den Trümmern nach Überlebenden.
Videos zeigen zahlreiche Leichen im nächstgelegenen Krankenhaus auf dem Flur liegen. Viele der Verletzten wurden neben ihnen auf dem Boden behandelt, weil das Krankenhaus überfüllt ist. Ein Arzt des Krankenhauses, Mohammad al Rann, sagt zu "CNN": "Was man hier sieht, ist eine Szene, die sich niemand vorstellen kann: verkohlte Leichen zu Hunderten." Die meisten Verletzungen stammen von Sprengstoff, Kopfverletzungen und Amputationen.
Ein Mädchen wird in einem Krankenhaus in Gaza behandelt.Bild: AP / Hatem Ali
Ärzte klagen über überfüllte Krankenhäuser
Auch Mohammed Hawajreh, Krankenpfleger bei Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Al Shifa-Krankenhaus in Gaza, berichtet von dramatischen Szenen: "Kleine Kinder kamen mit tiefen Wunden und schweren Verbrennungen in das Krankenhaus. Sie kamen ohne ihre Familien. Viele schrien und fragten nach ihren Eltern. Ich blieb bei ihnen, bis wir einen Platz gefunden hatten, da das Krankenhaus mit Patienten überfüllt war."
Das von der radikalislamischen Hamas geführte Gesundheitsministerium geht von mindestens 50 toten Menschen aus. 150 weitere Palästinenser:innen seien bei der Bombardierung des Flüchtlingslagers verletzt worden. Die israelische Armee bestätigte einen Angriff auf Dschabalija. Dabei seien der führende Hamas-Vertreter Ibrahim Biari und zahlreiche weitere Kämpfer getötet worden.
Das "Dschabalija-Bataillon" der Hamas habe zivile Gebäude in der Stadt Gaza besetzt, erklärt die israelische Armee weiter. Durch den Angriff seien die Kommandostruktur der Hamas und ihre Fähigkeit zu Angriffen auf israelische Soldat:innen beschädigt und "unterirdische Terror-Infrastruktur" unter den Gebäuden zerstört worden.
Die Hamas hatte Israel am 7. Oktober überfallen und mehr als 1400 Menschen, zumeist Zivilist:innen, getötet. Der nun nach israelischen Angaben getötete Biari gilt als Schlüsselfigur der Hamas und wird mit dem Großangriff in Verbindung gebracht. Seit dem Hamas-Überfall nimmt Israel den Gazastreifen unter Dauerbeschuss.
Dabei wurden nach neuen Angaben der Hamas-Regierung mehr als 8500 Menschen getötet. Israel setzt außerdem trotz internationaler Forderungen nach einer humanitären Feuerpause seine Offensive mit Bodentruppen in dem Palästinensergebiet fort.
(Mit Material der AFP)
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