Der russische Machthaber hat verurteilte Mörder nach ihrem Einsatz in der Ukraine auf freien Fuß gesetzt.Bild: imago images / ZUMA Wire/ Gavriil Grigorov/ Kremlin Pool
Russland
"Sie kommen aus dem Gefängnis frei", ein Versprechen, dessen Verheißung die Mehrheit der Gesellschaft durch Monopoly bekannt ist. Im echten Leben werden auch immer wieder Menschen vorzeitig aus dem Knast entlassen – bei guter Führung etwa, oder weil das Staatsoberhaupt sie begnadigt. Um Mörder:innen handelt es sich dabei allerdings selten. Anders in Russland.
Im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine hatte der damalige Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, eine Anwerbe-Offensive in russischen Gefängnissen gestartet. Das Versprechen: Geh an die Front, kämpfe für Russland und du wirst begnadigt. Nun kehren die ersten Mörder heim – und die Russ:innen sind empört.
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Mörder und Vergewaltiger auf freiem Fuß
Hintergrund der Anwerbe-Offensive war der krasse Soldatenmangel in Russland. Dem Machthaber Wladimir Putin und seiner Militärführung ist es zunehmend schwergefallen, Nachschub für die Front zu rekrutieren – deshalb das verlockende Angebot an Russlands Straftäter. Bereits im Herbst 2022 ist ein Video von Prigoschin aufgetaucht, in dem er in einem Gefängnis vor einer Gruppe von Häftlingen für den Einsatz in der Ukraine geworben hat. Damals sagte er:
"In sechs Monaten geht ihr heim mit einer Begnadigung. (…) Wer an der Front ankommt und am ersten Tag entscheidet, dass das nichts für ihn ist, wird als Deserteur betrachtet und erschossen."
Mittlerweile sind die ersten Häftlinge zurück von der Front – und in Freiheit. Das ZDF berichtet von den Reaktionen der Bürger:innen, die nun Seit-an-Seit mit den früheren Häftlingen leben. Informiert worden seien sie nicht. Stattdessen hätten etwa Bewohner:innen der Stadt Berdsk in Sibirien den Mörder einer Frau aus dem Jahr 2019 anhand einer Taxi-App identifiziert. Auch ein Ritualmörder, der vier Teenagerinnen getötet hatte und russlandweit bekannt ist, sei laut Angaben seiner Familie nach dem Fronteinsatz freigekommen.
Die "Financial Times" beschreibt zudem den Fall von Anna B. aus der Region Kaluga. Ihre Tochter wurde im Jahr 2014 vergewaltigt und ermordet. Der Täter, so habe sie von der Gefängnisverwaltung erfahren, sei nun begnadigt worden. Die Zeitung zitiert Anna B.: "Ich gehe zum Grab meiner Tochter, während er zum Grillen mit Freunden fährt."
Viele Angehörige von Opfern seien gar nicht erst informiert worden. Laut ZDF hätten sie von den jeweiligen Begnadigungen erst erfahren, weil die Unterstützungszahlungen, zu denen manche Häftlinge verpflichtet sind, wegfielen. Was vielen Russ:innen außerdem sauer aufstößt: Teilweise würden die Häftlinge bereits nach einem halben Jahr Fronteinsatz begnadigt und dürften heimkommen – für Wehrpflichtige hingegen gilt eine Dienstzeit von einem Jahr.
Wie viele Gefangene insgesamt den Ausweg an die Front gewählt haben, ist schwer nachvollziehbar. Das ZDF berichtet, die russische Gefängnispopulation habe bei Kriegsbeginn bei 420.000 Menschen gelegen. Im Oktober 2023 sollen es laut Vize-Justizminister Wsewolod Wukolow noch 266.000 Inhaftierte gewesen sein. Wie viele davon an die Front gegangen sind, lässt sich kaum schätzen – noch weniger, wie viele der an die Front geschickten Häftlinge mittlerweile begnadigt wurden.
Ex-Wagner-Chef Prigoschin brüstete sich mit 50.000 Häftlingen, die er rekrutiert hätte. Auch nach seinem Tod im Sommer 2023 soll diese Rekrutierung weitergegangen sein.
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