Der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus Swift gilt als eine Art "wirtschaftliche Atombombe". Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine soll sie nun gezündet werden.Bild: dpa / James Arthur Gekiere
International
Deutschland, die USA und andere westliche
Verbündete haben einen Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem
Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift beschlossen. Das teilte
Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Samstagabend in Berlin mit.
Getroffen wurde die Entscheidung demnach von den Vereinigten Staaten,
Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, der EU-Kommission und
Deutschland. Zudem soll es zusätzliche Sanktionen gegen die russische
Zentralbank und auch gegen Oligarchen aus dem Umfeld von Russlands
Präsident Wladimir Putin geben.
Betroffen von dem Swift-Ausschluss werden den Angaben zufolge alle
russischen Banken sein, die bereits von der internationalen
Gemeinschaft sanktioniert sind. Hinzu kommen sollen - soweit
erforderlich - weitere russische Banken. Damit sollten diese
Institute von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden,
was ihr globales Agieren massiv einschränken werde, teilte die
Bundesregierung mit. "Höchstwahrscheinlich werden die meisten Banken
der Welt ihre Transaktionen mit den russischen Banken, die aus Swift
ausgeschlossen werden, ganz einstellen", sagte ein hoher Beamter des
Weißen Hauses in Washington.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zur Begründung:
"Die russischen Streitkräfte setzen mit unverminderter Härte ihre
Angriffe auf Kiew und andere ukrainische Städte fort." Vor diesem
Hintergrund sei man entschlossener denn je, "Russland einen hohen
Preis für diese Aggression aufzuerlegen und das Land weiter vom
internationalen Finanzsystem und wirtschaftlich zu isolieren". Der
Regierungsbeamte in Washington sagte, Russland sei dank der
Sanktionen zu einem "globalwirtschaftlichen und finanziellen
Geächteten geworden".
Folgen für Russland und seine Handelspartner
Der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus Swift gilt als die
bislang weitreichendste Reaktion auf Russlands Krieg gegen die
Ukraine und könnte dazu führen, dass der Handel zwischen dem Land und
dem Westen weitreichend eingeschränkt wird.
Dies liegt daran, dass Swift die Infrastruktur zur Verfügung stellt,
mit der Finanzinstitute bei Geldtransfers über Landesgrenzen hinweg
sicher miteinander kommunizieren können. Ein Ausschluss daraus
bedeutet, dass die Betroffenen praktisch vom globalen Finanzsystem
abgeschnitten würden. Mehr als 11 000 Teilnehmer in über 200 Ländern
nutzen nach Angaben von Swift den Dienst, vor allem Banken, aber auch
Wertpapierfirmen und große Konzerne.
Russische Zentralbank im Visier
Darüber hinaus legten die Länder nach Angaben der Bundesregierung
fest, die Möglichkeiten der russischen Zentralbank weiter
einzuschränken, mit internationalen Finanzgeschäften den Kurs des
Rubels zu stützen. Dies soll unter anderem verhindern, dass Russland
seine staatlichen Rücklagen für die Finanzierung seines Krieges
nutzen kann. "Dafür werden wir das Vermögen der russischen
Zentralbank blockieren", erklärte von der Leyen. "Ihre Transaktionen
werden eingefroren. Und wir nehmen der Zentralbank die Möglichkeit,
ihr Guthaben international einzusetzen."
Dieser Schritt dürfte die internationale Isolierung der russischen
Wirtschaft weiter verstärken und auch die Stabilität der
Landeswährung, des Rubels, untergraben. Die Zentralbank hatte Ende
Januar nach eigenen Angaben massive Reserven in Höhe von rund 630
Milliarden US-Dollar aufgebaut, darunter Fremdwährungen wie Dollar,
Euro und Yuan im Wert von 470 Milliarden US-Dollar und 132 Milliarden
US-Dollar in Gold.
Sanktionen richten sich zusätzlich gegen Individuen
Als vor allem symbolisch wichtig gelten die vereinbarten Sanktionen
gegen Einzelpersonen und Einrichtungen in Russland und andernorts,
die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Sie sollen insbesondere
wohlhabenden Russen die Möglichkeit nehmen, sich und ihren
Familienangehörigen einen so genannten goldenen Pass und damit eine
europäische Staatsbürgerschaft zu verschaffen.
Von der Leyen nannte konkret auch Oligarchen. "Wir arbeiten intensiv
daran, dass sie über ihr Geldvermögen nicht mehr unbeschränkt
verfügen können", erklärte sie. In Washington hieß es, dass man es
auf "ihre Jachten, ihre Luxuswohnungen, ihr Geld und ihre
Möglichkeit, ihre Kinder auf schicke Hochschulen im Westen zu
schicken" abgesehen habe.
Weitere Maßnahmen nicht ausgeschlossen
Formell müssen die Sanktionen unter anderem noch vom EU-Ministerrat
beschlossen werden. Um eine zügige Umsetzung zu gewährleisten, soll
eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der USA und der Europäischen Union
eingesetzt werden. Die Teilnehmerstaaten der Beratungen betonten
zudem ihre Bereitschaft, weitere Maßnahmen zu ergreifen, sollte
Russland seinen Angriff gegen die Ukraine und damit gegen die
europäische Friedensordnung nicht beenden.
Überraschender Kurswechsel Deutschlands
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war wegen seiner Zurückhaltung beim
Thema Swift-Sanktionen zuletzt international stark unter Druck
geraten. Deutschland galt wegen der voraussichtlich hohen Kosten des
Schrittes zuletzt als einflussreicher Bremser bei den Planungen für
einen Ausschluss russischer Institute. Die Strafmaßnahme dürfte
nämlich dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr in der Lage sind,
Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.
Kurz vor der Videokonferenz hatten mehrere deutsche Minister
bestätigt, dass die Bundesregierung einem Ausschluss russischer
Finanzinstitute aus Swift nicht mehr im Wege stehen will. "Wir
arbeiten daran, Russland so vom Swift-System abzukoppeln, dass
Kollateralschäden möglichst klein bleiben", erklärte
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Samstag auf Twitter.
Die vereinbarten Strafmaßnahmen werden schwere Sanktionen ergänzen,
die bereits an diesem Samstag und den Tagen zuvor in Kraft getreten
sind. Sie zielten zum Beispiel darauf ab, die
Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten
privaten Banken und Unternehmen einzuschränken. Zudem erließ die EU
unter anderem Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter,
die insbesondere Unternehmen aus dem Verkehrs- und Energiesektor
treffen sollen.
(abd / dpa)
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