Karneval, Zeit des närrischen Frohsinns: In den Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz ist am Donnerstag der Straßenkarneval ausgebrochen.
Zuvor gab es auf dem Sitzungskarneval in den Städten bereits reichlich Karnevalssitzungen – in dem etwa der Kabarettist Bernd Stelter in Köln mit einer Äußerung über den Nachnamen der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für Empörung sorgte.
Üblich auf den Karnevalsveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, aber auch Baden-Württemberg und Bayern sind die fremdländischen Kostüme vieler Karnevalisten. So erfreut sich zum Beispiel das Indianer-Kostüm auf den Straßen immer wieder großer Beliebtheit.
Diese Verkleidungen werden jedoch in nahezu jeder Karnevalsession von einigen als rassistisch kritisiert – auf Twitter sorgte am Donnerstag nun ein Posting des Podcasts "Rice and Shine" für eine kleine Welle der Empörung. Die Autorinnen Minh Thu Tran und Vanessa Vu zeigten ein Video des Bayerischen Rundfunks (BR), in dem eine Reporterin den "Dietfurter Chinesenfasching" zu erklären versucht.
Das Video, das tatsächlich aus dem vergangenen Jahr stammt, mutet bizarr an: Darin verkleidet sich die Reporterin als Geisha (japanische Unterhaltungskünstlerin), die zu Beginn des Clips einen vermeintlich "chinesischen Akzent" nachäfft – und erklärt:
"Heute wird's chinesisch, ich zeig' euch heute ein super-schönes bayerisches Faschingskostüm für Chinesen-Fasching."
Die Reporterin gibt in der Folge auch Schminktipps für mögliche Kostüme, um am Dietfurter Chinesenfasching teilzunehmen. Der BR veröffentlichte das Video am 28. Februar erneut auf der Facebookseite "Dahoam is Dahoam".
"Chinesen-Fasching"? Damit meinte die Reporterin den Dietfurter Chinesenfasching, bei dem sich im oberpfälzischen Dietfurth Jahr für Jahr die Jecken in asiatisch-stereotype Kostümierung werfen, um eben den Dietfurter Chinesenfasching zu feiern.
Hier einige Eindrücke
Szenen aus 2014 beim Dietfurter Chinesenfasching.Bild: imago stock&people
Szene aus dem Karnevalsumzug der Stadt Dietfurt aus dem Jahr 2006.imago
Eine Karnevalsmaske beim Zug in Dietfurt aus dem Jahr 2006.imago
Auf Twitter kritisieren die beiden Pocasterinnen Minh Thu und Vanessa das Video: "Und anstatt kritischer Berichterstattung liefert der BR eines der peinlichsten Videos anlässlich des 'Dietfurter Chinesenfaschings': Ein Tutorial zum Yellowfacing. Die Moderatorin benutzt dabei einen 'chinesischen Akzent'. Zum Kostüm gehören Kimono und Essstäbchen."
Wir haben sie gebeten, uns ein paar Fragen per Mail zu beantworten.
watson: Am Donnerstag habt ihr einen Kurz-Clip aus einem Video-Format des bayerischen Rundfunks (BR) veröffentlicht, in dem eine Reporterin eine Art Tutorial zum Yellowfacing abliefert. Warum habt ihr den Ausschnitt ein Jahr später aufgegriffen, was beschäftigt euch an dem Beitrag? Min Thu und Vanessa: Seit wir uns erinnern können, beschimpfen uns die Leute als Schlitzaugen, rufen uns "Ching Chang Chong" hinterher oder äffen einen komischen Akzent nach. Sie nerven uns mit Vorurteilen zu unserem Essen oder fantasieren über die devote Geisha oder die sexy Drachenlady.
Dieser sogenannte Chinesenfasching spitzt diese ganzen negativen Erfahrungen zu, er stellt sie gebündelt zur Schau. Wir finden das nicht lustig, sondern total verletzend. So lange es rassistische Gewalt und Diskriminierung gegenüber Asiatinnen und Asiaten gibt, finden wir es mindestens geschmacklos, Klischees über Asiaten zu verbreiten und sie damit letztlich alle in einen Topf zu werfen und zu demütigen.
Das Thema wollten wir dieses Jahr aufgreifen und haben in der Recherche den unsäglichen BR-Clip gefunden und geteilt.
Die Kostümierung in Personen oder Stereotypen aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen ist in den meisten deutschen Karnevaalregionen gang und gäbe – und wird von den dortigen Karnevalisten auch eher selten kritisch aufgenommen. Sollten sich Karnevalisten eurer Meinung nach derart stereotypisch verkleiden dürfen? Was spricht dagegen? Was spricht dafür? Nehmt ihr den Leuten nicht den Spaß an der Veranstaltung? Die Frage ist doch, wer Spaß haben soll: nur weiße Deutsche – oder auch wir, die zu diesem Land gehören und mit diesen peinlichen Kostümen an unser Image erinnert werden? Es ist ja nicht so, als wäre das alles nur ein Witz, und als wäre das alles nur eine Ausnahme. Die Leute sagen ja das ganze Jahr lang „Ching Chang Chong“ und denken, dass Chinesinnen Geisha-Gewänder tragen.
Sie halten auch ohne Karneval Asiaten für albern und Asiatinnen für Sexobjekte. Wir sehen keinen Grund, warum das an Fasching weniger verwerflich sein soll – zumal man an Fasching ja auch kreativ sein soll und es unendlich viele andere Kostüm-Alternativen gibt, die nicht gleich ganze Bevölkerungsgruppen beleidigen.
Wie in dem Video des BR erklärt wird, hat der "Dietfurter Chinesenfasching" eine lange Tradition, die in ihrer Geschichte regelmäßig asiatische Stereotype aufgegriffen hat. Würdet ihr euch für eine Abschaffung der Veranstaltung aussprechen? Traditionen sind ja keine Naturgewalt. Schon immer sind neue hinzugekommen, andere wurden abgeschafft oder im Laufe der Zeit angepasst. Unserer Meinung nach kann der Chinesenfasching, so wie er jetzt stattfindet, auch einfach weg. Wir akzeptieren aber auch, dass er vielen Menschen wichtig ist und dass auch einige Menschen in China ihn witzig finden. Warum also nicht zusammensetzen und was Neues erfinden, an dem alle Spaß haben?
Menschen aus China, Menschen mit asiatischer Familiengeschichte, und natürlich auch Dietfurterinnen und Dietfurter. So wie es jetzt aussieht, scheint uns das eine einseitige Sache: Die einen machen sich auf Kosten der anderen lustig. Das geht bestimmt besser.
Was ratet ihr jungen Karnevalisten mit Migrationshintergrund, die im Karneval auf rassistisch anmutende Kostümierungen treffen? Ansprechen, ignorieren – was sollte man da tun? Wir gehen damit selbst ganz unterschiedlich um. Vanessa geht Fasching komplett aus dem Weg, das geht in Berlin auch ganz gut.
Minh Thu liebt den Karneval in Köln und sieht auch seine schönen Seiten. Denn egal, woher man kommt – an Karneval gehört man dazu. Vielleicht kann man einfach das tun, was wir tun: Wir schlucken das nicht einfach und nehmen den Frust allein mit nach Hause, sondern wir reden offen darüber und suchen den Austausch: mit anderen Verletzten, um sich weniger allein zu fühlen, und mit der Öffentlichkeit, um vielleicht ein Umdenken anzuregen.