Der Schutz von Kindern wiegt schwerer als der Schutz des Familienlebens – das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden und der Glaubensgemeinschaft "12 Stämme" ihre Kinder nicht zurück gegeben.
Die Mitglieder der christlichen Sekte hatten 2013 das Sorgerecht über 40 ihrer Kinder verloren, da sie Prügelstrafen als Erziehungsmaßnahme einsetzen. Vier Elternpaare hatten daraufhin versucht, ihr Recht auf Schutz des Familienlebens in Straßburg einzuklagen – ohne Erfolg.
Wer sind die "12 Stämme"? Und um welchen Rechtsstreit geht es überhaupt? Wir geben einen kurzen Überblick.
"Twelve Tribes" wurde in den 70er-Jahren in den USA gegründet und hatte unter dem Namen "12 Stämme" mehrere Gemeinden in Deutschland, die inzwischen nach Tschechien umgesiedelt sind.
Die weltweit etwa 2000 Mitglieder glauben an die Lehren Abrahams aus der Bibel. Das heißt: Sie leben in Kommunen ohne privates Eigentum und arbeiten vor allem in der Landwirtschaft. Frauen sind Männern untergeordnet. Evolutionstheorien und Sexualkunde werden abgelehnt, weswegen ihre Kinder zuhause unterrichtet werden.
Körperliche Gewalt ist bei den "12 Stämmen" ausdrücklicher (!) Bestandteil der Erziehung. Sie beziehen sich dabei auf den Bibelauszug „Wer seine Rute spart, der hasst seinen Sohn, wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten."(Sprüche 13, 24)
In diesem Erklärvideo der Sekte werden sogar Praxis-Tipps gegeben. Auszug: „Weise Väter schneiden ein dünnes Schilfrohr, ein biegsames Reis, ein kleines Werkzeug, um ihren Schützlingen zu helfen, auf dem rechten Weg zu bleiben...“
In den vergangenen 5 Jahren kam heraus, wie verbreitet diese Züchtigungen tatsächlich waren. So hatte eine Lehrerin der Gemeinschaft beispielsweise Prügelstrafen verhängt, wenn Kinder stotterten, aus dem Fenster schauten oder das Bett nässten. Sie wurde 2016 zu zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Da Gewalt in der Erziehung seit 2000 in Deutschland illegal ist, kam es im September 2013 zu einer Großrazzia in den Zwölf-Stämmen-Gemeinden in Klosterzimmer und Wörnitz. 40 Kinder und Jugendliche wurden von der Polizei aus der Sekte geholt und in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht.
Seitdem versuchen die Eltern, ihre Kinder wieder zurück zu bekommen, gingen dafür bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der verteidigte jedoch die Entscheidung der deutschen Justiz.
Durch das Eingreifen der Polizei sei eine "unmenschliche und erniedrigende Behandlung" verhindert worden. Die Kinder sollen nicht in die Gemeinde zurück, da das Risiko einer "systematischen und regelmäßigen körperlichen Züchtigung" gegeben sei.