Die fleißige Biene ist ein Mythos. Denn Bienen sind eigentlich ziemlich faul. Ganz besonders der Bienenmann. Sammelausflüge überlässt er den Weibchen und auch den Honig macht die Bienenfrau. Sie ist es auch, die den Schutz der Königin übernimmt. Was soll er auch machen, der arme faule Bienenmann, so ganz ohne Stachel.
Julia Klöckner (CDU) ist das egal. Sie beurteilt die einzelne Biene nicht nach Leistung. Unterscheidet nicht zwischen Müßiggänger-Bienenmann und Workaholic-Bienenfrau. Selbst die faule Biene ist schützenswert. Das war ihre Botschaft in ihrer ersten Regierungserklärung als Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung.
Julia Klöckner geht es um das System Biene.
Und sie hat es tatsächlich gesagt. Sie hat – Achtung! – von "Systemrelevanz" gesprochen. Ein wirklich bemerkenswerter Begriff in diesem Kontext.
Wir erinnern uns: "Systemrelevant" war ein Schlüsselbegriff in der Finanzkrise, die 2008 mit der Pleite der New Yorker Investmentbank "Lehman Brothers" weltweit Finanzhäuser ins Wanken brachte. Die Politik musste reagieren. Und die betroffenen Staaten begannen schließlich Milliardenhilfen zur Rettung des Bankensystems einzusetzen.
Um dem Steuerzahler zu verdeutlichen, warum er jetzt für das Missmanagement der Banken haften musste, wurde das Wort „systemrelevant“ in die Debatte eingeführt. Bedeutete: War ein Marktteilnehmer so groß, so gut vernetzt, dass er im Falle eines Scheiterns ein ganzes System zum Einsturz bringen würde, musste er gerettet werden. Das Resultat ist bekannt: Plötzlich wollten sehr viele Banken "systemrelevant" sein. Vereinfacht gesprochen wurde so aus der Finanzkrise eine Staatsschuldenkrise. Sie hält bis heute an.
Und spätestens seit Julia Klöckners furioser Bienenperformance wissen wir: Auch die Biene ist politisch auf systemrelevantem Bankenniveau angekommen.
Sind Bienen jetzt die neuen Banken? Wenn ja, was folgt daraus?
Und: Wird Julia Klöckner ähnliche Anstrengungen auf den Weg bringen, um die Bienen zu retten?
Wohl kaum.
Julia Klöckner blieb im Grunde gar nichts anderes übrig, als auf den Bienenzug aufzuspringen. Denn es gibt neue Erkenntnisse. Erst im Februar hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine überarbeitete Bewertung und die Gefahr bestimmter Pestizide (Neonikotinoide) für Bienen bestätigt. Die EU-Kommission will nun ein Freiluftverbot der umstrittenen Insektizide. Klöckner musste reagieren. Besonders nachdem ihr Vorgänger Christian Schmidt (CSU) quasi im Alleingang die EU-Zulassung der umstrittenen Chemikalie Glyphosat um weitere fünf Jahre verlängert hat.
Ganz nebenbei ist Klöckners Appell eine politische Kampfansage an die grüne Konkurrenz: Denn Klöckner ließ in ihrer Antrittsrede neben der Bienenthematik durchblitzen, dass sie vor allem grüne Themen besetzen will. Sie sei stolz auf alle grünen Berufe und erklärte ihr Ministerium kurzerhand zum "Lebensministerium". Die Union bringt damit die Landfrauen gegen die urbane Öko-Bourgeoisie in Stellung.
Sofern also die Biene tatsächlich die neue Bank ist, wird sich Julia Klöckner an solch markigen Worten messen lassen müssen:
Denn, auch der faule Bienenmann ist schützenswert.
Bleibt zu klären, was der denn jetzt eigentlich den ganzen Tag macht? Die einfache Antwort: Er pflanzt sich fort. Einmal im Leben darf er die Königin begatten. Und um sicher zu gehen, dass das Bienensperma auch tatsächlich in der Königin verbleibt, wird der Bienenmann bei der "Übergabe" regelrecht in die Luft gesprengt. Ein wirklich fieser Tod. Und ganz sicher vor allem eines: systemrelevant.