Für die meisten Jugendlichen stellen elektronische Medien und Social Media einen festen Bestandteil ihres Alltags dar.Bild: E+ / Milko
Analyse
Es ist ein prekäres Bild, das in dieser Woche von der Initiative Deutschland sicher im Netz gezeichnet wurde. Die Sicherheitslage von Internetnutzer:innen in Deutschland fällt auf einen Tiefstwert: Mit einem Sicherheitsindex von 57,2 Punkten auf einer Skala von null bis Hundert ist das Land nur noch 7,2 Punkte von dem definierten Kipppunkt von 50 Punkten entfernt.
Sollte Deutschland unterhalb dieser Marke fallen, ist die Sicherheitslage der Verbraucher:innen im Internet ernsthaft in Gefahr.
Der Geschäftsführer von "Deutschland sicher im Netz", Michael Littger, stellte am Mittwoch die Studienergebnisse gemeinsam mit der Staatssekretärin im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Christiane Rohleder (Grüne), und den Studienpartnern Paul Heimann, CEO von Kleinanzeigen, und Tobias Weber, Direktor des Marktforschungsunternehmens Kantar, vor.
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2000 Menschen über 16 Jahre wurden für die Studie befragt. Dabei stach ein Ergebnis der Befragung deutlich hervor. Besonders die Schulen sind nun gefragt.
Gleichzeitig verabschiedete der Bund seine erste nationale Sicherheitsstrategie: Nach langem Ringen hat sich die Regierung darauf geeinigt, wie sie sich vor inneren und äußeren Gefahren schützen will – auch im digitalen Raum.
Desinformation und zunehmende Cyberattacken sind große Probleme
"Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, keine Stabilität und auch keinen Wohlstand", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch. Zentral für die sicherheitspolitische Identität Deutschlands bleibe dabei "die Verankerung in der Europäischen Union und im transatlantischen Bündnis".
Neben militärischen Bedrohungen sollen künftig alle Gefahren gemeinsam betrachtet werden, darunter auch Cyberattacken. Die Regierung nennt dies in ihrem Strategiepapier "Politik der integrierten Sicherheit". Konkret sollen unter anderem das Zwei-Prozent-Ziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben eingehalten werden, aber auch der Kampf gegen Desinformation vorangetrieben werden.
Mit Desinformation im Internet und Cyberattacken hat sich auch die Studie von Deutschland sicher im Netz beschäftigt. Der Fokus in diesem Jahr war Social Media. Die Hälfte aller Befragten beklagte in der Studie Desinformation in den sozialen Medien.
Die Beteiligten um Staatssekretärin Christiane Rohleder (Grüne) stellten am Mittwoch ihre Studie vor.Bild: Stefanie Loos
Die Gründe für das gewachsene Sicherheitsgefälle liegen unter anderem am Krieg gegen die Ukraine und der technologischen Weiterentwicklungen, wie Christiane Rohleder erklärte. Zudem gebe es laut Paul Heimann einen klaren Anstieg an Cyberkriminalität in Deutschland. Unter anderem hätten etwa Phishing-Angriffe um 5,9 Prozent zugenommen.
Überraschendes Studienergebnis: Nutzer werden souveräner
Während die Sicherheitslage prekärer wird, nimmt jedoch die digitale Verunsicherung gleichzeitig ab. Um 20 Prozent hätten die Gefahren im Internet laut Deutschland sicher im Netz im vergangenen Jahr zugenommen.
Dass die digitale Verunsicherung niedriger wird – und somit das Vertrauen in Social Media größer, sehen die Studienautor:innen als positiv an. "Wir brauchen souverän handelnde Menschen im Netz", sagte Tobias Weber auf Nachfrage von watson. Die Menschen bräuchten ein Grundvertrauen in die Sicherheit im Netz, nur dann könnten sie sicher mit Gefahren umgehen.
Tobias Weber ist Director von Kantar und Studienpartner.Bild: Stefanie Loos
Zudem würden sich die meisten Menschen sich selbst in der Verantwortung sehen, sich mit den Gefahren im Internet zu beschäftigen, wie aus der Studie hervorgeht. Erst dann würden die Anbieter in die Pflicht genommen und die Politik folgt, führte Weber aus.
Zeitgleich gaben jedoch 56 Prozent der Befragten an, noch Hilfe im Internet zu benötigen. Die Frage nach digitalen Aufklärungsangeboten steigt und die Schutzkompetenzen der Onliner halten den Risiken im Internet nicht stand. Als größte Herausforderung wird laut der Studie die Desinformation im Internet angesehen. Mit der Initiative "Sicher handeln" will Kleinanzeigen über Risiken im Onlinehandel aufklären, sagte Paul Heimann.
Cyberresilienz: Schulen müssen in die Pflicht genommen werden
Dass die Verunsicherung im Internet abnehme und das Vertrauen in Social Media wachse, sei für sie nicht überraschend, erklärte Rohleder auf die Frage von watson. Denn Social Media sei mittlerweile stark im Alltag – vor allem der jungen Generation – verwurzelt.
Gestützt wird diese Annahme von einer Studie des Reuters Institutes an der Universität Oxford. Demnach seien Influencer:innen zunehmend die Hauptnachrichtenquelle junger Menschen.
55 Prozent der Tiktok- und Snapchat-Nutzer:innen sowie 52 Prozent der Instagram-User:innen beziehen ihre Nachrichten von berühmten Persönlichkeiten, heißt es darin. Zum Vergleich: Nur 33 bis 42 Prozent der jungen Teilnehmenden beziehen ihre Informationen von Journalist:innen. Dabei wurden 94.000 Menschen aus 46 Ländern befragt.
Christiane Rohleder (Grüne) ist Staatssekretärin des Bundesministeriums für Verbraucherschutz.Bild: Stefanie Loos
Gefragt seien nun die Schulen, betonte Rohleder. "Quellen einordnen zu können, ist eine Grundkompetenz, die sich durch alle Unterrichtsfächer ziehen muss", sagte Rohleder auf Nachfrage von watson.
Mehr als ein Viertel der Befragten gab an, bereits negative Erfahrungen mit Social Media gemacht zu haben. Vor allem Desinformation als auch Cybermobbing wurden hier als Gründe genannt.
Je schwächer der rechtliche Rahmen, desto stärker müsse auch die digitale Resilienz gestärkt werden, sagte Rohleder. Den aktuell noch zu schwachen rechtlichen Rahmen will der Bund mit dem EU-Cyber Resilience Act verbessern, der kurz vor der Fertigstellung ist.
Aber auch die gesellschaftliche Förderung digitaler Kompetenzen sei ein Schlüsselthema, das angegangen werden müsse, meinte Rohleder.
Aus der Studie geht deshalb ein Drei-Punkte-Plan hervor: Sicherheitsrelevante Informationen müssen leicht zugänglich sein, die Aufklärungsangebote müssen zielgruppenspezifisch sein und die Zivilgesellschaft, die Anbieter und der Staat müssen eng zusammenarbeiten, um bedarfsgerechte Angebote zu entwickeln.
Die umstrittene Abgeordnete aus dem US-Bundesstaat Georgia, Marjorie Taylor Greene, trägt auch den Titel "White-Trash-Queen".