Es ist eine Zeit, in der die Welt zeitlos wirkt. Als ob die Erdkugel stillstünde – und sich die Ereignisse gleichzeitig in rasender Geschwindigkeit überschlagen.
Am Montagabend erkennt der russische Präsident Wladimir Putin die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine an und entsendet Soldaten in diese Gebiete. Als Reaktion darauf verhängen die USA, die EU und Großbritannien eine Reihe von Finanzsanktionen gegen Russland und die Separatisten. Auch Kanada, Japan und Australien schließen sich an.
Teilweise.
Vor allem wegen des eingefrorenen Genehmigungsverfahrens der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 wächst in Deutschland die Sorge vor weiter steigenden Energiepreisen. Von Russlands Seite gibt es auch entsprechende Drohungen. Denn Deutschland bezieht etwa die Hälfte seines Gases noch immer von dort.
Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gibt zunächst mal Entwarnung: "Krieg treibt die Preise", sagte er in der ARD-Sendung "Tagesthemen". "Deswegen ist zu vermuten, dass die Preise steigen. Schon mittelfristig kann das aber überwunden werden, denn der Weltmarkt ist ja elastisch."
Andere Länder hätten bereits "besser, klüger, vorsichtiger" gehandelt und sich mit Gas gut eingedeckt – Europa und Deutschland habe demnach bereits Gas nachkaufen können.
Außerdem kündigte Habeck eine finanzielle Unterstützung seitens der Regierung an. Er sagte:
Die Abschaffung der Umlage wurde dann noch am Mittwoch zum 1. Juli vorzeitig beschlossen.
Womit wir in Deutschland rechnen müssen, sind Gegen-sanktionen seitens der russischen Regierung. Das hat es auch 2014 gegeben, als der Westen Russland wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim belegt hatte. Daraufhin durfte Deutschland etwa keine Agrarerzeugnisse oder Nahrungsmittel nach Russland verkaufen.
Jetzt könnte beispielsweise die Autoindustrie betroffen sein.
Unternehmen und Wirtschaftsverbände haben zudem Angst, Russland könne den Gashahn komplett zudrehen.
Die Verbände der Chemie- und Pharmaindustrie Baden-Württemberg sagten dem SWR, die Situation werde gefährlich, wenn die Krise zwischen Russland und der Ukraine eskaliere und Gaslieferungen aus Russland ausblieben. Nicht nur explodierende Preise, sondern auch Lieferstopps könnten Folgen davon sein.
Das könnte sich dann wiederum auf Preise für Endverbraucher – also uns alle – auswirken, wenn keine Finanzspritzen von der Bundesregierung kommen.
Allerdings halten Expertinnen und Experten diese Option für unwahrscheinlich. Denn das Abhängigkeitsverhältnis besteht auf beiden Seiten. Russland verdient mit Gaslieferungen ziemlich viel Geld – rund ein Drittel des Staatshaushalts stammt aus dem Handel mit diesem Bodenschatz.
Der Stopp für Nord Stream 2 trifft Russland tatsächlich nicht akut. Bisher war die Pipeline ja noch nicht in Betrieb. Russisches Erdgas kommt weiterhin über andere Wege nach Europa – die Einnahmen des russischen Staats werden auf diese Weise also erst einmal nicht sinken. Die Blockade der Röhren ist also momentan nur ein politisches Signal.
Das größte Drohpotenzial hat nach Einschätzung von Elisabeth Christen vom Institut für Wirtschaftsforschung ein geplantes Handelsverbot für russische Staatsanleihen. Das teilte sie der Wochenzeitung "Die Zeit" mit. Mit einer solchen Sanktion werde es dem russischen Staat schwer gemacht, sich auf europäischen Märkten zu refinanzieren. "Wenn diese Sanktionen lange andauern, hat das Konsequenzen für die russische Wirtschaft", sagte die Ökonomin der Zeitung.
Ökonomen sehen insgesamt bei den bisherigen Sanktionen keine großen finanziellen Schäden auf Russland zukommen. Aktuell sowieso schon hohe Gaspreise sowie russische Devisen- und Goldreserven im Wert von rund 600 Milliarden Dollar spielen Putin in die Karten.
Ganz im Gegenteil zur Situation im Jahr 2014, als etwaige Wirtschaftsmaßnahmen den Kreml-Chef Putin quasi in Zugzwang brachten. Damals waren die Gaspreise extrem niedrig, was Russlands Wirtschaft mächtig schwächte. Putin konnte unter anderem deshalb zu den Minsker Abkommen gedrängt werden.
Es ist noch nicht abzusehen, wie sich die Situation weiter entwickelt. Klar ist allerdings, dass der Westen noch nicht alle Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Sollte Putin also tiefer in die Ukraine einmarschieren, gibt es noch weitere Maßnahmen, mit denen die USA, die EU und weitere Teile der Welt reagieren könnten.
Am stärksten würde Russland wohl ein Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift treffen. Swift ist ein Zahlungsnetzwerk, das Zahlungen international über den ganzen Globus über ein einheitliches System ermöglicht. Im internationalen Handel ist dieses System nicht mehr wegzudenken. Wer aus diesem Netzwerk ausgeschlossen wird, kann kaum mehr Zahlungen ins Ausland senden oder von außen erhalten.