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Russland-Krise: Welche Folgen die Sanktionen haben werden

FILE - A woman, her fingernails painted in the colors of the Ukrainian national flag, takes part in a protest against the escalation of the tension between Russia and Ukraine, near the Russian embassy ...
Eine Frau auf einer Demonstration in Berlin, gekleidet und geschminkt in den Farben der ukrainischen Flagge. Bild: ap / Markus Schreiber
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Was die Sanktionen gegen Russland für Putin bedeuten – und für Deutschland

Putin erkennt Regionen in der Ukraine als Volksrepubliken an – und schickt Soldaten in das europäische Land. Reaktionen auf die Invasion kamen am Tag danach: Sanktionen. Die EU, die USA und weitere Länder kontern mit einer Reihe von Maßnahmen. Werden wir hier etwas davon spüren?
23.02.2022, 19:39
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Es ist eine Zeit, in der die Welt zeitlos wirkt. Als ob die Erdkugel stillstünde – und sich die Ereignisse gleichzeitig in rasender Geschwindigkeit überschlagen.

Am Montagabend erkennt der russische Präsident Wladimir Putin die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine an und entsendet Soldaten in diese Gebiete. Als Reaktion darauf verhängen die USA, die EU und Großbritannien eine Reihe von Finanzsanktionen gegen Russland und die Separatisten. Auch Kanada, Japan und Australien schließen sich an.

Das sind die Sanktionen

  • Europäische Union
    351 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben, werden auf die Sanktionsliste gesetzt. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen.

    Der russische Staat darf sich kein Geld mehr in der EU leihen, die EU-Finanzmärkte sind dicht für ihn. Auch der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen wird beschränkt.

    Gegen Putin persönlich gibt es vorerst keine EU-Sanktionen
  • Deutschland
    Das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland wird vorläufig gestoppt. Die Rohre für Nord Stream 2 sind schon verlegt – aber es wird weiterhin kein Gas durch sie fließen.
  • Großbritannien
    Die Vermögen fünf russischer Banken und drei russischer Oligarchen werden eingefroren. Reisen von Geschäftsleuten nach Großbritannien, die als enge Verbündete Putins gelten, werden unterbunden.
  • USA
    Vermögen verschiedener Organisationen und Familien werden eingefroren: zweier großer russischer Banken und die von Putins Unterstützern. US-Bürgerinnen und -Bürger und Firmen dürfen keine Geschäfte mit ihnen machen. Aus dem globalen Finanzsystem werden sie ausgeschlossen, der Zugang zum US-Dollar wird ihnen verwehrt.
22.02.2022, USA, Washington: Joe Biden (r), Pr�sident der USA, begr��t Dmytro Kuleba, Au�enminister der Ukraine, vor einem bilateralen Treffen im Oval Office des Wei�en Hauses. Foto: Adam Schultz/Whit ...
US-Präsident Joe Biden (rechts) trifft sich mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba.Bild: dpa / [b'Adam Schultz', b'White House']
  • Kanada
    Transaktionen zwischen Kanada und den Separatisten-Gebieten sind untersagt.

    Kanadier dürfen keine russischen Staatsanleihen kaufen.

    Finanzgeschäfte mit russischen Banken mit Verbindungen zum Staat sind verboten.

    Russische Parlamentarier, die für die Anerkennung der Separatisten-Gebiete gestimmt haben, werden sanktioniert.
  • Japan
    Visa für Vertreter der beiden Separatistengebiete werden auf Eis gelegt, ihr Vermögen wird eingefroren.

    Kein Güteraustausch bzw. Handel mit den beiden Regionen.

    Die Ausgabe und der Handel mit russischen Anleihen wird verboten.
  • Australien
    Acht der wichtigsten Sicherheitsberater von Russlands Präsident Wladimir Putin dürfen nicht mehr einreisen.

    Gegen Banken, die mit dem russischen Militär in Verbindung stehen, soll vorgegangen werden.

    Visa-Verfahren für rund 430 Ukrainer, die nach Australien einreisen wollen, sollen beschleunigt werden.

Betreffen uns die Sanktionen direkt?

Teilweise.

Vor allem wegen des eingefrorenen Genehmigungsverfahrens der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 wächst in Deutschland die Sorge vor weiter steigenden Energiepreisen. Von Russlands Seite gibt es auch entsprechende Drohungen. Denn Deutschland bezieht etwa die Hälfte seines Gases noch immer von dort.

Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gibt zunächst mal Entwarnung: "Krieg treibt die Preise", sagte er in der ARD-Sendung "Tagesthemen". "Deswegen ist zu vermuten, dass die Preise steigen. Schon mittelfristig kann das aber überwunden werden, denn der Weltmarkt ist ja elastisch."

ARCHIV - 09.04.2010, Russland, Portowaja-Bucht: Ein russischer Bauarbeiter spricht w�hrend einer Zeremonie zum Baubeginn der Nord Stream-Pipeline in der Portowaja-Bucht, etwa 170 km nordwestlich von S ...
Auf diesem Bild wird der Baubeginn der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 markiert. Dieses Geschäft ist erstmal auf Eis gelegt.Bild: dpa / Dmitry Lovetsky

Andere Länder hätten bereits "besser, klüger, vorsichtiger" gehandelt und sich mit Gas gut eingedeckt – Europa und Deutschland habe demnach bereits Gas nachkaufen können.

Außerdem kündigte Habeck eine finanzielle Unterstützung seitens der Regierung an. Er sagte:

"Was die kurzfristigen Preisanstiege und die Belastung für Verbraucher und Unternehmen angeht, werden wir Entlastung an anderer Stelle schaffen. Wir können ja kaum in den Weltmarktpreis eingreifen, bei Gas oder bei Öl. Wir werden aber die EEG-Umlage abschaffen. Wir werden sozialpolitisch gegenhalten."

Die Abschaffung der Umlage wurde dann noch am Mittwoch zum 1. Juli vorzeitig beschlossen.

Womit wir in Deutschland rechnen müssen, sind Gegen-sanktionen seitens der russischen Regierung. Das hat es auch 2014 gegeben, als der Westen Russland wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim belegt hatte. Daraufhin durfte Deutschland etwa keine Agrarerzeugnisse oder Nahrungsmittel nach Russland verkaufen.

Jetzt könnte beispielsweise die Autoindustrie betroffen sein.

Unternehmen und Wirtschaftsverbände haben zudem Angst, Russland könne den Gashahn komplett zudrehen.

Die Verbände der Chemie- und Pharmaindustrie Baden-Württemberg sagten dem SWR, die Situation werde gefährlich, wenn die Krise zwischen Russland und der Ukraine eskaliere und Gaslieferungen aus Russland ausblieben. Nicht nur explodierende Preise, sondern auch Lieferstopps könnten Folgen davon sein.

Das könnte sich dann wiederum auf Preise für Endverbraucher – also uns alle – auswirken, wenn keine Finanzspritzen von der Bundesregierung kommen.

Allerdings halten Expertinnen und Experten diese Option für unwahrscheinlich. Denn das Abhängigkeitsverhältnis besteht auf beiden Seiten. Russland verdient mit Gaslieferungen ziemlich viel Geld – rund ein Drittel des Staatshaushalts stammt aus dem Handel mit diesem Bodenschatz.

Wie sehr treffen die Sanktionen Russland?

Der Stopp für Nord Stream 2 trifft Russland tatsächlich nicht akut. Bisher war die Pipeline ja noch nicht in Betrieb. Russisches Erdgas kommt weiterhin über andere Wege nach Europa – die Einnahmen des russischen Staats werden auf diese Weise also erst einmal nicht sinken. Die Blockade der Röhren ist also momentan nur ein politisches Signal.

Das größte Drohpotenzial hat nach Einschätzung von Elisabeth Christen vom Institut für Wirtschaftsforschung ein geplantes Handelsverbot für russische Staatsanleihen. Das teilte sie der Wochenzeitung "Die Zeit" mit. Mit einer solchen Sanktion werde es dem russischen Staat schwer gemacht, sich auf europäischen Märkten zu refinanzieren. "Wenn diese Sanktionen lange andauern, hat das Konsequenzen für die russische Wirtschaft", sagte die Ökonomin der Zeitung.

22.02.2022, Russland, Moskau: Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik ver�ffentlichte Poolbild zeigt Wladimir Putin, Pr�sident von Russland, w�hrend einer Pressekonferenz mit Ase ...
Kritischer Blick des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Wie sehr werden ihn die Sanktionen treffen?Bild: dpa / Mikhail Klimentyev

Ökonomen sehen insgesamt bei den bisherigen Sanktionen keine großen finanziellen Schäden auf Russland zukommen. Aktuell sowieso schon hohe Gaspreise sowie russische Devisen- und Goldreserven im Wert von rund 600 Milliarden Dollar spielen Putin in die Karten.

Minsker Abkommen
In den von Deutschland und Frankreich vermittelten und mit der Ukraine und Russland vereinbarten Minsker Abkommen (2014/2015) hatten sich die beiden Konfliktparteien zu mehreren Schritten verpflichtet, um eine Friedenslösung in dem Konflikt zu erreichen.

Ganz im Gegenteil zur Situation im Jahr 2014, als etwaige Wirtschaftsmaßnahmen den Kreml-Chef Putin quasi in Zugzwang brachten. Damals waren die Gaspreise extrem niedrig, was Russlands Wirtschaft mächtig schwächte. Putin konnte unter anderem deshalb zu den Minsker Abkommen gedrängt werden.

Was können wir erwarten?

Es ist noch nicht abzusehen, wie sich die Situation weiter entwickelt. Klar ist allerdings, dass der Westen noch nicht alle Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Sollte Putin also tiefer in die Ukraine einmarschieren, gibt es noch weitere Maßnahmen, mit denen die USA, die EU und weitere Teile der Welt reagieren könnten.

Am stärksten würde Russland wohl ein Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift treffen. Swift ist ein Zahlungsnetzwerk, das Zahlungen international über den ganzen Globus über ein einheitliches System ermöglicht. Im internationalen Handel ist dieses System nicht mehr wegzudenken. Wer aus diesem Netzwerk ausgeschlossen wird, kann kaum mehr Zahlungen ins Ausland senden oder von außen erhalten.

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