Sachsen und Thüringen haben gewählt. Das Ergebnis ist wenig überraschend und spiegelt die Prognosen wider. In Ostdeutschland siegen die Populist:innen der AfD und des BSW. Eine Klatsche erhält die Ampel. Brisant: Noch nie sind die Parteien, die die Bundesregierung stellen, bei Landtagswahlen gemeinsam auf so schlechte Ergebnisse gekommen.
In Thüringen ist die AfD hingegen erstmals bei einer Landtagswahl stärkste politische Kraft geworden. Der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Landesverband des Spitzenkandidaten Björn Höcke erreicht laut vorläufigem Endergebnis 32,8 Prozent.
In Sachsen liegt die CDU am Ende knapp vor der AfD. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) darf sich als drittstärkste Kraft in beiden Ländern feiern. Weniger Anlass zur Freude haben die Ampel-Parteien.
Die FDP scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde und fliegt in Sachsen und Thüringen aus dem Landtag. Ein Schicksal, das die Grünen in Thüringen teilen. In Sachsen schaffen sie den Einzug haarscharf mit 5,1 Prozent.
Besonders bitter sind die Ostwahlen für die Kanzlerpartei SPD, die nur auf einstelligen Ergebnissen in beiden Ländern kommt.
Am Ende liegt es in den Händen der CDU in Sachsen und Thüringen, welche Regierung zustande kommt. Denn: Eine Koalition mit der AfD haben in Sachsen und Thüringen alle demokratischen Parteien Stand jetzt ausgeschlossen.
Laut der vorläufigen Wahlergebnisse wären folgende Koalitionen möglich: In Thüringen hat der CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt angekündigt, mit der SPD reden zu wollen. Allerdings hätten CDU, BSW und SPD nach dem vorläufigen Endergebnis nur 44 Sitze und damit die aktuelle Mehrheit knapp verfehlt. Zum Hintergrund: 45 Sitze braucht es für die absolute Mehrheit im Parlament.
Stattdessen käme derzeit nur eine Koalition aus CDU, Linke und BSW auf eine Mehrheit. Eine solche Koalition käme auf 50 Sitze, hätte also auch etwas Spielraum im Landtag. Nach der Abspaltung Sahra Wagenknechts und dem darauffolgenden Absturz der Linkspartei, ist das jedoch ein recht unwahrscheinliches Bündnis. Zudem hatte die CDU eigentlich eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen.
In Sachsen muss Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) entscheiden, ob er mit dem BSW zusammenarbeiten will oder nicht. Allerdings gibt es derzeit nur eine Option ohne der Sahra-Wagenknecht-Partei: Nämlich eine Vierer-Koalition aus CDU, SPD, Grünen und Linke.
Allerdings will die CDU dort eigentlich nicht mit den Grünen koalieren. Damit bliebe in Sachsen nach derzeitigem Stand nur die gleiche Lösung wie in Thüringen: Eine Koalition aus CDU, SPD und BSW. Diese Koalition hätte eine Mehrheit von 66 Sitzen.
Trotzdem sagt Höcke im Gespräch mit der ARD am Sonntag: "Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen." Es sei "gute Tradition, dass die stärkste Kraft zu Gesprächen einlädt", betont er. Was die rechtsextreme Partei in Thüringen aber in jedem Fall laut Berechnungen von infratest dimap hat, ist eine Sperrminorität, also eine "Vetomacht".
Dafür braucht sie nämlich einen bestimmten Prozentsatz der nötigen Sitze (mehr als ein Drittel der Mandate), die für eine Abstimmung im Landtag notwendig sind. Das bedeutet, dass keine Zweidrittelmehrheit gegen die rechtsextreme Partei gebildet werden kann. Damit kann die AfD wichtige Entscheidungen im Landtag blockieren, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Etwa Änderungen an der Verfassung oder der Geschäftsordnung.
"Das Parteiensystem ist in Bewegung. Mit dem Aufkommen der AfD gewinnt eine Partei an Zuspruch, die im Prinzip die Abschaffung der Demokratie als Ziel hat", warnt Politikwissenschaftler Gero Neugebauer im watson-Gespräch. Die CDU gebe sich mit kleinem Gewinn schon zufrieden und werde ihrer Verantwortung für die Demokratie nicht ausreichend gerecht, meint der Experte von der Freien Universität Berlin.
"Die CDU entwickelt sich nicht als deutliche Alternative zu dem, was die AfD propagiert", sagt Neugebauer. Zudem zeigt sich laut ihm, dass die linken Ränder schwächer und schmaler, die rechten Rändern hingegen stärker werden, "also das Parteiensystem deutlich vor einer Bewährung steht".
Auf die Bundestagswahl 2025 werden die Wahlergebnisse aber keinen großen Einfluss nehmen.
"Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen sind angesichts der Zahl der Wählerinnen und Wähler nicht so relevant", sagt Neugebauer. Doch ein Warnschuss sei am Ende auch ein Schuss. "Aber beim Treffen führt er nicht notwendigerweise dazu, dass der Getroffene sozusagen verstirbt."
Für die Bundestagswahl 2025 sei die gegenwärtige Situation schlecht voraussehbar. Doch laut des Experten zeigt sich, dass Stimmungen sehr stark das Wahlverhalten beeinflussen. "Insbesondere die negative Stimmung gegenüber den Leistungen der Koalition ist stark genug, dass Menschen bewusst ganz linke oder ganz rechte Parteien wählen und es ihnen egal ist, damit die Demokratie zu gefährden", führt er aus.
Laut einer Umfrage der ARD sind in Sachsen und Thüringen knapp über 80 Prozent der Menschen mit der Bundesregierung unzufrieden. Vor allem kritisieren sie den ständigen Streit zwischen den Ampel-Parteien.
Eventuell müsste das Kräfteverhältnis in der Ampel möglicherweise überdacht werden, meint der Politikwissenschaftler. "Wenn man heute die FDP Schlusslicht nennen würde, dann wäre das noch eine Schmeichelei, weil sie gar kein Licht mehr ist", sagt er. Sprich, die FDP suggeriere eine Stärke, die sie nicht habe.
Neugebauer zufolge signalisiert die Ampel mit ihrem Verhalten, – insbesondere Kanzler Olaf Scholz (SPD) – dass sie nicht ausreichend nachfühlt, welche Stimmung sie erzeugt, mit ihrer Art und Weise, wie sie Probleme anpackt.
Vor allem die Jugend fühlt sich im Osten des Landes übersehen und ignoriert. Das zeigt etwa eine watson-Reportage im sächsischen Grimma.
Laut den vorläufigen Wahlergebnissen gewinnt etwa die AfD in Thüringen unter den Unter-24-Jährigen mit großem Abstand die meisten Stimmen. Weit abgeschlagen folgen erst die Linke und die CDU. Jedoch seien sie die kleinste Wählergruppe, die von den Älteren in den Schatten gestellt werde, sagt Neugebauer. Das Wahlergebnis der Jugend überrascht den Experten nicht.
Er sagt:
Mit anderen Worten: Die Ampel erfüllt nicht die Erwartungen, die sie sich gesetzt hat, darum wird verstärkt die AfD gewählt.
(mit Material von dpa/afp)