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AfD-Verbot: Sinnvoll, aber auch gefährlich

ARCHIV - 02.09.2024, Sachsen, Leipzig: Teilnehmer einer linken Demonstration gehen mit Transparent mit der Aufschrift «AfD- Verbot jetzt!» eine Straße entlang. (zu dpa: «Führende Unionsleute bleiben b ...
Der Kampf gegen die AfD geht bald weiter.Bild: dpa / Sebastian Willnow
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AfD-Verbot: Lohnt sich der Kampf?

Am Sonntag protestieren Tausende gegen die AfD. Sie fordern ein Verbot der Partei. Ein Vorhaben, das auch auf viel Kritik stößt. Doch ist es wirklich so sinnlos?
10.05.2025, 13:2410.05.2025, 14:03
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In 60 Städten starten am Sonntag Proteste, vermutlich werden Tausende Menschen zusammenkommen, ihr Ziel: die AfD endlich aus dem parteipolitischen Wettbewerb verbannen, die parlamentarischen Institutionen davon überzeugen, ein Verbotsverfahren zu starten. Initiiert wird das Ganze vom Netzwerk "Zusammen gegen Rechts" und der Kampagne "Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot Jetzt!"

Der Zeitpunkt ist perfekt. Erst kürzlich stufte der Verfassungsschutz die Partei als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Bei den Aussagen und Vorhaben der Partei, wir denken an Vertreibungsfantasien, die sich aus einem rassistischen Menschenbild speisen, für viele keine Überraschung. Gegen die Einstufung klagte die AfD, der Verfassungsschutz setzte diese deshalb bis zu einer Gerichtsentscheidung aus. Standardprocedere.

Für die Initiator:innen der AfD-Verbotskampagne macht das aber keinen Unterschied. Sie kämpfen weiter für einen übergreifenden Verbotsantrag. Ein Anliegen, das nicht nur auf Befürworter:innen stößt. Denn über die Sinnhaftigkeit lässt sich streiten, etwa wegen des Opferkults.

Stärkt das AfD-Verbot die Opferrolle der Rechten?

Mehrere Jahre kann ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht dauern, genug Zeit für die AfD, ihre Opferrolle weiter zu kultivieren. Viele Journalist:innen, Politiker:innen und Wissenschaftler:innen, darunter Extremismusforscherin Julia Ebner, teilen diese Bedenken.

Gegenposition ist, dass die AfD ohnehin jede Reaktion für sich nutzen wird. Untätigkeit wird sie genauso zum Beweis verklären, eben nicht verfassungswidrig zu sein, wie sie ein Verbot zum großen Streich eines Establishments aufbauscht, der einen politischen, angeblich volksnahen Akteur mundtot machen will. Ein Dilemma. Sich davon paralysieren zu lassen, wäre aber ein Fehler, wie Malte Engeler von der Initiative AfD-Verbot Jetzt! watson erklärt.

"Aus Angst vor der Opferinszenierung auf das Mittel des Verbots zu verzichten, wäre ein Erfolg dieser Strategie. Diese Strategie darf nicht aufgehen", sagt er. Der Schaden gegen die Demokratie, sollte die AfD Regierungsmacht erhalten, würde deutlich schwerer ausfallen.

Welche Wirkung diese Opferrolle entfaltet, lässt sich nur mutmaßen. Allerdings würde den Akteur:innen der AfD mit einem Parteiverbot ein Vehikel genommen, um ihre politischen Positionen großflächig zu verbreiten. Große Auftritte in Talkshows würden allmählich abnehmen, Interviews bei seriöseren Medien ebenfalls. Es käme im besten Fall zum Reichweitenverlust, allerdings unter der Bedingung, dass Einladungen auch wirklich wegfallen.

Das Problem mit der gespaltenen Gesellschaft

Neben dem Opferkult plagt viele die Sorge, Millionen Menschen mit dem Verbot zu verprellen. Deshalb betonen Politiker wie Alexander Dobrindt, die AfD müsse "wegregiert" und nicht "wegverboten" werden. Ähnlich argumentiert SPD-Chef Lars Klingbeil in der "Bild", wenn er sagt, er wolle die AfD politisch kleinkriegen, sprich ihr den Boden (und damit die Wähler:innen) entziehen.

Der Politiker-Reflex mit guter Politik zu überzeugen, muss nicht falsch sein. Faktisch gibt es mehr als zehn Millionen AfD-Wähler:innen, daneben vielleicht noch mehrere Millionen unentschlossene. Die einen wird das Verbot nicht wegzaubern, die anderen vielleicht radikalisieren, weil sie ihr Vertrauen in die Demokratie verlieren.

Da der Spaltungsprozess aber bereits im vollen Gange ist, vorangetrieben durch die AfD, könnte sich schon die Frage stellen, ob nicht doch ein Verbot helfen könnte, diesen zumindest zu entschleunigen. Gleichzeitig könnten sich die Wähler:innen womöglich einer Nachfolgeorganisation anschließen, womit wir wieder vor demselben Problem stehen.

SPD und CDU bräuchten einen Kurswechsel

Neben eines Verbots wäre also auch eine zielgerichtete Politik nötig. Dafür ist erstmal wichtig, zu begreifen, wer die AfD wählt. Das zeigt eine Analyse der Universität Leipzig, über die der "Tagesspiegel" berichtete. Demnach sind es vor allem Menschen mit mittlerem Einkommen und Arbeitslose, die sich für die AfD entscheiden. Die einen plagen Abstiegsängste, die anderen der Sturz ins tiefere Elend. Sie leiden unter steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie und die Miete, fürchten Jobverluste und Hunger.

Politische Sicherheit könnte ihnen helfen, zum Beispiel höhere Mindestlöhne, Preisdeckel, bessere Jobaussichten, ein solider Sozialstaat, sowas eben. Vereinzelt finden diese Themen auch statt. Hauptfokus liegt aber auf Migration, also Abschottungspolitik plus AfD-Rhetorik, man denke an Merz' "kleine Paschas".

Wenn die anderen Parteien sich aber inhaltlich bei der AfD bedienen, gräbt ihr das kaum das Wasser ab, genauso wenig wie den Nachfolgeorganisationen. Sie können sich weiter auf Migration als "Mutter aller Probleme" berufen – und die Gesellschaft weiter spalten. Ein AfD-Verbot bliebe dadurch wirkungslos. Neben einer sachgerechten Politik bräuchte es offensichtlich auch Verbote gegen Nachfolgeorganisationen mit der gleichen politischen Ausrichtung und vor allem dem gleichen Gebaren.

Letztlich verhalf der AfD zum Erfolg, wie sie sich öffentlich inszeniert. Nachfolger würden natürlich ähnlich vorgehen. Weidel bleibt Weidel, ob sie nun in der AfD ist oder beim Bündnis Alice. Ein Einschreiten beim Breittreten rassistischer Erzählungen wäre hier eine Möglichkeit. Wenngleich dieser Weg vielen Akteur:innen anderer Parteien nicht gefallen dürfte.

Zivilgesellschaftlich ist der Kampf für ein AfD-Verbot aber gerade deswegen sinnvoll. Damit senden die Menschen schließlich ein Signal, dass völkisches wie auch rassistisches Gedankengut in der Gesellschaft keinen Platz haben. Wichtig ist nur, dass das Signal auch bei den anderen Parteien ankommt, die eben den AfD-Kurs zwecks politischer Geländegewinne fahren.

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