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ZDF-"Klartext" mit Merz, Scholz, Habeck & Weidel: So lief die Debatte

13.02.2025, Berlin: Friedrich Merz, Kanzlerkandidat und Vorsitzender der CDU, spricht in der ZDF-Sendung «Klartext». Bürgerinnen und Bürger haben in der Sendung die Gelegenheit den Kanzlerkandidaten i ...
Friedrich Merz durfte als letzter bei der ZDF-Sendung "Klartext" sprechen.Bild: dpa-Pool / Michael Kappeler
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"Klartext" im ZDF: Warum Friedrich Merz nahbarer wirkte als Robert Habeck

14.02.2025, 13:48
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Das Wort Quadrell gibt es eigentlich gar nicht. Es ist eine Ableitung des Duells, einer Auseinandersetzung von zwei Konfliktparteien, was wiederum vom lateinischen "duellum" kommt. Das hat aber überhaupt nichts mit der Zahl zwei zu tun, sondern stammt von "bellum", also Krieg.

Das sei hier nur einmal zu Beginn erwähnt, viel substanzieller wird es im weiteren Verlauf der ZDF-Sendung "Klartext" nämlich nicht werden, dafür waren Politsendungen aber auch noch nie bekannt. Die Sendung, so sagten es die Moderator:innen Bettina Schausten und Christian Sievers im Vorfeld, sollte Orientierung liefern für alle, die noch unentschlossen sind, wen sie wählen wollen.

"Klartext": Scholz, Merz, Habeck und Weidel stellen sich Wählerschaft

Erstmals sind am Donnerstagabend die vier umfragestärksten Kanzlerkandidat:innen im TV aufeinander getroffen. In selber Konstellation begegnen sie sich drei Tage später wieder, diesmal bei RTL, dem Sender, der den Neologismus Quadrell erfunden hat.

Bei der "Klartext"-Sendung im ZDF gab es streng genommen nur wenige personelle Überschneidungen, geschweige denn die für TV-Duelle übliche Konfrontation. Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne), Alice Weidel (AfD) und Friedrich Merz (CDU) hatten je eine halbe Stunde Zeit, sich den Fragen der sogenannten "ganz normalen Leuten" zu stellen.

Statt sich wie gewohnt aneinander abzuarbeiten, musste nun die unmittelbare Wählerschaft überzeugt werden. Es geht nicht zwangsläufig um die Taxierung der besten Argumente, sondern um Empathie und Zugänglichkeit. Auch eine Erkenntnis.

Olaf Scholz, der unnahbare Besserwisser

Es fällt einem schwer, etwas Neues zu Olaf Scholz zu schreiben, was daran liegen mag, dass es Olaf Scholz schwerfällt, etwas Neues über Olaf Scholz zu erzählen.

Olaf Scholz möchte nahbar sein, und beginnt vielversprechend. Kurzes Geplänkel mit einem der Fragensteller, einfache Sprache, staatstragender Blick.

Das Publikum berichtet von seinen Ängsten und Sorgen, Kriminalität, Klimakrise, Wohnungsnot. Und Scholz redet über die Erfolge der Ampel, ihre Bemühungen in der Migrationspolitik, in der Energiekrise. Er redet aber auch am Publikum vorbei.

Kein Amtsbonus? "Das ist nicht schön", sagt Scholz. Er habe etwas "wirklich Wichtiges" hinbekommen, nämlich Deutschland aus der "größten Krise der Nachkriegsgeschichte" geführt. Das sei "Führungskraft, wie man sie höher nicht haben kann". Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Scholz antwortet technokratisch, schnörkelig. Man könnte sagen: pragmatisch. Oder distanziert. Die Nöte schafft er nicht, emotional aufzugreifen, er will sie politisch wegargumentieren und verweist auf all die Erfolge seiner Regierung. Die Stimmung bleibt unterkühlt. Manchmal reagiert Scholz auch leicht patzig und lässt den süffisanten Besserwisser raushängen.

"Ich spiele nicht nur auf Sieg, ich will auch gewinnen", sagt Scholz. Ob er selbst noch dran glaubt?

Robert "Demokratie ist kein Zuschauersport" Habeck

Wie ein leicht übermüdeter Late-Night-Host tapst Robert Habeck ins Studio und automatisch scheint sich die Sitzposition im Publikum wieder in die Vertikale zu verlagern. Er habe heute nichts mehr vor, sagt Habeck, mit einer Hand in der Hosentasche. Das Format, denkt man sich, könnte ihm liegen.

Ein Zuschauer fragt, wie er Wähler überzeugen wolle, zur Wahl zu gehen, und Habeck antwortet, immer ein leicht schiefes Sprachbild im Maßanzug: "Demokratie ist kein Zuschauersport". Wenn sich die Menschen zurückziehen, dann sei es vorbei mit Deutschland. Die Leute klatschen stärker als bei Scholz.

Und doch scheint irgendwas anders an diesem Abend. Auch Habeck verirrt sich zunehmend in komplizierten, detailverliebten Ausführungen, wirkt dabei teils sogar fahrig.

Bei einem ausufernden Exkurs über Elektroauto-Förderung erwacht man nach einer Weile aus dem Sekundenschlaf, als Habeck sagt, er kenne das "von Freunden aus den Niederlanden." Moderatorin Schausten bemerkt an einer Stelle ungeduldig: "Machen Sie's nicht zu lang".

Einem Grünen-Urgestein, das nach Friedensbemühungen fragt, weicht Habeck aus und sagt allgemein, wenn er einen Wunsch freihätte und "klick" machen könnte: "Es wäre Frieden." Aber Putin, "der ist nicht der Friedensengel".

Ähnliches Szenario bei einer Schneiderin aus Bremen, die Opfer von Kriminalität geworden ist. Habeck schildert die Frustration, die er bei der Polizei erlebt hat, wenn festgenommene Täter, am nächsten Tag wieder auf der Straße umherlaufen – verliert sich dann aber in der Anzahl offener Haftbefehle, Defiziten beim Vollzug und Verfahrensgeschwindigkeit. Irgendwann landet er bei der Corona-Pandemie. Demokratie ist eben manchmal doch ein Zuschauersport.

Empfindliche Alice Weidel widerspricht eigenem Wahlprogramm

Alice Weidel hat sich ganz offenbar ein Ziel gesetzt. Die in Teilen rechtsextreme AfD will sie in ein warmes, bürgerliches Licht stellen, um in der Mitte wählbarer zu werden. Mit rosa Einstecktuch, angeregten Nachfragen, mildem Lächeln und einem Hauch zu viel Rouge auf den Wangen. Auch mal loben. Das klappt ungefähr 14 Minuten ganz gut.

Erstes Thema: Migration. Dankbarer Einstieg, Weidel lügt (Der mutmaßliche Täter von München sei ausreisepflichtig gewesen, stimmt nicht), das aber niedrigtourig. Über ausländische Fachkräfte sagt sie, entgegen ihres Parteiprogramms: "Die haben erstmal gar nichts zu befürchten." Sie würden sich ja "benehmen" und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Kurzer Einschub: "Ich sag jetzt nicht Mitarbeitende, weil ich nicht gendere." Niemand hatte danach gefragt.

13.02.2025, Berlin: Friedrich Merz, Kanzlerkandidat und Vorsitzender der CDU, begrüßt Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, in der ZDF-Sendung «Klartext». Bürgerinnen und Bürger haben in der Sendun ...
Freundlich verhalten: Alice Weidel und Friedrich Merz. Bild: dpa-Pool / Michael Kappeler

Irgendwann kommt der Hinweis von Moderator Sievers, sie solle die Fragen beantworten. Das Publikum lacht. "Das neutrale Publikum", spöttelt Weidel.

Und während man sich noch wünscht, die AfD auch mal in anderen Themen zu befragen (kam dann noch), brechen bei Weidel alle Dämme. "Frau Weidel, mir reichen Ihre Antworten nicht", sagt ein Pflegedienstleiter, neben ihm eine Pflegerin aus Georgien.

Weidels Antwort: "Ich habe den Eindruck, dass Sie mir nicht zugehört haben, dass Sie unser Wahlprogramm nicht gelesen haben." Sie unterstellt ihm, dass er seine Antwort auswendig gelernt habe. Einem Windparkbetreiber sagte sie später, dass er seinen Park unter AfD-Beteiligung schließen müsse.

Staatsmann Friedrich Merz und die "unappetitliche" AfD

Zuletzt betritt Friedrich Merz das Studio. Einstiegsfrage an Merz und Weidel: "Kennen Sie sich?" Wenig überraschend: ja. Der CDU-Chef macht schnell klar, seine Partei sei mit keiner anderen Partei so weit auseinander wie mit der AfD. Weidel: "Also, Sie wollen ja mit den Grünen koalieren." Die Sozialdemokraten, antwortet Merz darauf, die seien "ja auch noch da". Die AfD bezeichnet er später als "unappetitlich".

Friedrich Merz zeigt an diesem Abend Kanzlerformat. Keine Arroganz, stattdessen sortiert, ruhig, geduldig, einfühlsam, und, man glaubt es kaum: nahbar. Einem Sohn italienischer Einwanderer, der in dritter Generation bei Thyssen-Krupp arbeitet, sagte er: "Die Geschichte des Ruhrgebiets wäre ohne Ihre Familien so nicht geschrieben worden, es ist eine Erfolgsgeschichte." Es wirkt ehrlich.

Einer Frau, die sich um eine Eskalationsspirale wegen möglicher Tauruslieferungen sorgt, sagt Merz, einfühlsam und bestimmt: "Ich kann Ihre Sorgen verstehen. Ich teile sie nicht, aber ich kann sie verstehen."

Und wer hat jetzt gewonnen?

Scholz war technokratisch, Habeck ungewohnt fahrig und Weidel dünnhäutig. Und Merz? Souverän und empathisch. Keine Ausrutscher, keine verbalen Fehltritte, gemäßigt, staatsmännisch. Mit diesem Auftritt dürfte der CDU-Vorsitzende die weiterhin komfortablen Umfrageergebnisse kaum in Gefahr gebracht haben.

In der Spieltheorie kommt es bei einem Triell oft zu der paradoxen Situation, dass der schwächste Schütze die größte Chance hat zu überleben, weil er nicht als größte Bedrohung gilt. Bei einem Quadrell sind die Simulationen ähnlich. Manchmal gewinnt aber auch einfach der stärkste Schütze.

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