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Interview

ZDF-Journalistin Eva Schulz: Podcast, Politiker, positive Vibes

Eva Schulz
Journalistin Eva Schulz kennt man von ihrem Podcast "Deutschland3000". Jetzt bringt sie eine ZDF-Doku raus.bild: zdf / Maximilian König
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Eva Schulz: "So 'ne gute Stunde mit Olaf Scholz, die kann dann schon dauern"

13.02.2025, 11:58
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Ich habe 'ne gute halbe Stunde mit ihr.

Das sind eigentlich ein paar Minuten zu wenig für die Journalistin, die mit "Deutschland3000 – 'ne gute Stunde mit Eva Schulz" bekannt geworden ist. Normalerweise ist sie Gastgeberin. Jetzt soll sie Fragen von watson beantworten – zu ihr und zu neuen Folgen ihres Doku-Formats, das kurz vor der Bundestagswahl im ZDF gestartet und in der ZDF-Mediathek verfügbar ist: "Deutschland, warum bist du so?"

Und: Am Ende hatten wir dann doch fast ne Stunde (48 Minuten) – es ging um die AfD, den Frust junger Menschen und einen Gag von Olaf Scholz.

watson: Bitte ehrlich antworten: Wie gerne gibst du als Journalistin Interviews?

Eva Schulz: Angenehmer finde ich es, wenn ich die Fragen stelle. Weil man sich mit der anderen Person beschäftigt hat. Weil man einen Plan hat, wo man mit dem Gespräch hin will – und damit auch die Kontrolle. Anderseits finde ich es auch spannend zu erleben, wie andere das machen.

Du fragst in deiner Doku: "Deutschland, warum bist du so?" Aber was heißt "so"?

Der Titel gibt mir die Möglichkeit, in einzelne Themen, die Deutschland gerade beschäftigen – Kriegsangst und steigende Preise – reinzugehen, mehr darüber zu lernen und mir auch unterschiedliche Meinungen dazu anzusehen. Zum Thema Krieg war ich erst bei der Luftwaffe, bei jemandem, der jeden Tag für den Ernstfall übt, Deutschland zu verteidigen. Dann habe ich eine Friedensdemo besucht, wo die Leute sagen, das geht alles gar nicht.

Wer hat recht?

Ich kann mich in beide Seiten reinversetzen. Das führt mitunter dazu, dass ich nach einer solchen Recherche trotzdem keine feste Meinung habe.

Was würdest du sagen: Wie geht es Deutschland?

Deutschland steht gerade stark unter Druck, sowohl außen- als auch innenpolitisch. Wie groß die Anspannung ist, haben wir gerade erst gemerkt bei der Debatte über den Migrationsantrag im Bundestag und bei den Demos gegen den Rechtsruck. Die Leute wollen sich Luft, aber auch Gehör verschaffen. So erschreckend es ist, was da im Bundestag passiert ist: Dass wir so intensiv diskutieren und dass sich da etwas bahnbricht, ist auch gut. Hier wird jetzt verhandelt, wo wir als Gesellschaft hin wollen.

Eva Schulz steht in einer großen Halle und interviewt eine Protagonistin.
Journalistin Eva Schulz führt ein Interview für "Deutschland, warum bist du so?"Bild: ZDF / Susett Kleine, Marc Zimmer

Weißt du schon, wen du wählst?

Ich weiß noch nicht, wen ich wähle. Und ich beobachte, dass es ganz vielen Menschen auch so geht. Sie sind hin- und hergerissen, ob sie taktisch wählen oder das, was ihnen inhaltlich am nächsten ist. Das Besondere an der Situation ist, dass noch so viel offen ist: Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Unionskanzler, aber auch die Frage, welche Koalitionen mit ihm überhaupt möglich sind. Dazu kommt, dass es mehrere Parteien gibt, bei denen nicht klar ist, ob sie es wirklich in den Bundestag schaffen.

Von den Kanzlerkandidat:innen hattest du fast alle schon im Interview. Ist es schwieriger, Politiker:innen zu interviewen oder beispielsweise Schauspieler:innen?

Natürlich ist es viel entspannter, mit Fahri Yardim im Kino zu sitzen und zu schnacken. Schauspieler:innen haben vielleicht Angst vor einem Shitstorm oder davor, wer das Gesagte aufgreift. Aber für Spitzenpolitiker:innen sind alle, die zuhören, Menschen, die sie bitte wählen sollen. Da wägt man natürlich ganz genau ab, was man wie sagt.

Was das angeht, soll Olaf Scholz der Endgegner sein. Stimmt das?

Es ist tatsächlich richtig schwierig, Olaf Scholz dazu zu bringen, etwas Spannendes zu sagen. Ich kann das einerseits verstehen. Wenn du Kanzler bist, musst du super-vorsichtig kommunizieren, weil jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Aber das macht es auch sehr dröge. Ich hatte ihn zweimal in schwierigen Situationen im Interview: einmal im Wahlkampf und einmal nach dem Angriff auf die Ukraine. Natürlich musste er beide Male aufpassen, was er sagt und welches Gefühl er der Bevölkerung vermittelt. So 'ne gute Stunde mit Olaf Scholz, die kann dann schon dauern.

Und wenn die Kamera aus ist, hat er irgendwas Lockeres an sich?

Er war sehr freundlich und aufmerksam, aber auch eng getaktet – da blieb nicht viel Zeit für Austausch hinter den Kulissen. Das Lockerste, was ich von Scholz mitbekommen habe, war ein okayer Gag.

Was war der okaye Gag?

Als das Interview vorbei war, habe ich ihm ein Paar "Deutschland3000"-Socken geschenkt – und er meinte, dass es wenigstens keine roten Socken seien. Eine Anspielung auf die "Rote-Socken-Kampagne" der Union.

Was ist die "Rote-Socken-Kampagne"?
Erstmals genutzt wurde der Begriff der "roten Socken" 1994 von der CDU / CSU. Die Union veröffentlichte Wahlplakate, auf denen stand "Auf in die Zukunft ... aber nicht auf roten Socken". Auch im Wahlkampf 2021 hat die CDU die roten Socken wieder aufgegriffen, um Angst vor einer Koalition mit der Linken zu schüren.

Viele junge Menschen wählen rechts. Was können wir tun?

Ich glaube, dass es zu kurz gegriffen ist, nur Social Media dafür verantwortlich zu machen. Politiker:innen müssen einfach mal anerkennen, dass sie junge Wähler:innen in der Corona-Krise übersehen haben. Junge Menschen haben sich in der Pandemie so gut an die Regeln gehalten: Homeschooling oder die ersten Semester per Livestream – das war alles nicht cool. Sie haben es trotzdem mitgemacht. Aber das hat leider auch zu einer großen Enttäuschung von der Politik geführt.

Aber soll die AfD die Lösung sein?

Ich glaube nicht, dass die Entscheidung für die AfD eine gute ist. Ich sehe auch jetzt im Wahlkampf und im Wahlprogramm nicht, wie die AfD junge Menschen besonders weiterbringen würde.

Welche Rolle spielen Medien hier?

Medien müssen junge Perspektiven stärker abbilden: Wenn ein Thema mehr Aufmerksamkeit erhält, erhöht das auch den Druck auf die Politik.

Du kommst aus keiner besonders politischen Familie. Wann hast du angefangen, dich für Politik zu interessieren?

Ich komme aus dem Münsterland. Das ist eine eher konservative, christlich geprägte, auch wohlhabende Region. Da konnte man in den 90er- und Nullerjahren sehr unbehelligt von Politik aufwachsen. Angefangen hat mein Interesse für Politik, als ich mit einem Journalist:innen-Stipendium ein halbes Jahr in Israel war. Das ist eine hoch-politische Gesellschaft. Egal ob du im Bus sitzt oder an der Bar stehst, überall kannst du in eine politische Diskussion geraten. Du kannst in Israel gar kein unpolitisches Leben führen. Und das hat mir erst bewusst gemacht, wie weit Politik in den Alltag reinreichen kann.

Egal wie ernst ein Thema ist – bei dir gibt es immer ein positives Grundrauschen in der Art, wie du berichtest. Wie kriegst du das hin?

Ich habe schon meine verzweifelten Momente. Nach der Europawahl hatte ich beispielsweise ein richtiges Tief. In solchen Situationen gehe ich an mein Bücherregal oder meinen Zettelkasten. Zu lesen, wie Publizist:innen oder Künstler:innen, Kurt Tucholsky zum Beispiel, das politische Zeitgeschehen zu ihren Lebzeiten eingeordnet haben, gibt mir irgendwie Halt. Und natürlich auch: einfach mal den Laptop zuklappen, rausgehen, mit Freund:innen reden. Gerade jetzt im Wahlkampf finde ich es ganz wichtig, sich nicht zu vereinzeln und sich nicht nur online zu informieren, weil man ganz schnell das Gefühl bekommen kann, dass wir alle so gespalten sind und dass alles ganz duster ist.

Was macht dich gerade glücklich?

Wenn das Wetter jetzt im Februar mal sonnig ist, kann mich das schon sehr glücklich machen. Überhaupt analoge Situationen, die damit verbunden sind, andere Menschen zu treffen. Mich einfach rauszunehmen aus diesem Stream an Nachrichten, in dem man alles schnell wissen und einordnen will, und stattdessen mal ein Buch lesen oder mit Freund:innen unterwegs zu sein.

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