Die FDP kämpft darum, ihr angeschlagenes Selbst noch über die rettenden fünf Prozent und in den nächsten Bundestag zu hieven. Statt sich auf die eigene schwindende Wählerschaft zu konzentrieren, wollen die Liberalen lieber von der in den Umfragen führenden Union geherzt werden. Dazu scheint ihnen fast jedes Mittel recht.
Noch im Wahlkampf verabschieden sich die sonst ach so freiheitsliebenden Liberalen beim Thema Schwangerschaftsabbrüche in Teilen von ihrem Wahlprogramm: Sie haben gemeinsam mit der Union in dieser Woche eine dringend nötige Reform der Paragrafen 218 und folgende blockiert.
Das, was die FDP vorhatte, um die in die Jahre gekommenen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu überarbeiten, klingt erst einmal nicht schlecht: Man wolle allen Frauen eine Kostenübernahme des Eingriffs ermöglichen. Dieser solle zudem in die Ausbildung von Gynäkolog:innen in allen Bundesländern integriert werden, heißt es im FDP-Wahlprogramm.
Auch einer Überarbeitung der Rechtslage, die das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren kriminalisiert, stehen die Liberalen prinzipiell offen gegenüber. "Eine Reform (...) soll (...) im nächsten Deutschen Bundestag beraten werden", heißt es dort verkürzt.
Bessere Versorgungslage und mögliche Reform also, aber bitte erst in der nächsten Legislaturperiode?
Warum nicht jetzt?
Schließlich gab es nun die historische Chance, den Schwangerschaftsabbruch endlich aus dem Strafgesetzbuch und aus der Ecke von Mord und Totschlag zu holen.
328 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken hatten den im Herbst eingereichten Entwurf unterstützt. Schwangerschaftsabbrüche sollten demnach bis zur 12. Woche rechtmäßig sein und außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden. Die Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratungstermin und Termin des Eingriffs hätte gestrichen und die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden sollen.
Es ist ein Entwurf, bei dem in der Ausgestaltung schon sehr darauf geachtet wurde, dass er eine breite Mehrheit im Parament hätte finden können. Schließlich wäre die Beratungspflicht, die völlig zurecht ebenfalls scharf kritisiert wird, bei der Reform im Kern nicht angetastet worden.
Selbst dieser zurückhaltende Versuch einer Neuregelung ist nun durch die Blockadehaltung von FDP in weite Ferne gerückt. Thorsten Lieb "kann bestätigen, dass die FDP einer Sondersitzung des Rechtsausschusses nicht zustimmen würde", ließ das Büro des FDP-Rechtspolitikers auf Anfrage von "t-online" schon vor der Sitzung des Rechtsausschusses am Montagabend durchsickern. Eine Sondersitzung wäre nötig gewesen, damit es im Bundestag noch zur Abstimmung hätte kommen können.
Warum nicht jetzt?
Die Union hat – was natürlich klar war – ebenfalls dagegen gestimmt. Und die FDP umgarnt lieber die Union, als die Versorgungslage von Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen zu verbessern.
Geblendet vom eigenen Machtanspruch scheinen bei der FDP alle Schäfchen auf Kurs von FDP-Hirte Christian Lindner bleiben zu wollen, der bei Schwangerschaftsabbrüchen eine konservativere Haltung vertritt.
Schaut man sich den Wahlkampf der Liberalen an, scheint es fraglich, ob sie sich ihres gebeutelten Zustands in der sich deutlich abzeichnenden Dramatik bewusst sind: Lindner träumt schon davon, als Finanzminister wieder Verantwortung für eine Herde zu übernehmen.
Zeit, aufzuwachen! Die Union wird die FDP nicht retten. Selbst Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte, die Wähler:innen müssten sich überlegen, ob die Stimmen für die FDP möglicherweise verloren wären. Bitter.
Der FDP täte es also gut, sich im Wahlkampf weniger an die nach rechts gerückte Union heranzuwanzen, sondern sich auf diejenigen zu konzentrieren, die die Liberalen als einzige vor der drohenden politischen Versenkung bewahren können: die deutschen Bürger:innen.
Und von denen halten mehr als 80 Prozent die Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen für falsch, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergibt. Ob die Wähler:innen nach diesem Move noch darauf vertrauen können, dass die FDP ihre Versprechen zum Thema Frauenrechte im Wahlprogramm ernst meint?