Mit dem Ableben des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin ist unklar, wie es mit der russischen Privatarmee weitergeht. Bild: AP / Dmitri Lovetsky
Analyse
Nach dem Tod von Jewgeni Prigoschin ist die Zukunft seiner privaten Söldnerarmee ungewiss. Die einen sprechen von dem Ende der Wagner-Truppe, andere wiederum sehen einen Neubeginn in Belarus und Afrika. Osteuropäische Länder wie Polen warnen: Die Gefahr der Wagners sei nun sogar größer.
Die Hauptfrage bleibt allerdings, wer die Söldnertruppe leiten soll. Zu Erinnerung: Im abgestürzten Privatjet von Prigoschin saß so gut wie die gesamte Wagner-Führung. Laut dem Konfliktbeobachter Nikita Gerasimow gab es wohl einen "Plan C", und der ist noch am Leben.
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"Lotus" – auf ihn sollte man jetzt ein Auge werfen
"Er gilt in der Truppe als einer der einflussreichsten und geschätzten Kommandanten, aber ob das reicht, um den Fall der Wagners aufzuhalten, ist mehr als ungewiss", sagt Gerasimow von der Freien Universität Berlin auf watson-Anfrage. Er spricht von Anton Elizarov alias "Lotus".
Anton Elizarov alias "Lotus" war Prigoschins Plan C, die russische Privatarmee anzuführen.Bild: Telegram
Doch von vorne: Am 23. August verunglückt Prigoschin mit acht weiteren Passagieren in Russland. Sein Tod wurde mittlerweile von den russischen Behörden bestätigt. Auch Wagner-Gründer Dmitri Utkin saß im Flieger. Er galt als Kommandant der Söldnertruppe. Ebenfalls verstarb Valerij Tschekalow, einer der engsten Prigoschin-Vertrauten.
Bei den Wagneriten besaß er den Decknamen "Rover". "Der aus Wladiwostok stammende Russe war laut Wagner-nahen Quellen der Logistik-Chef des Trupps, der die gesamte Versorgung, Munitionsausstattung und den Transport koordinierte", sagt Gerasimov.
In seinem Telegram-Kanal schreibt Gerasimov, dass "Rover" dafür sorgte, dass die Logistik der Wagneriten um Welten effizienter als die des regulären Militärs lief. "Rovers" Talent erlaubte es dem Trupp, hunderte Kämpfer innerhalb eines Tages auf einen anderen Kontinent zu bringen, meint er. Damit habe Wagner vor allem in Afrika gepunktet.
Doch wegen des Flugzeugabsturzes sei der Wagner-Trupp nun regelrecht enthauptet.
Prigoschin hatte wohl einen Plan B und C im Falle seines Todes parat
Laut Gerasimov müsse sich der Trupp unter neuer Führung reorganisieren, um zu überleben. Dazu hatte wohl Prigoschin Vorkehrungen getroffen. "Ihm nahe stehende Vertreter schreiben, er sei immer fest davon ausgegangen, dass er keines natürlichen Todes sterben wird", sagt der Experte. Demnach habe er mehrere Pläne gehabt.
Prigoschin ist in St. Petersburg begraben worden.Bild: AP / Dmitri Lovetsky
Im Falle seines Todes, galt Utkin als sein "Plan B", die Wagneriten anzuführen. So sei er schon seit Längerem als Prigoschins Nachfolger im Gespräch gewesen und hatte operativ die Befehlsgewalt. Doch weil dieses Szenario so offensichtlich war, habe Prigoschin noch einen "Plan C" gehabt. Hier kommt Anton Jelisarow alias "Lotus" ins Spiel.
Er befehligte etwa die Gruppe der Wagneriten im Gebiet der Stadt Soledar. Laut des ukrainischen Nachrichtendiensts "Molfar" wird er als "Held Russlands" gefeiert. Doch ist er wirklich in der Lage, die Söldnertruppe zu übernehmen?
Anton Jelisarow alias "Lotus" stehen viele Hürden im Weg
Laut Gerasimov war "Lotus" zum Zeitpunkt des Flugzeugabsturzes in Mali, wo er neue Operationen zusammen mit der Zentralregierung koordiniert. Dort sei er vor ähnlichen Anschlägen sicher. Schließlich wird heiß spekuliert, dass der Kreml bei Prigoschins Tod die Finger im Spiel hatte, nachdem er diesem zunehmend ein Dorn im Auge war.
Andererseits sei Jelisarow ("Lotus") aber zu weit weg von Russland und Belarus, um die Krise der Wagners zu managen. Sprich, das Auseinanderfallen von Prigoschins Imperium zu verhindern. Denn: Derzeit laufe laut Wagner-nahen Quellen ein regelrechter Übernahmeversuch der Prigoschin-Strukturen seitens des russischen Verteidigungsministeriums.
Russische Regierung will Wagner wohl einverleiben
Gerasimov zufolge werden Wagner-Söldner zu Verträgen mit dem Ministerium genötigt, Eigentum und Waffen im Eilverfahren übernommen. Sprich: "Das russische Verteidigungsministerium arbeitet derzeit so konsequent an einer Übernahme aller Prigoschin-Strukturen, dass 'Lotus' gegen diesen Gegenwind möglicherweise nicht ankommen wird", meint der Experte.
Daher sei es auch unter russischen Kriegsreportern äußerst umstritten, ob "Lotus" es tatsächlich schafft, die Prigoschin-Strukturen zu übernehmen. Möglich sei allerdings, dass er als Kommandant einer deutlich geschrumpften Wagner-Truppe in Belarus unter Lukaschenkos Protektorat überlebt und von dort in deutlich kleineren Maßstäben die Arbeit der Söldnertruppe weiter am Leben erhält.
Wagners in Belarus mobilisieren sich offenbar
Nach dem Wagner-Aufstand in Russland zogen etwa 5.000 Kämpfer der privaten Miliz nach Belarus ab. Es sei wohl Teil des Deals zwischen Prigoschin und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gewesen. Dort bilden die Söldner nun etwa belarussische Streitkräfte aus. Als kopfloser Trupp gibt es allerdings Gerüchte, dass sie aus Belarus abziehen, beziehungsweise fliehen.
Doch dies werde etwa von belarussischen Militärbeobachtenden dementiert, meint Gerasimov. Sie seien überzeugt, dass die Wagners permanent im Land bleiben. Auch der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko äußert sich offenbar eindeutig dazu. Laut des Konfliktbeobachters sagt er:
"Wagner war, ist und wird in Belarus sein. Wir haben mit Prigoschin ein System aufgebaut, wie Wagner hier beheimatet wird. Niemand rennt nirgendwo weg."
Mittlerweile gibt es mehrere große Stützpunkte der Wagneriten in Belarus, meist nutzen sie die verlassenen Militärbasen. Laut Gerasimov berichten verschiedene westliche Portale, dass diese Wagner-Lager rasant anwachsen.
Belarussische Soldaten und Wagner-Söldner bei einem gemeinsamen Manöver in Belarus. Bild: Belarus' Defense Ministry
Falls der Trupp überleben sollte, werde sein Fokus wohl auf Afrika liegen, prognostiziert Gerasimov. Denn: Prigoschin legte dafür das Fundament. Nur wenige Tage vor seinem Tod reiste er auf den Kontinent und sicherte dem Trupp dort Verträge.
An ein Komplettverschwinden der Wagneriten glaubt offenbar auch nicht Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Laut der ukrainischen Online-Zeitung "Ukrainska Pravda" befürchtet der polnische Politiker, dass die Wagner-Söldner nach dem Tod von Prigoschin nun direkt vom Kreml kontrolliert werden, was sie noch gefährlicher macht.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist für seine kontroversen Aussagen bekannt. Laut seiner politischen Gegnerin Kamala Harris kommt aus seinem Mund nichts als Lügen und Ammenmärchen. Doch seinen Kritiker:innen zufolge verbreitet er vor allem eines: Hass – besonders gegen Migrant:innen.