US-Präsident Joe Biden patzt schon wieder bei einem öffentlichen Termin. Die Demokraten befinden sich in Aufruhr. Bild: AP / Jacquelyn Martin
Analyse
In vier Monaten steht die Präsidentschaftswahl in den USA an. Doch die Demokraten sind sich gerade nicht einig, ob sie den richtigen Mann für den Job aufgestellt haben. Seit dem miserablen Auftritt des US-Präsidenten Joe Biden im TV-Duell gegen Donald Trump steht er scharf unter Beschuss.
Mit 81 Jahren lassen sich die Alterserscheinungen nicht mehr verbergen: Biden stolpert, wirkt oft verwirrt und starrt ins Leere. Bei Reden oder Interviews verhaspelt er sich, bringt Namen durcheinander und hat sprachliche Aussetzer.
Beim Nato-Gipfel passiert Joe Biden ein peinlicher Patzer bei der Begrüßung von Wolodymyr Selenskyj.Bild: imago images / Jakub Porzycki
Beim Nato-Gipfel begrüßt er seinen ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj irrtümlicherweise ausgerechnet als Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Und seine Vizepräsidentin nennt er plötzlich Trump. Solch peinliche Verwechslungen vor den Augen der Welt verunsichert das demokratische Lager. US-Medien sprechen gar von Panik.
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Sie blicken verzweifelt zum Ex-Präsidenten Barack Obama und zu der früheren Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Ihre Ansage an Biden hätte Gewicht, meint der US-Sender CNN, der in Kontakt mit mehreren Kongressmitgliedern steht. Aber auch die demokratischen Schwergewichte Obama und Pelosi seien "ratlos".
USA: Die Biden-Misere trennt die Gemüter der Demokraten
Die Demokraten sind zerrissen. Einige wagen den Schritt nach vorn, und fordern Biden öffentlich zum Rücktritt auf. Andere stellen sich loyal hinter den 81-Jährigen. Während die einen warnen, mit ihm sei die Wahl gegen Trump nicht zu gewinnen; halten die anderen dagegen und behaupten genau das Gegenteil.
US-Expert:innen warnen vor einer Verschlimmerung des Chaos, sollte Biden das Handtuch werfen. Auf der anderen Seite sehen viele Demokraten laut CNN ein, dass es mit Biden so nicht weitergehen könne.
Laut des USA-Experten Thomas Greven müsste jemand Biden davon überzeugen, dass es wegen der Nachfolgefrage nicht zum Chaos in der Partei kommt – und eine andere Person bessere Chancen hat als er. Denn am Ende entscheide Biden, ob er geht, führt der Politikwissenschaftler vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin aus.
"Ohne Frage nimmt der Druck auf Biden zu. Vielleicht muss er am Ende aber auch zähneknirschend gehen, wenn der Spendenfluss versiegt", sagt Greven auf watson-Anfrage. In den US-Medien häufen sich Berichte über einflussreiche Spender:innen, die sich zurückziehen wollen, sollte Biden bleiben.
"Durch die polarisierte Medienlandschaft kommt bei vielen Wählern nicht an, wie gut es dem Land objektiv gesehen geht."
USA-Experte Thomas Greven
Doch welche Option wäre am Ende strategisch die beste für die Demokraten: Biden behalten oder ersetzen?
USA-Experte: Biden sollte den Weg für Kamala Harris frei machen
Aus Grevens Sicht sollte Biden zurücktreten und den Hut an seine Vize-Präsidentin Kamala Harris überreichen. "Dann gibt es vermutlich kein Chaos um die Kandidatur und Harris hat noch einige Monate Zeit, die Politik der Regierung besser zu verkaufen", meint der USA-Experte.
Denn die Erfolge der Biden-Regierung rücken wegen Bidens Alterserscheinungen völlig in den Hintergrund und das. Laut Greven ein großes Problem für die Demokraten. Durch die polarisierte Medienlandschaft komme bei vielen Wähler:innen nicht an, wie gut es dem Land objektiv gesehen geht und wie viel Anteil Bidens Politik daran hat.
Doch Kritiker:innen warnen: Harris konnte in den vergangenen Jahren nicht sonderlich viel reißen und gilt nicht als sonderlich beliebt bei den Wähler:innen. In der Debatte um einen Biden-Ersatz fallen jüngst auch immer wieder die prominenten Namen Michelle Obama oder Hillary Clinton.
USA: Michelle Obama und Hillary Clinton als Biden-Ersatz?
Doch Michelle Obama hat der Politik eine deutliche Abfuhr erteilt und ist damit klar aus dem Spiel. Die Demokratin Hillary Clinton verlor die Wahl gegen Trump 2016; laut aktuellen Umfragen könnte sie ihn heute aber schlagen.
Laut Greven kommt aber auch Clinton "überhaupt nicht" infrage. "Sie will nicht und es gibt auch keine Unterstützung in der Partei. Die Umfragen sind wenig aussagekräftig. Ähnlich wie bei Michelle Obama, weil sie hypothetisch sind", meint er.
So gibt es auch unterschiedliche Umfrage-Ergebnisse zu Biden nach seinem vermasselten TV-Duell.
Laut einer Umfrage von "USA Today" und der Suffolk University lassen die US-Amerikaner:innen Biden nicht im Stich: 85 Prozent der Demokraten würden demnach aktuell für Biden stimmen. Im März waren es 81 Prozent.
Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos sind 67 Prozent der US-Amerikaner:innen und 56 Prozent der demokratischen Wahlberechtigten der Auffassung, dass Biden das Handtuch werfen sollte.
Auch geraten die US-Medien in die Kritik, die Biden-Misere seit dem TV-Duell unnötig aufzuplustern und dabei den Blick für die eigentliche Gefahr des Landes zu verlieren: Trump und seine Anhängerschaft mit ihren anti-demokratischen Träumen für die USA.
Kritik an Medien: Blähen sie die Biden-Krise unnötig auf?
Das US-Portal "PoliticusUSA" weist auf das universitätsübergreifende Forschungsprojekt hin, das zu dem Ergebnis kam, dass die Debatte nichts an den Präferenzen der Wählenden geändert habe. Biden konnte seine Anhängerschaft nach dem TV-Duell sogar besser halten als Trump.
"Demokraten, die Bidens Absetzung fordern, spielen in eine Krise hinein, die von den Medien geschaffen wurde", kritisiert "PoliticusUSA". Denn: Es gebe keine statistische Beweise für die Annahme, dass Biden die Wähler:innen vergrault hat und die Demokraten ihren Kandidaten dringend ersetzen müssen.
Daher sei die Krise nach der vermasselten Biden-Debatte ein Konstrukt der Medien, in das panische demokratische Eliten hineingespielt haben.
So geriet etwa der US-Sender MSNBC in die Kritik, das Zitat des demokratischen Senators Richard Blumenthal irreführend zu kürzen, so dass es mehr danach klinge, er würde an Biden zweifeln. Und das, obwohl er seine klare Unterstützung für ihn ausspricht.
"Am Ende gelingt es Präsident Biden besser als Donald Trump, seine Unterstützer bei der Stange zu halten", schreibt "PoliticusUSA". Würden die Demokraten den Kandidaten, den ihre Wähler:innen wollen, abzusetzen, wäre dies das "Dümmste". So lautet das Fazit des Berichts.
Doch diese Meinung teilt Greven nicht.
Der Fokus der Medien auf Bidens Fitness – vor allem nach dem verpatzten TV-Duell – ist laut ihm gerechtfertigt. Denn: "Die Anzeichen verstärken sich, dass er erhebliche Altersprobleme hat."
Greven fügt an, dass es auch den Vorwurf gibt, Medien hätten zu lange weggesehen. "Zugleich stimmt aber auch, dass viele Medien die autokratische Bedrohung durch Trump nicht ernst genug nehmen", meint er. Seit dem TV-Duell steht Trump kaum im Fokus – dabei warnen US-Expert:innen eindringlich, dass der Republikaner und seine Anhängerschaft eine Bedrohung der US-Demokratie darstellen.
Das sieht auch Greven so: "Nach dem Urteil des Supreme Court zur Immunität des Präsidenten wäre mit Trump im Weißen Haus die amerikanische Demokratie akut gefährdet." Bidens Kampagne versucht daher, seit der TV-Debatte vor allem die Aufmerksamkeit auf Trumps "Project 2025" zu richten.
"Projekt 2025" von der rechtsgerichteten, konservativen "Heritage Foundation" gilt als Entwurf für einen rigorosen Staatsumbau zur Autokratie unter Trump als US-Präsident.