Donald Trumps Politik löst weltweite Turbulenzen aus. Besonders die aggressiven Zölle des US-Präsidenten, darunter auch gegen Kanada und Mexiko, sowie seine Zweifel an der Nato haben in Europa Besorgnis ausgelöst. Spätestens seit dem Streit zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist klar: Die USA sind aktuell kein verlässlicher Verbündeter mehr.
Der Schutzschirm, auf den sich Deutschland und die EU seit Jahrzehnten verlassen konnte, wirkt aktuell eher wie ein Tuch, das mit der Willkür Trumps beliebig weggeweht werden kann. Sehr zur Freude des russischen Machthabers Wladimir Putin.
Dies hat den europäischen Staaten auch die gefährliche Abhängigkeit von den USA vor Augen geführt – sowohl militärisch als auch wirtschaftlich. Während sich europäische Politiker:innen neu aufstellen, stehen auch Unternehmen und Konsument:innen vor der Frage: Was tun? Eine wachsende Online-Bewegung hat darauf eine Antwort: US-Produkte meiden und europäische Alternativen bevorzugen.
Organisiert über Reddit, vereint die Community "BuyFromEU" mittlerweile 140.000 Mitglieder. Täglich kommen Tausende hinzu. Ihr Ziel: europäische Unternehmen stärken und sich unabhängiger von den USA machen. Ob Lebensmittel, Kleidung oder Elektronik – in Foren tauschen sich User:innen darüber aus, welche heimischen Alternativen es gibt und wie gut sie sind.
Denn in der Wirtschaft gilt: Jede noch so kleine Kaufentscheidung kann zählen. Vor allem, wenn viele sie treffen.
Laut eigenen Angaben wird "BuyFromEU" von rund 30 Freiwilligen betrieben. Ihr Europa-Verständnis geht über die EU hinaus und umfasst alle 46 Länder des Europarats. Das Projekt wurde erst vor wenigen Wochen gestartet und finanziert sich bislang ausschließlich durch private Spenden.
In der Online-Bewegung mischt sich politischer Ernst mit typischem Reddit-Humor. So werden etwa US-Marken mit Trump-Gesichtern verziert oder Asterix als europäische Antwort auf Marvel gefeiert. Bei Letzterem zeigt sich, dass es nicht immer einfach ist, weil viele amerikanische Marken etabliert sind. Schließlich ist auch Reddit Teil eines US-Konzerns. Auch bei Streaming-Anbietern ist der Boykott beispielsweise alles andere als einfach.
Doch es gibt auch Gegenbeispiele: DeepL, das es voll und ganz mit dem Google-Übersetzer aufnehmen kann und sogar als bessere Alternative gilt.
Ein deutscher User, Martin aus Berlin, sagte zu watson: "Es gibt echt viele gute Alternativen, wenn man sich mal damit beschäftigt." Er ist beispielsweise von LeChat als Alternative für ChatGPT überzeugt. Und er ist einer von jenen, die zeigen, dass die Boykott-Welle Deutschland erreicht.
Die Bewegung meint es ernst. Eine dazugehörige Website bietet eine durchsuchbare Datenbank, die für viele US-Produkte europäische Alternativen vorschlägt. Besonders im digitalen Sektor hoffen die Initiatoren, dass europäische Anbieter, die bislang nur Nischen bedienen, dadurch mehr Sichtbarkeit und Marktanteile gewinnen. Denn zur Wahrheit gehört auch: Je mehr Menschen sich anschließen, desto erfolgreicher und besser können die europäischen Konzerne werden.
Auch die kanadische Regierung hat sich positioniert: Als Reaktion auf die immensen US-Zölle ordnete Premierminister Justin Trudeau Gegenzölle von 25 Prozent auf US-Importe an und richtete sich mit einer emotionalen Botschaft an die Welt:
Kanada hat sich auch in der Boykott-Community mit seinen kürzlichen Aktionen zum Vorbild gemacht. Dort reagieren viele Supermärkte auf die US-Zollpolitik und nehmen amerikanische Waren aus dem Sortiment. Besonders betroffen: Hersteller alkoholischer Getränke.
Das gefällt einigen US-Konzernen natürlich nicht. Lawson Whiting, CEO des Jack-Daniel's-Konzerns Brown-Forman, kritisierte in der kanadischen Zeitung "The Globe and Mail", dass die Gegenreaktion "unangemessen" sei und bereits größeren Schaden verursache als die ursprünglichen Zölle. Auf Social Media gibt es zahlreiche Videos, die zeigen, wie kanadische Supermärkte Jack-Daniel's-Flaschen aus ihren Regalen räumen.
In Europa bleiben Einzelhändler bisher tendenziell zurückhaltend. Die dänische Supermarktkette Salling beispielsweise will europäische Produkte in den Regalen lediglich kennzeichnen. CEO Anders Hagh betonte auf LinkedIn: "Wir machen es Verbrauchern einfacher, europäische Produkte einzukaufen."
Ein Grund für die Zurückhaltung: Der Einfluss der USA auf den europäischen Konsummarkt ist begrenzt. Lebensmittelimporte aus den USA spielen in der EU nur eine geringe Rolle. Umgekehrt exportiert Europa deutlich mehr Lebensmittel in die Vereinigten Staaten. Wichtige Importgüter aus den USA sind hingegen Öl, Treibstoffe, Pharmazeutika und Maschinen.
Ein direkter Effekt zeigt sich jedoch bei Tesla. Die Verkaufszahlen des US-Elektroautobauers sinken in Europa, was nicht nur an der Boykottbewegung liegt. Firmenchef Elon Musk steht wegen seiner politischen Positionen in der Kritik. Sein offenes Flirten mit Rechtspopulisten und -radikalen und offene Wahlkampfhilfe für diese stößt viele potenzielle Käufer:innen ab. Einige, die bereits einen Tesla besitzen, distanzieren sich mit Stickern auf ihrem Wagen. Darauf steht zum Beispiel: "Ich wurde gekauft, bevor Musk verrückt wurde."
Boykottbewegungen gegen US-Konzerne sind nicht neu. "BuyFromEU" hebt sich jedoch dadurch ab, dass sie sich nicht grundsätzlich gegen Konsum oder Großunternehmen richtet – solange diese europäisch sind. Ein nachhaltiges Modelabel aus Deutschland wird genauso gefeiert wie ein neues Volkswagen-Modell. Die Frage ist jedoch, wie lange die Bewegung diese klare Linie halten kann.
Ein weiteres Problem: globale Lieferketten. Viele europäische Marken nutzen dennoch US-Zulieferer oder haben Produktionsstandorte in den Vereinigten Staaten. Ein völliger Verzicht auf US-Produkte ist also kaum möglich.
Sollten sich die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU verschärfen, könnte der Boykott allerdings noch deutlich an Fahrt gewinnen. Denn dann geht es nicht mehr nur um eine politische Botschaft, sondern auch ums eigene Portemonnaie. Und das ist bekanntlich für viele Menschen am ausschlaggebendsten für Kaufentscheidungen.