Friedrich Merz mag die Bundestagswahl mit der Union gewonnen haben, aber Sieger der jungen Menschen im Land ist er nicht – vor allem nicht für junge Frauen. Bei den 18- bis 24-jährigen Wählerinnen landet die CDU auf dem drittschlechtesten Platz. Nur das BSW und die FDP kommen noch schlechter weg.
Bei dieser Bundestagswahl gibt es eine überraschende Siegerin: Die Linke ist sprichwörtlich von den Toten auferstanden. Politikwissenschaftler:innen hatten sie schon abgewunken, als Sahra Wagenknecht mit ihrem Ausstieg ein politisches Erdbeben auslöste.
Doch die Partei fand wieder Boden unter den Füßen und besonders großen Anklang bei jungen Frauen aus Städten.
Während die Linke bei jungen Frauen punktet, wählen die 18- bis 24-jährigen Männer im Land das andere Extrem: die AfD. Mit 27 Prozent wird die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei stärkste Kraft in dieser Gruppe. Auf Platz zwei landen gleichauf mit 16 Prozent CDU und die Linke.
Was am Ende auffällt: Bei den Unter-25-Jährigen siegen die AfD und die Linke. Zwei extreme Parteien, die demokratische Mitte bricht weg. Jugendforscher Simon Schnetzer sieht dafür einen klaren Grund.
"Social Media spielt eine große Rolle bei dem Wahlausgang. Je jünger die Wählenden, desto stärker informieren sie sich über Politik in den sozialen Medien", sagt Schnetzer im watson-Gespräch. Laut ihm sind AfD und die Linke dort am präsentesten und haben einen sehr guten Wahlkampf auf Tiktok oder Instagram geführt.
Auch Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas teilt diese Annahme. Maas betont im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass über die Hälfte der jungen Wähler:innen Social Media als Hauptinformationsquelle nutzten.
Bei der Europawahl vergangenen Juni sei nur die AfD dort stark präsent gewesen. "Jemand wie Maximilian Krah war fast Influencer", beschreibt er den AfD-Politiker. Heidi Reichinnek und Gregor Gysi von der Linken hätten jedoch in den vergangenen Monaten stark aufgeholt und hohe Reichweiten erzielt. "Das hat sehr viel mit Social Media, vor allem mit Tiktok, zu tun", erklärt er.
Hinzu kommt laut Schnetzer aber auch: Je stärker die Rechte, desto stärker die Linke. "Man fühlt sich vielleicht in der demokratischen Mitte wohl, verspürt aber das Bedürfnis, sich von der Rechten abzugrenzen. Dann muss man weiter nach links rücken", meint er.
Sprich, von dem Erstarken der AfD profitiere die Linke, "weil die Abgrenzung in der Mitte nicht mehr ausreichend funktioniert", führt er aus. Schnetzer weist darauf hin, dass sich eine Polarisierung unter den jungen Wählenden abzeichnet, allerdings habe diese vor allem mit "Themen" zu tun.
"Junge Menschen wählen nicht, weil sie das oder jenes schon immer gewählt haben. Sie fragen sich, welche Partei am stärksten auf ihre Sorgen und Probleme schaut", sagt der Jugendforscher.
Maas weist darauf hin, dass Ängste eine zentrale Rolle bei der Wahlentscheidung junger Menschen spielten. "Je ängstlicher die jungen Menschen waren, desto höher war die Chance, dass sie AfD oder die Linkspartei gewählt haben", sagt der Psychologe. Junge Männer haben laut ihm vor allem Angst vor finanziellem Abstieg und Migration – vor allem im Osten, wo fast jeder Dritte die AfD wählte.
Bei den jungen Frauen sind es dagegen Populismus, Rechtsextremismus und der Verlust der Vielfalt. Besonders groß sei die Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten.
Polarisierung und Emotionalisierung dominierten laut Maas den Wahlkampf auf Social Media – und dies fast parteiübergreifend. Lediglich die Grünen hätten versucht, mit Inhalten zu punkten, sagt der Forscher. "Die Grünen haben keinen Gegenpopulismus geführt." Ihre Kernbotschaft – der Klimaschutz – habe jedoch bei jungen Menschen an Relevanz verloren.
Auch die FDP verlor im Vergleich zur vorigen Bundestagswahl bei jungen und Erstwähler:innen stark an Zustimmung. "Sie waren wie die Opposition der Opposition", sagt Maas. "Niemand wusste, wofür sie eigentlich stehen."
Am Ende seien junge Menschen keine Stammwähler:innen, sondern "thementreu", betont Schnetzer. Politikberater Johannes Hillje führt aus, dass die Linke vor allem von jungen Menschen gewählt wurde, die in der Regel keine allzu starke Parteibindung entwickeln.
"Um junge Wähler:innen muss man jedes Mal neu kämpfen", sagt er auf watson-Anfrage. Doch wie gewinnt die demokratische Mitte sie wieder für sich? "Ergebnisse liefern", sagt Schnetzer kurz und knapp.
Laut dem Jugendforscher sind junge Wählende enttäuscht von der Ampel-Regierung. "Sie haben sich nicht gehört gefühlt und sie haben keine Verbesserungen für ihre Probleme wahrgenommen", sagt er.
Jetzt müssen die demokratischen Parteien ihm zufolge junge Menschen ernst nehmen und ihnen ermöglichen, sich an der Politik zu beteiligen. Wichtig seien auch positive und spürbare Veränderungen.
Als Beispiel nennt er die Corona-Pandemie. "Junge Menschen waren hier sogenannte 'Opfer der Entscheidungen'. Sie hatten kein Mitspracherecht bei den Regelungen", sagt Schnetzer. Es habe daher eine Art "Ohnmacht" geherrscht, nicht mitgestalten zu können.
Allgemein glänzen die Parteien der Mitte auch nicht sonderlich mit "Visionen" und "Erfolgsergebnissen", die man feiern könnte, kritisiert er. Was sich junge Menschen wünschen, sei eine Schiene, auf der sie mitfahren können und das Gefühl haben: Ja, hier passiert was.
(Mit Material der dpa)