Es klingt wie ein Traum: 1200 Euro im Monat, ohne dafür etwas tun zu müssen. Immer wieder findet die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens den Weg in die öffentliche Debatte. Seit Juni 2021 läuft ein wissenschaftlicher Versuch – 122 Menschen bekommen das bedingungslose Grundeinkommen drei Jahre lang ausgezahlt.
Die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Max-Planck-Instituts wollen herausfinden, wie sich das Leben der Probanden verändert. Dafür werden die Teilnehmenden regelmäßig befragt. Abgefragt werden zum Beispiel Daten zur Erwerbstätigkeit, zu Arbeitszeit, Überstunden und sozialen Kontakten, aber auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Zudem werden knapp 1400 Personen aus dem ursprünglichen Bewerberfeld als Vergleichsgruppe befragt. Finanziert wird diese Studie durch private Spender.
Das Bündnis "Volksentscheid Grundeinkommen" in Berlin hat andere Pläne: Auch hier ist ein Modellprojekt für das bedingungslose Grundeinkommen angestrebt worden. Die Initiatoren haben 2020 genügend Unterschriften gesammelt, um im Frühling 2021 dem Berliner Parlament einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Die rot-rot-grüne Koalition unter Michael Müller (SPD) hatte allerdings im Sommer 2021 das Modellprojekt gekippt. Müller verwies stattdessen auf das "solidarische Grundeinkommen" für alle Langzeitarbeitslosen, die freiwillig bereit sind, eine Vollzeittätigkeit im sozialen Arbeitsmarkt auszuüben. Eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme also. Dieses Projekt startete 2019 und ist auf fünf Jahre angelegt. Bisher sieht es nicht so aus, als würde das Projekt in eine Verlängerung gehen.
Jetzt wollen die Initiatoren von "Expedition Grundeinkommen" einen zweiten Anlauf starten: Ab dem 6. Mai werden sie und viele Unterstützer Unterschriften sammeln, um einen Volksentscheid auf den Weg zu bringen. Unterstützt wird das Bündnis dabei auch von der Gruppe Klimaneustart Berlin. Diese Gruppe setzt sich für ein klimaneutrales Berlin ab 2030 ein – hierzu wird es im Sommer einen Volksentscheid geben. Perspektivisch möchte das Bündnis "Expedition Grundeinkommen", das auch in anderen deutschen Städten aktiv ist, einen deutschlandweiten Modellversuch starten.
Damit nun aber erstmal die Berlinerinnen und Berliner tatsächlich im Sommer abstimmen können, ob ihre Steuern für das bedingungslose Grundeinkommen verwendet werden sollen, muss die Gruppe bis dahin 175.000 gültige Unterschriften sammeln. "Wir wollen nicht mehr diskutieren, was sein könnte. Wir wollen Fakten", fasst es eine der Initiatorinnen, Laura Brämswig, zusammen.
Gründer*in von "Expedition Grundeinkommen" ist Joy Ponader. Sie selbst kann sich noch sehr genau daran erinnern, wie sie vor vielen Jahren auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens reagiert hat:
Eine solche Gesellschaft zu schaffen, sei bis heute die Grundmotivation für Ponader. Sie möchte einen Paradigmenwechsel – weg von einem System, in dem existenzsichernde Unterstützung mit Zwang und Kontrolle zu tun hat. Und hin zu einem, in dem sich Menschen nicht beweisen müssen. Ponader ist davon überzeugt, dass das bedingungslose Grundeinkommen auch bei der Bewältigung der Klimakrise helfen könnte. "Um solche großen Herausforderungen wie den Klimawandel stemmen zu können, brauchen wir keine Ablenkungen durch den Existenzkampf", sagt die Gründer*in.
Natürlich, sagt Ponader, sei das bedingungslose Grundeinkommen kein Allheilmittel. Aber es könnte mehr Freiheitsgrade schaffen und die Gesellschaft so resilienter gegenüber Krisen machen. Sollte beim Volksbegehren eine Mehrheit für den Volksentscheid stimmen, können die Berlinerinnen und Berliner in diesem für das bedingungslose Grundeinkommen votieren. Sollte das die Mehrheit tun wird das Modellprojekt in jedem Fall eingeführt. Da ist sich Ponader sicher. Denn anders als bei dem Volksentscheid von "Deutsche Wohnen enteignen", sei der Entscheid von "Expedition Grundeinkommen" an einen Gesetzentwurf gekoppelt.
Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte den Enteignungswillen der Berlinerinnen und Berliner übrigens gekippt. Diese hatten aufgrund der hohen Mieten in der Hauptstadt im vergangenen Herbst dafür votiert, das Immobilienunternehmen zu enteignen.
Mit Katja Kipping (Linke) hat die Gruppe nun auch eine Sozialsenatorin als bekennende Grundeinkommensbefürworterin an ihrer Seite. Auf Twitter äußert sich die Politikerin immer wieder positiv gegenüber den Ideen.
Wenig Gegenliebe schlägt dem bedingungslosen Grundeinkommen bisher aus der Bundespolitik entgegen. Ein Gutachten des Finanzministeriums von 2021 ergab beispielsweise:
Die hohe Summe, die das Finanzministerium in seinem Report nennt, hält Ponader für überschätzt. Sie verweist auf andere Berechnungen, die dank der negativen Einkommenssteuer auf sehr viel geringere Milliardenbeträge kommen. "Es handelt sich ja nicht um ein zusätzliches Einkommen, das zu dem Einkommen hinzugerechnet wird, sondern es wächst von unten herein", sagt Ponader. Und ergänzt: "Bedingungsloses Grundeinkommen heißt nicht, dass alle Menschen am Ende 1200 Euro mehr auf dem Konto haben."
Natürlich handele es sich um enorme Geldmengen, die der Staat bewegen müsste. Ponader führt an:
Das Modell der negativen Einkommenssteuer besagt, dass alle Bürger und Bürgerinnen einen steuerlichen Freibetrag zugerechnet bekommen – gibt es kein Einkommen oder Vermögen, wird dieser Betrag ausgezahlt, andernfalls verrechnet. Das Grundeinkommen wird also nur ausgezahlt, wenn es für die Existenzsicherung notwendig ist.
Ob es in Berlin zu einem großflächigen, kommunal finanzierten Modellprojekt kommen wird, werden die nächsten Monate zeigen. Sicher ist, dass 2023 erste Ergebnisse vom spendenfinanziertem deutschlandweiten Modellprojekt erwartet werden können. Auch die könnten die Diskussionen um dieses Sozialmodell weiter befeuern. Denn klar ist auch: Die Forderung wird nicht verstummen.