Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und sein Amtskollege, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wollen wiedergewählt werden.Bild: dpa / Boris Roessler
Analyse
Der Sonntagabend hat das Potenzial, alles zu ändern. Oder aber alles beim Alten zu belassen. Zumindest in zwei Bundesländern.
Am 8. Oktober sind in Bayern und Hessen Landtagswahlen. Im Süden Deutschlands kämpft Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sein Amt 2018 von Horst Seehofer übernommen hatte, gegen ein historisches Tief der CSU an. Dennoch ist Söder auf bestem Weg, Ministerpräsident zu bleiben. Ebenso wie sein Kollege Boris Rhein (CDU) in Hessen.
Nachdem die Unionsparteien 2018 in beiden Bundesländern herbe Rückschläge einstecken mussten, bleibt es in diesem Jahr vor allem hinter den Unionsparteien dennoch spannend. In Hessen liefern sich, mit deutlichem Abstand zur CDU, die SPD, Grüne und AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In Bayern richten sich alle Augen auf die Grünen: Wird Söder seine Ankündigung, nicht mit den Grünen über eine Koalition zu sprechen, doch noch brechen?
Auffällig im Wahlkampf war: Aus allen politischen Spektren waren immer wieder teils harsche Töne beim Thema Migration zu hören.
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Söder und Aiwanger in Bayern: Alles beim Alten oder alles neu?
Die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen hat in Bayern in den vergangenen 30 Jahren wieder zugenommen. Trotzdem gingen mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten 2018 nicht wählen – darunter auch erschreckend viele junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren.
Die Organisation Vote16 will junge Menschen wieder stärker für Politik begeistern – und Wählen auch zu Landtagswahlen in Bayern ab 16 Jahren ermöglichen. Ein Vorschlag, den Ministerpräsident Söder so gar nicht unterstützt. Ebenso wie eine Koalition mit den Grünen.
Die Grünen liegen in aktuellen Umfragen kurz vor der Wahl mit rund 15 Prozent gleichauf mit den Freien Wählern und knapp vor der AfD (rund 14 Prozent). Weiter abgeschlagen die SPD (rund 9 Prozent), der keine Chancen auf eine Koalition mit der CSU zugerechnet werden. Also ist schon alles klar? Macht Söder weiter wie bisher, mit seinem Wirtschaftsminister und Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler)?
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (l.) und sein Vize Hubert Aiwanger: Alles beim Alten oder alles neu?Bild: dpa / Peter Kneffel
Zwischenzeitlich gab es Zweifel. Wir erinnern uns an den Skandal, den sich Aiwanger mit der Flugblatt-Affäre geleistet hatte. Er soll in der elften Klasse ein antisemitisches Flugblatt verfasst und verbreitet haben. Söder bestellte Aiwanger ein – hielt aber dennoch an ihm fest. Eine Koalition mit den Grünen schließt er weiter kategorisch aus.
Dabei wirkte es im TV-Duell am Dienstag anders. Man hätte beinahe meinen können, Söder und der Grünen-Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, verstehen sich gut. Aber eben auch nur beinahe. Zwar dominierte der respektvolle Umgang der beiden Politiker, doch Söders Bilanz bleibt: "Die Grünen wollen das ganze Land bevormunden und setzen auf Verbote."
2013 hat die CSU unter Horst Seehofer noch 47,7 Prozent erreicht und hatte damit die absolute Mehrheit zurückerobert. Unter Söder sah es 2018 ganz anders aus. Rund zehn Prozentpunkte verlor die Partei unter ihm – und musste sich daher die Freien Wähler als Koalitionspartner ins Boot holen. 2023 sieht es nicht viel rosiger für Söder und seine CSU aus. Die Christdemokraten dümpeln kurz vor der Wahl bei rund 36 Prozent.
Was da helfen soll? Das Thema Migration, das in den vergangenen Wochen regelrecht zum Wahlkampfschlager wurde.
Wahlkampfhelfer Migration – wenn sogar die Grünen mitmachen
Söder fordert beispielsweise einen "Deutschlandpakt gegen illegale Migration" und eine "Integrationsgrenze". Heißt für ihn im Detail: kein Geld mehr für abgelehnte Geflüchtete, eine Abschiebung aller Straftäter:innen oder ein Stopp der Sonderaufnahmeprogramme.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz äußerte sich in der Vergangenheit immer wieder deutlich abschätzig über Geflüchtete, nannte sie etwa "Sozialtouristen" oder ihre Kinder "kleine Paschas". Genau deshalb fordert er nun auch eine längere Einschränkung von Sozialleistungen an abgelehnte Geflüchtete. Eigentlich erhalten diese ab 18 Monaten in Deutschland Unterstützung der Krankenkassen. Wenn es nach Merz ginge, sollten Geflüchtete drei Jahre darauf warten müssen.
Auch die Grünen kommentierten Söders Vorstoß zu einer Obergrenze für Geflüchtete. Mehr noch: Bundesvorsitzende Ricarda Lang pflichtete seinem Vorschlag bei. "Um zu verringern, dass immer mehr Menschen ankommen und vor allem auch um die Kommunen wirklich langfristig zu entlasten, brauchen wir jetzt die im Koalitionsvertrag verankerten Migrations- und Rückführungsabkommen (...)", sagte sie vor etwa drei Wochen.
Währenddessen bemühen sich die Sozialdemokrat:innen um Ruhe und fordern eine Mäßigung in der Debatte um Deutschlands Asylpolitik.
Eigentlich fällt die Asylpolitik auch in den Aufgabenbereich der Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) hat sie auch etwas geschafft, an dem viele vor ihr gescheitert sind. Trotzdem vergeht aktuell kaum ein Tag ohne eine Negativ-Berichterstattung über Faeser. Allen voran die "Bild" kritisiert sie schwer.
Die Sozialdemokratin will nun inmitten der Debatte um ihre Asylpolitik zurück nach Hessen. Indes könnte man allerdings meinen, sie hätte das Bundesland schon wieder aufgegeben.
Hessen: Lässt die CDU die SPD mit Faeser doch mitspielen?
Faeser hätte mit ihren Schwerpunkten eigentlich genug Angriffsfläche in Hessen gehabt. Schließlich hat die CDU auch in Hessen 2018 eine beinahe historische Wahlschlappe eingefahren. 27 Prozent holte die Partei von Ministerpräsident Boris Rhein. Zum Vergleich: 15 Jahre zuvor waren es noch fast 48,8 Prozent. Seit 24 Jahren stellt die CDU in Hessen den Regierungschef.
Auf 31 bis 32 Prozent kommen die Christdemokraten kurz vor der Wahl 2023 in Umfragen. Nicht weiter beunruhigend, dümpeln doch SPD, Grüne und AfD weit abgeschlagen zwischen 15,5 Prozent und 16,9 Prozent.
Damit hätte die aktuelle Regierung mit CDU und Grünen weiterhin eine Mehrheit. Auch eine Koalition zwischen CDU und SPD wäre denkbar. Für ein Bündnis der SPD unter der Führung von Faeser mit Grünen und FDP würde es allerdings nicht reichen.
Faeser sagte kürzlich in ihrer Rolle als Bundesinnenministerin: Sie freue sich auf die weitere Zusammenarbeit mit den Abgeordneten. Damit gab sie ihre Ambitionen, Ministerpräsidentin in Hessen zu werden, indirekt schon auf. Und tatsächlich sieht es auch in Hessen nicht so aus, als würde sich an der Unionsherrschaft in diesem Jahr etwas ändern.
Die Prognosen für Sonntag erscheinen daher einigermaßen deutlich: Zwei schwarz-regierte Bundesländer, in denen es zuletzt viele hitzige Debatten gab, sind nicht in Umbruchstimmung. Es dürfte wohl alles so bleiben, wie es ist – vorerst zumindest.
Beben bei der Grünen Jugend: Zahlreiche Mitglieder der Jugendorganisation haben nicht nur ihre Rücktritte aus den Vorständen angekündigt, sondern auch ihren Austritt aus der Partei. Sowohl auf Bundesebene als auch in zahlreichen Landesverbänden.