Rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. So lauten einstige Worte des ehemaligen CSU-Chefs Franz Josef Strauß. Angela Merkel entschärfte diese Worte in einem "FAS"-Interview 2016 dann, indem sie sich Strauß' Wunsch zwar anschloss, aber hinzufügte, dass dieser nicht um jeden Preis zu erfüllen sei.
In letzter Zeit hört man aus den Reihen der Unionsparteien aber eher solche Sätze:
Es wirkt, als rückte die Union selbst immer weiter Richtung Rechtsaußenpartei AfD – oder fischt zumindest sehr deutlich im rechten Spektrum der Wähler:innen-Stimmen. Was ist an diesem Eindruck dran und wie entwickelt sich dieses Spektrum der deutschen Politik in Zukunft?
Anfang September kam es zum wiederholten Mal zu einem Treffen von Teilen der CDU und Teilen der AfD hinter verschlossenen Türen, unter Ausschluss von Journalist:innen. Der Titel: "Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz".
Eine Redakteurin der "FAZ" hat sich dennoch reingeschlichen.
Was sie beobachtete, war ein buntes Gemisch aus Lederhosen, lila Warnwesten und nationalsozialistischen Kriegsliedern à la "Ob’s stürmt oder schneit" mit der Zeile: "Es braust unser Panzer im Sturmwind dahin."
Eingeladen waren unter anderem deutlich rechts einzuordnenden CDU-Mitglieder wie Hans-Georg Maaßen (Ex-Verfassungsschutzpräsident) und Rainer Wendt (ehemaliger Polizeigewerkschafter). Sowie frühere und noch aktive AfD-Politiker:innen, wie Joana Cotar aus dem Bundestag oder Frank-Christian Hansel aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Das Ziel: Ein Austausch ganz ohne Brandmauer zwischen CDU und AfD.
Eine Brandmauer gegen rechts. Das war es, was Friedrich Merz eigentlich bei Amtsantritt versprochen hatte. "Alle Liebäugelei mit diesen Leuten führt uns nur ins Elend. Deshalb ist meine ganz klare Botschaft. Wir machen keine Zusammenarbeit, es gibt keine Übereinstimmung", sagte er damals. Das klingt heute anders.
Politikwissenschaftler Hajo Funke teilt gegenüber watson eine deutliche Einschätzung zum derzeitigen Kurs der Unionsparteien: "Insgesamt eine gefährliche Entwicklung nach weit rechts – zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus."
"Die Tatsache, dass es mehrere geheime Treffen von Mitgliedern der CDU und der AfD gegeben hat, zeigt, dass gegenwärtig die Brandmauer geschliffen wird", bewertet er die Versammlungen von Teilen der CDU und AfD.
Und Funke wird in Bezug auf Thüringen noch deutlicher. Dort hat die CDU kürzlich mit den Stimmen von FDP und AfD durchgesetzt, dass die Grunderwerbssteuer von 6,5 auf 5 Prozent gesenkt wird. Für Funke ist die Sache klar: Der thüringische CDU-Fraktionschef Mario Voigt setze die Minderheitsregierung mithilfe der AfD systematisch unter Druck. "Es zeigt, dass von einer Brandmauer nicht mehr geredet werden kann."
Vor allem Merz sei laut Funke ein Ausdruck der Rechtsrucks der Partei: "Die rechtspopulistischen Töne des in der Partei kaum anerkannten Friedrich Merz zeigen die rechtspopulistische Verengung der gegenwärtigen CDU-Spitze."
Man könnte meinen, die CDU wolle der AfD Stimmen streitig machen. Indem sie selbst immer wieder rechts einzuordnende Äußerungen von sich gibt und im Gesamten weiter nach rechts rückt, wenn man nach Funkes Einschätzung geht.
Das Problem, das der Politikwissenschaftler darin jedoch auch sieht: Die CDU könne nicht von den Defiziten der anderen demokratischen politischen Parteien profitieren. "Und genau darin besteht die größte Gefahr für die Demokratie seit 1949." Der Aufschwung der AfD sei mit dieser Strategie nicht aufzuhalten, urteilt Funke.
Der Aufschwung der Rechtsaußenpartei zeichnet sich in den Wahlumfragen ab. 23 Prozent Zuspruch erhält die AfD Ende September bundesweit. 30 Prozent im Osten Deutschlands.
Funke prognostiziert, dass sich dieser Aufschwung in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Dann "haben wir in einem Jahr die Gefahr, dass die Rechteste Formation innerhalb der AfD – die in Thüringen – die absolute Mehrheit der Mandate erhält, und ähnliche Erfolge in Sachsen und Brandenburg einfahren könnte", vermutet er.
Der Experte warnt: "Mit einer oder drei Landesregierungen unter der Dominanz der AfD werden wir die Republik nicht wiedererkennen." Zudem sei die Entschiedenheit der AfD um ein Vielfaches größer, als die von ähnlichen Parteien in Westeuropa, wie etwa in Frankreich oder Italien.
Funke macht den Aufschwung der Rechtsaußenpartei unter anderem daran fest, dass die Demokratie in Deutschland wegen einer aktuellen gesellschaftlichen Fünffachkrise selbst in der Krise stecke. Nämlich wegen der Rezession, einer sozialen Schieflage, dem Krieg gegen die Ukraine und seine Wirkungen, Migration und dem Verlust der Glaubwürdigkeit der etablierten demokratischen Parteien.
Nur noch wenige hätten Vertrauen in die Wirksamkeit und Effizienz des politischen Handelns.
Funkes Appell an die Regierung: Es sei geboten, "dass der sonst nötige Konkurrenzstreit zwischen den demokratischen Parteien zurückgefahren wird. Zugunsten eines gemeinsamen kooperativen Zusammenwirkens zur Lösung der brennendsten Probleme. Statt sich im oft narzisstischen Geplänkel etwa in den Ampelparteien die Regierungsfähigkeit und gleich auch noch ein Stück weit die Demokratie zu zerstören."