Gewalt, Hunger und Armut überschatten den Alltag der Menschen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK). Es ist ein Land, das nicht zur Ruhe kommt. Nun breitet sich erneut das Mpox-Virus in dem zentralafrikanischen Staat aus, in dem es bereits an medizinischer Versorgung mangelt.
Kopfschmerzen, Fieber, Hautausschlag: Über diese Symptome klagen Menschen in den überfüllten Flüchtlingslagern. Ein Ort, wo sich das Mpox-Virus besonders wohlfühlt. Denn normalerweise gilt es nicht als sonderlich ansteckend.
Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist laut des Gesundheitsministeriums selten und nur bei engem Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder über den Kontakt mit den typischen Hautveränderungen, etwa Bläschen oder Schorf, der Mpox-Infizierten möglich. Auch Tröpfcheninfektionen können vorkommen.
Die Lager für Geflüchtete im Kongo bieten daher einen fruchtbaren Nährboden für Mpox. Armut und fehlende medizinische Versorgung begünstigen die Ansteckung zusätzlich. Das Virus breite sich rasant aus, warnt Gabriele Rossi von der Nichtregierungsorganisation "Medair".
"Die Geschwindigkeit, mit der sich das Mpox-Virus 2024 in der DR Kongo ausbreitet, gibt Anlass zu großer Sorge", sagt Rossi auf watson-Anfrage. Als leitender Oberarzt von "Medair" im Kongo zeigt er sich beunruhigt über die Lage vor Ort.
Die ersten Mpox-Fälle sind laut ihm im September 2023 aufgetreten. Neben dem klassischen Klade Ia trete das neue Klade Ib Mpox-Virus auf, das eine höhere Sterblichkeitsrate aufweist. "Es kommt zu einer Übertragung von Mensch zu Mensch, und die am stärksten betroffene Altersgruppe in der DR Kongo sind bisher Kinder unter 15 Jahren", berichtet er.
Zum Hintergrund: Bekannt sind zwei unterschiedliche Virusgruppen (Kladen). Bei Klade I (ursprünglich zentralafrikanische Klade) wird zwischen Virusvariante Ia und Ib unterschieden, ebenso bei Klade II (ursprünglich westafrikanische Klade, IIa und IIb). Schwere Verläufe kommen häufiger bei Klade I vor.
Vor allem Neugeborene, Kinder, Schwangere, alte Menschen und Menschen mit Immunschwächen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, teilt das Gesundheitsministerium mit.
Fälle unter Erwachsenen, die älter als 40 Jahre sind, seien nach wie vor selten, was möglicherweise auf die Restimmunität durch die Pockenimpfkampagnen der 1960er- bis 70er-Jahre zurückzuführen sei, meint der Arzt.
Mehr als 68 Prozent der Mpox-Verdachtsfälle und 85 Prozent der Todesfälle sind im Kongo auf Menschen unter 15 Jahren zurückzuführen (Stand 30. Juli). Das geht aus dem Bericht des "Africa Centres for Disease Control and Prevention" (CDC) hervor. Insgesamt wurden im Kongo 2024 bisher mehr als 16.000 Infektionen und 500 Todesfälle gemeldet.
Rossi sei zuletzt im Juli für drei Wochen im Kongo gewesen, stehe aber auch im ständigen Dialog mit seinen Kolleg:innen vor Ort. Die NGO "Medair" arbeite seit vielen Jahren im Kongo, denn das Land sei ständig von Konflikten, Katastrophen und Krankheitsausbrüchen betroffen, sagt er.
"Seit über 25 Jahren befindet sich der Kongo im Ausnahmezustand", schreibt "Medair" in einer Pressemitteilung. Krise folgt auf Krise. Bewaffnete Konflikte, Dürren, Überschwemmungen und Krankheitsausbrüche wie aktuell durch das Mpox-Virus sorgen dafür, dass in einem an Bodenschätzen überreichen Land eine der größten humanitären Krise der Welt herrsche.
Laut ZDF befinden sich etwa 5,5 Millionen Menschen im Osten des Landes auf der Flucht. Der Grund: Dutzende Rebellengruppen kämpfen um Macht und Rohstoffe. Vor allem Kinder und Frauen suchen Zuflucht in den überfüllten Lagern.
Wie in der Stadt Goma.
"Seit Mitte Juni haben wir in dem Gebiet, in dem wir arbeiten – rund um Goma – Menschen mit Mpox-Infektionen gesehen", sagt Rossi. In den überfüllten Lagern seien die hygienischen Bedingungen schlecht. Bislang wurden laut ihm mehr als 300 Patient:innen mit Verdacht auf eine Mpox-Infektion behandelt.
"Auch hier sind 70 Prozent der Patienten Kinder im Alter von weniger als 10 Jahren", sagt er. Aber bislang habe es keine Todesfälle gegeben.
Der Arzt führt aus, dass es keine spezifische Behandlung für Mpox-Infektionen gebe, "aber die schweren oder sehr schweren Fälle werden in einem Behandlungszentrum aufgenommen, das 'Medair' im Munigi Referral Hospital am Stadtrand von Goma errichtet hat".
Dort stehen mehr als 50 Betten zur Verfügung, um infizierte Patient:innen medizinisch zu behandeln. Betroffene mit leichten oder mittelschweren Fällen werden nach der ambulanten Erstbehandlung wieder nach Hause entlassen.
Zusätzlich leiste man Aufklärungsarbeit, verteile etwa Hygiene-Kits, um die Mpox-Übertragung einzudämmen. Doch das Virus breitet sich so rasant aus, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine starke Ausbruchswelle erwartet.
Besonders betroffen sei mit knapp 17.800 Fällen die DR Kongo. Die WHO sieht die Entwicklung in Zentralafrika mittlerweile als "Notlage von internationaler Tragweite" an.
Die WHO wolle damit eine koordinierte internationale Reaktion einleiten, um die Ausbreitung der Krankheit zu stoppen, meint Rossi. Zu den unmittelbaren Erfordernissen gehören, etwa:
Derzeit empfehle die WHO zwei Impfstoffe. Diese seien heute in den Industrieländern aus den vorhandenen Vorräten leicht erhältlich, sagt Rossi. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese einkommensstarken Länder diejenigen unterstützen, die an der Eindämmung der Notlage in Afrika und insbesondere in der DR Kongo arbeiten", fordert der Arzt.
Sprich, der Mpox-Ausbruch erfordert internationale Zusammenarbeit. Die USA und auch Deutschland haben angekündigt, Impfstoff aus ihren Beständen in die DR Kongo zu schicken.
In Afrika wurden laut Rossi Fälle aus der Zentralafrikanischen Republik, Ruanda, Burundi, Uganda und Kenia gemeldet. Auch in Schweden und Pakistan gibt es "importierte Fälle". Thailand meldet den ersten Fall der gefährlichen Klade Ib Variante.
Das Virus breitet sich bereits weiter aus.
Ob und wie stark sich das Virus in Europa ausbreitet, ist laut Rossi schwer vorherzusagen. Expert:innen warnen, dass wahrscheinlich weitere Länder Mpox-Fälle melden werden.
Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) beobachtet die Situation sehr genau und passt seine Einschätzung dem aktuellen Kenntnisstand an. Derzeit geht das RKI nicht von einer erhöhten Gefährdung durch die Klade-I-Viren in Deutschland aus.
Bislang sind in Deutschland ausschließlich Mpox-Infektionen mit Klade IIb nachgewiesen worden. Eine Gefährdung durch diesen Erreger für die Gesundheit der breiten Bevölkerung schätze das RKI derzeit als gering ein (Stand 15. August).
Eine Pandemie wie mit Corona drohe kaum, entwarnt Molekularbiologe Ingo Drexler gegenüber dem ZDF.
Aktuelle Informationen zur Mpox-Lage sind hier abrufbar.