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Österreich-Wahl: Acht brisante Fakten über FPÖ-Chef Herbert Kickl

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Herbert Kickl könnte der neue Kanzler Österreichs werden.Bild: Imago images / Alex Halada
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Österreich-Wahl: Skandale und Fakten über FPÖ-Chef Herbert Kickl

Lena Stein
Lena Stein
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Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Nationalrat und zum ersten Mal könnte die rechtspopulistische FPÖ als stärkste Kraft ins Parlament gewählt werden. Ihr Partei-Chef Herbert Kickl könnte dann der neue Kanzler werden – vorausgesetzt, dass er andere Koalitionspartner findet.
28.09.2024, 13:0428.09.2024, 13:06

In den Umfragen steht die FPÖ mit rund 27 Prozent – und damit zwei Prozent vor der konservativen ÖVP an vorderster Stelle. Und das, obwohl die FPÖ in viele Skandale der vergangenen Jahre verwickelt ist: etwa die Ibiza-Affäre um den ehemaligen Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache, die Kontroversen um den österreichischen Nachrichtendienst BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) oder die Spionage-Affäre (zwei Verfassungsschützer sollen jahrelang für Russland spioniert haben).

Mit Herbert Kickl gelang der FPÖ ein neuer Aufschwung. Aber was macht den 55-Jährigen so besonders? Und welche Rolle spielte er in den Skandalen? Acht brisante Fakten über den FPÖ-Parteichef.

BVT-Skandal und Russlandnähe

2018 kam es in Kickls Zeit als Innenminister zu einer (später als rechtswidrig eingestuften) Razzia im österreichischen Bundesministerium für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Nachdem zuvor ein Brief mit Anschuldigungen über veruntreute Gelder und sexuelle Übergriffe an die Öffentlichkeit geraten war, veranlasste Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber diese Durchsuchung.

FPÖ, ÖVP und IBÖ im Überblick
Die FPÖ ist die rechtspopulistische "Freiheitliche Partei Österreichs". Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) vertritt christlich-demokratische, konservative Ansichten. Bei der "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ) handelt es sich um eine rechtsextreme Jugendorganisation.

Die Anschuldigungen im Brief hatten sich bereits zuvor als unhaltbar oder längst vergangen herausgestellt.

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Herbert Kickl (l.) mit Generalsekretär Peter Goldgruber bei einer Parlaments-Sondersitzung.Bild: imago images / Eibner Europa

Bei der Durchsuchung wurden scheinbar wahllos Dokumente und Datenträger beschlagnahmt, von denen auffällig viele aus dem Extremismus-Ressort stammten. Dort werden unter anderem auch die Verbindungen der FPÖ zum rechten Milieu beobachtet.

Andere Geheimdienste zeigten sich schockiert darüber, dass sensible Daten vom österreichischen Verfassungsschutz nach außen gelangen konnten und beendeten die Zusammenarbeit mit Österreich.

Kickl wurden infolgedessen von der Opposition schwere Vorwürfe gemacht. Seine genaue Motivation und Rolle sind allerdings unbekannt.

Beziehungen zum rechtsextremen Milleu

Kickl und die FPÖ können und wollen sich offenbar nicht von der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung (IBÖ) distanzieren. Ganz im Gegenteil bezeichnete der Parteichef die IBÖ wohlwollend als "NGO für rechts".

Außerdem trat Kickl 2016 bei dem rechten bis rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas" als Gastredner auf. Ein anderer Redner dort war beispielsweise Jürgen Elsässer, der Herausgeber des kürzlich verbotenen Magazins Compact.

Auftritt bei Corona-Impfgegnern

Kickl hatte in der Corona-Pandemie eine besondere Rolle: Er empfahl im November 2021 das Pferde-Entwurmungsmittel Ivermectin anstelle einer offiziellen Impfung gegen Covid-19. Die Folgen waren fatal: Obwohl mehrere Gesundheitsbehörden vor der Einnahme des Medikaments warnten, war es kurz darauf in einigen Apotheken ausverkauft.

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Kickl redet auf einer Demonstration gegen den Impfzwang.Bild: imago images / Michael Kristen

Es kam zu einigen Vergiftungsfällen in Österreich, weil einige Menschen die vorgeschlagene Dosis für Pferde einnahmen.

Seine Wortwahl erinnert an NS-Propaganda

Kickl nennt sich in offziellen Mitteilungen der FPÖ im aktuellen Wahlkampf selbst den "künftigen Volkskanzler" – so wie sich bereits Hitler in den 30er Jahren nannte. Auch wenn Kickl selbst bestreitet, dass er damit auf Nazis anspielt, sendet er damit ein klares Zeichen nach rechts.

1. Mai-Kundgebung der FPÖ 2024, mit Herbert Kickl, Manfred Haimbuchner und Harald Vilimsky am Urfahraner Jahrmarkt in Linz, am 01.05.2024. Das Bild zeigt einen Sticker als Reklame für den Bundesobmann ...
Auf einem Anstecker steht der NS-Begriff.Bild: Imago images / Rudolf Gigler

Auch als Wolodymyr Selenskyj im österreichischen Parlament auftrat, sorgte Kickl für Aufsehen. Er hatte die anderen Fraktionen vor der Rede des ukrainischen Präsidenten gewarnt, "zu einer gefährlichen und undifferenzierten Endsiegrhetorik" beizutragen. Vom Endsieg sprachen zuletzt die Nationalsozialist:innen im Zweiten Weltkrieg.

Der Sprücheschreiber von Jörg Haider

Mitte der 90er Jahre arbeitete Kickl im Gebiet der Wahlkampfinhalte und Wahlkampforganisation eng mit dem Wahlkampfmanager von Jörg Haider, seinem damals großem Vorbild in der FPÖ, zusammen. Schon als "Gag"-Schreiber für Haider, der die FPÖ in den 80er Jahren groß machte, steuerte Kickl polarisierende Sprüche bei.

So prägte er den Begriff des "Westentaschen-Napoleon" und provozierte beispielsweise den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant mit der Frage: "Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben?"

Im Wahlkampf für Heinz-Christian Strache, seinem Vorgänger in der FPÖ, schrieb er 2010 den rechtspopulistischen Slogan "Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemandem gut". Das Plakat war vielerorts in Österreich zu sehen.

Spionage-Affäre und Russland-Nähe

Die FPÖ unterschrieb 2016 einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei "Einiges Russland" und pflegt enge Beziehungen zum Kremlchef Wladimir Putin und seiner Partei. Der Freundschaftsvertrag soll laut der FPÖ aber nie realisiert worden sein.

Anfang dieses Jahres forderte Kickl, dass man "das Verhältnis zu Russland normalisieren" müsste und sprach sich gegen Sanktionen gegenüber Russland aus.

Dann wurden Ende März die Spionage-Vorwürfe gegenüber dem ehemaligen BVT-Mitarbeiter Egisto Ott laut: Dieser soll dem abgetauchten Wirecard-Manager Jan Marsalek Informationen für Russland zugespielt haben.

Und zwar in Kickls Zeit als Innenminister. Es ist unklar, inwieweit die FPÖ und Kickl in die Spionage-Affäre verwickelt sind. Kickl distanzierte sich daraufhin zumindest öffentlich von Russland.

Mitbegründer der Patrioten für Europa

- Wien 30.06.2024 - Heute empfing der FPÖ-Chef im Wiener Intercontinental Hotel den ungarischen Ministerpräsidenten den tschechischen Ex-Premier in Wien. Die drei haben gemeinsam mit dem FPÖ-Delegatio ...
Patriots for Europe: Andrej Babis (l.), Viktor Orbán (m.) und Herbert Kickl gründen Rechtsaußen-Fraktion.Bild: Imago images / photonews.at

Zusammen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán gab Kickl Anfang Juli bekannt, eine neue Rechtsaußen-Fraktion mit dem Namen Patriots for Europe im Europaparlament zu gründen.

Zu den "Patrioten für Europa" gehören insgesamt 84 Abgeordnete nationalistischer bis rechtsradikaler Parteien aus zwölf Ländern. Die Fraktion steht gegen illegale Migration und die Klimaschutzmaßnahmen der EU, möchte die "traditionelle Familie" erhalten und den Krieg zwischen Ukraine und Russland beenden.

Er verlor vor fünf Jahren sein Ministeramt

2019 wurde ein Aufsehen erregendes Video, das den damaligen FPÖ-Parteiobermann Heinz-Christian Strache im Juli 2017 in einer Villa auf Ibiza zeigte, veröffentlicht. Strache redete sich in einer vermeintlich privaten Situation um Kopf und Kragen. Er sprach unter anderem darüber, dass Parteispenden am Rechnungshof vorbei geführt wurden. Die österreichische Regierung versank daraufhin im Chaos.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Videos war Kickl noch der FPÖ-Generalsekretär, bei Bekanntwerden der Innenminister. Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen schlug daraufhin die Entlassung Kickls als Innenminister vor. Im Mai 2019 verlor er als erster Bundesminister in der Zweiten Republik sein Amt.

Vom Woidke-Faktor bis zur Kanzlerfrage: Die fünf Lehren aus der Brandenburg-Wahl

Am Sonntag haben Brandenburgs Bürger:innen für ihren neuen Landtag gestimmt. 2,1 Millionen Menschen waren aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben – darunter etwa 100.000 Erstwähler:innen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 73 Prozent und war damit so hoch wie nie seit 1990.

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