Trump und der Planet. Eine schwierige Beziehung.watson-montage
Analyse
Chaos-Tage im Weißen Haus – wie 2 Jahre Trump die Welt verändert haben
20.01.2019, 09:2620.01.2019, 10:00
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Auf den Tag genau zwei Jahre ist es her: Donald Trump wurde am 20. Januar 2017 als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt.
Und zwei Jahre später?
Chaos-Tage im Weißen Haus.
Das Land ist gespalten, die Stimmung in Washington denkbar schlecht. Donald Trump steht vor wenigen Tagen auf
dem verschneiten Hubschrauberlandeplatz am Weißen Haus vor
Journalisten, eine Reporterin fragt den Präsidenten der USA: "Haben
Sie jemals für Russland gearbeitet?" Dass eine solche Frage überhaupt
gestellt wird, dass Trump sich zu einem empörten Dementi genötigt
sieht, das alles sagt viel über die ersten zwei Jahre dieser
Präsidentschaft aus. Am Sonntag ist Halbzeit für Trumps Amtsperiode,
die von Chaos, Skandalen und einer Außenpolitik der Abrissbirne
gezeichnet ist. In der zweiten Halbzeit könnte der Ritt erst so
richtig losgehen.
Bild: AP
Trump schlägt umso mehr um sich, je stärker er sich in die Ecke
gedrängt fühlt – und der Druck auf ihn wird zunehmen. Bei den
Russland-Untersuchungen wühlt FBI-Sonderermittler Robert Mueller
weiter in Trumps womöglich nicht ganz lupenreiner Vergangenheit. Wie
ein Damoklesschwert schwebt ein drohendes Amtsenthebungsverfahren
über Trump. Das Verfahren hätte nach derzeitigem Stand zwar keine
Aussicht auf Erfolg, aber wer weiß, was Mueller zu Tage fördert.
Nicht nur von Muellers Seite aus droht Trump Ungemach
Die
Mehrheitsverhältnisse in Washington haben sich geändert, seit
Jahresbeginn kontrollieren die oppositionellen Demokraten das
Repräsentantenhaus. Sie laufen sich warm dafür, Trump in seiner
zweiten Halbzeit mit eigenen Untersuchungen zu überziehen. So dürften
sie etwa versuchen, sich Trumps Steuererklärungen zu beschaffen, die
frühere Präsidenten freiwillig veröffentlicht haben. Trump verweigert
das mit der Begründung, die Erklärungen seien "extrem kompliziert".
Für Trump ist mit den neuen Verhältnissen nach der Kongresswahl
auch ein Luxus aus der ersten Halbzeit Geschichte: Dass seine
Republikaner beide Kammern des US-Parlaments kontrollieren, er also
bislang für viele Vorhaben gar nicht auf Stimmen der Demokraten
angewiesen war. Nicht nur persönlich, auch politisch wird es für den
Präsidenten ungemütlicher werden. Bei Gesetzesvorhaben ist er auf
Kompromisse mit den Demokraten angewiesen – und Kompromisse sind
nicht Trumps Stärke.
Vor der zweiten Halbzeit wird allerdings erst einmal Bilanz gezogen, und ein Urteil fällt auf jeden Fall rundum positiv aus: das von Trump über Trump.
"Keine Regierung hat in den ersten zwei Jahren
mehr getan als die Trump-Regierung", hat er im vergangenen Monat
gesagt und in ähnlicher Form dutzendfach behauptet. Dieses Eigenlob
gehört zu den 7645 falschen oder irreführenden Behauptungen Trumps,
die die "Fact Checker" der "Washington Post" zwischen der
Amtseinführung des Präsidenten und dem Ende des vergangenen Jahres
gezählt haben.
Trumps Verständnis von Wahrheit:
Es ist eine irre Zahl, im Schnitt gab Trump im abgelaufenen Jahr durchschnittlich mehr als 15 solcher Äußerungen pro Tag von sich – nach Zählung der "Washington Post" fast dreimal so viele wie noch 2017. Die Kurve in der Statistik weist seit Beginn der Zählung stetig nach oben, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Trend gebrochen würde. Das heißt nicht unbedingt, dass Trump bewusst lügt. Oft scheint es, als würde er sich einfach nicht um Details scheren.
Alarmierend ist auf jeden Fall, dass Angaben des Präsidenten der
Vereinigten Staaten prinzipiell erst einmal nicht zu trauen ist.
Alarmierend ist auch, dass Trumps Präsidentschaft die Amerikaner so
polarisiert hat, dass in einer zentralen Frage häufig kein Konsens
mehr herrscht: Was wahr ist und was nicht. Nach einer Umfrage der
Universität Quinnipiac vom vergangenen Juli vertrauen unter den
Anhängern von Trumps Republikanern 75 Prozent darauf, dass bei
wichtigen Themen eher Trump die Wahrheit sagt als die Medien.
Dass Trumps Eigenlob einer Überprüfung nicht standhält, bedeutet
nicht, dass seine Regierung keines seiner Ziele erreicht hätte: Der
Präsident hat eine Steuer- und eine Strafrechtsreform durchgebracht.
Trotz des Handelskriegs, den Trump mit China vom Zaun gebrochen hat,
brummt die US-Wirtschaft, die Arbeitslosenzahlen sind niedrig. Trump
hat nicht nur zwei Supreme-Court-Richter ernannt, sondern auch mehr
als 80 weitere Bundesrichter – alle auf Lebenszeit. Das könnte die
US-Justiz auf Jahrzehnte konservativ prägen.
Auch die republikanische Partei hat Trump auf Linie gebracht, auf wichtigen Posten sind seine Kritiker von seinen Fans ersetzt worden.
Dabei verstößt Trumps Politik oft gegen republikanische Prinzipien.
Ein Beispiel: Traditionell steht die Partei für Haushaltsdisziplin,
und Trump versprach im Wahlkampf, er werde die damals mehr als 19
Billionen Dollar Staatsschulden der USA binnen acht Jahren tilgen.
Stattdessen stiegen die Schulden in Trumps erster Halbzeit auf die
sagenhafte Summe von fast 22 Billionen Dollar an.
Trumps erstaunlichster Erfolg als Politiker dürfte allerdings
dieser sein: Dass der Milliardär vor allem weißen Angehörigen der
unteren Mittelschicht weismachen konnte, einer von ihnen zu sein. Der
Sender CNN nennt das "den größten Trick, den Donald Trump jemals
abgezogen hat". Als Trump kürzlich beim längsten "Shutdown" der
Geschichte auf die Lage der vielen Bundesangestellten angesprochen
wurde, deren Gehalt wegen des teilweisen Regierungsstillstands nicht
bezahlt wurde, sagte er allen Ernstes: "Ich kann das nachvollziehen."
Trumps Anhänger sind oft christlich, puritanisch und konservativ.
Dennoch vergeben sie Trump Dinge, bei denen sich ihnen eigentlich die
Nackenhaare aufstellen müssten: zum Beispiel Schweigegeldzahlungen an
den Pornostar Stormy Daniels sowie an das ehemalige Playmate Karen
McDougal im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Beide Frauen behaupten,
eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, er dementiert.
Ohne Konsequenz blieben auch frühere Äußerungen Trumps, deren
Aufzeichnungen im Wahlkampf auftauchten und nach denen er Frauen
ungefragt ans Geschlechtsteil fasste. Bei Trumps Vorgänger Barack
Obama wurde kritisch beäugt, wenn er nur die Füße hochlegte. Eine
Überschrift aus der konservativen "Washington Times" vom 4. September
2013 lautete: "Obamas Fuß auf dem Schreibtisch des Oval Office sendet
Schockwellen um die Welt". Seit Trump im Oval Office sitzt, haben
sich die Maßstäbe dafür, was ein Skandal ist, dramatisch verschoben.
Trumps Verhalten ist gelegentlich so unfassbar, dass der
amerikanische Bestseller-Autor Matthew Quirk urteilte, in einem
Politthriller würde ihm kein Verlag einen solchen Plot abkaufen. "Für
einen Roman ist das alles völlig übertrieben", schrieb Quirk auf der
Nachrichtenseite Vox. "Wenn die Realität gänzlich unglaubwürdig wird,
was bleibt dann noch für einen Autor zu tun?"
Auch Trumps befremdliches Anbiedern an den russischen Präsidenten
Wladimir Putin und an den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un
prallt an vielen seiner Anhänger ab. Das gilt ebenso für den
Verdacht, dass es geheime Absprachen zwischen dem Trump-Lager und
Vertretern Russlands im Wahlkampf 2016 gegeben haben könnte, was
Mueller bei seinen Ermittlungen prüft – und was Trump dementiert.
Bild: AP
Dass Russland sich in den Wahlkampf eingemischt hat, davon sind
US-Sicherheitsbehörden überzeugt. Trump äußerte daran im vergangenen
Jahr dennoch Zweifel – ausgerechnet bei einer Pressekonferenz mit
Putin, der sich ins Fäustchen gelacht haben dürfte.
Während Putin und Kim die Präsidentschaft Trumps zupass kommt,
gilt das weniger für traditionelle Verbündete der USA.
Trump hat die alte Weltordnung auf den Kopf gestellt.
Regelmäßig brüskiert er
Nato-Partner, besonders Deutschland – das wichtigste EU-Land – ist
ins Visier geraten. Die "New York Times" berichtete vor wenigen Tagen
unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, im vergangenen Jahr habe
Trump mehrfach einen Austritt der USA aus der Nato ins Spiel gebracht
– ein Schritt, der das 70 Jahre alte Bündnis zerstören könnte.
Wie sehr Trump zum Erstarken rechter Populisten in Europa und von
Autokraten anderswo beigetragen hat, ist nicht messbar. Seine
Versuche, Regeln und Gepflogenheiten auszuhebeln, die unverbrüchlich
schienen, dürfte ihnen aber als Inspiration dienen. Ex-Außenminister
Rex Tillerson, der im März entlassen wurde, sagte vor kurzem, er habe
auf Trumps Vorhaben oft antworten müssen: "Herr Präsident, ich
verstehe, was Sie tun wollen, aber Sie können das so nicht tun. Das
verstößt gegen das Gesetz, das verstößt gegen Abkommen."
Tillerson nannte Trump "einen Mann, der ziemlich undiszipliniert
ist, nicht gerne liest, keine Berichte liest, bei vielen Dingen nicht
ins Detail gehen will, sondern gewissermaßen eher sagt: "Das ist, was
ich glaube"." Das ähnelt Beschreibungen in Enthüllungsbüchern wie dem
von Star-Reporter Bob Woodward. Dort wird ein Bild von Trump als
ahnungslosem Regierungschef gezeichnet, das Weiße Haus wird als
"Crazytown" beschrieben – als ein Hort des Chaos.
Trumps Antwort auf die Aussagen seines früheren Außenministers –
der zu Dutzenden unfreiwilligen und freiwilligen Abgängen aus der
Regierung gehört – ließ nicht lange auf sich warten: "Rex Tillerson
hatte nicht die nötige geistige Leistungsfähigkeit, er war strohdumm
und ich konnte ihn nicht schnell genug loswerden", schrieb Trump auf
seinem Lieblingsmedium Twitter. Auch das gehört zum Politikstil
Trumps: unter der Gürtellinie auszuteilen.
Die "New York Times" zählt mehr als 550 "Menschen, Orte und
Dinge", die Trump seit seiner Präsidentschaftskandidatur bislang
beleidigt hat. Besonders oft zum Ziel werden Medien, die kritisch
über ihn berichten: Sie verunglimpft Trump als "Feinde des Volkes".
Dass der US-Präsident die freie Presse derart angreift, könnten
Autokraten in anderen Staaten als Freibrief verstehen, gegen
unliebsame Journalisten vorzugehen. Umso mehr gilt das, seit Trump
der Ermordung des "Washington Post"-Kolumnisten Jamal Kashoggi im
Oktober keine Konsequenzen für das Königshaus in Saudi-Arabien folgen
ließ.
Die oppositionellen Demokraten in den USA wettern gegen Trumps
Chaos-Politik, ein Herausforderer hat sich in Trumps erster Halbzeit
aber nicht herauskristallisiert. Am Sonntag wird die Trump-Show in
die zweite Hälfte gehen, und womöglich steht danach sogar eine
Verlängerung an, wenn das Publikum – der amerikanische Wähler – das
so entscheidet. Showmaster Trump hat schon angekündigt, dass er sich
2020 der Wiederwahl stellen will – und zumindest am Wahrheitsgehalt
dieser Aussage des US-Präsidenten zweifelt bislang niemand.
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