Russland mit "Löchern" in der Verteidigung – Experte ist vom Kreml irritiert
Laut dem ukrainischen Geheimdienst SBU führte die Ukraine allein im Jahr 2025 fast 160 erfolgreiche Angriffe auf russische Ölraffinerien und Förderanlagen durch – mit Drohnen und gelegentlich auch Raketen.
Die Folgen: Treibstoffknappheit und ein Rückgang der Raffineriekapazität um 37 Prozent. "Das sind legitime militärische Ziele. Die Ölindustrie macht etwa 90 Prozent des russischen Verteidigungsbudgets aus", erklärte SBU-Chef Vasyl Maliuk am 31. Oktober.
Auch die Bevölkerung merkt die Folgen: Tankstellen in Russland sind häufig ohne Benzin, der Preis für Verbraucher:innen steigt stark an.
Doch möglich waren diese Erfolge überhaupt erst, weil die russische Luftabwehr zu schwächeln begann. Der Kreml reagierte mit fragwürdigen Aktionen – doch auch wenn die Verteidigungsschwäche anhält, hat die Ukraine ein entscheidendes Problem.
Russland mit "vielen Löchern" in der Luftverteidigung
Obwohl Russland oft als zweitstärkste Militärmacht der Welt nach den USA eingestuft wird, haben Korruption, jahrelange Kriege, Truppenverlagerungen und die ständigen ukrainischen Angriffe die Fronttruppen geschwächt und die Luftverteidigung des Landes stark beansprucht, wie Expert:innen laut dem Portal "Kyiv Independent" berichten.
Sascha Bruchmann, Militärexperte am International Institute for Strategic Studies in London, erklärte gegenüber dem Portal:
George Barros vom Institute for the Study of War (ISW) ergänzte, dass Russland seine Luftabwehr vor allem auf die ukrainische Front und einige strategische Regionen konzentriere. "Sobald man diese erste Abwehrlinie durchbricht, gibt es im Rest Russlands Schwachstellen und Lücken", sagte er gegenüber "Kyiv Independent".
Die Ukraine hat diese Lücken inzwischen mehrfach ausgenutzt. Barros zufolge habe etwa einer der eindrucksvollsten Angriffe im April auf eine Drohnenfabrik in Tatarstan, mehr als 1000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, die russische Schwäche bei Langstreckenangriffen offengelegt.
Kreml-Strategie mit Venezuela löst Irritationen aus
Die zunehmenden Luftangriffe der Ukraine setzen den Kreml unter Druck. Vor diesem Hintergrund zeigen sich Expert:innen irritiert darüber, dass Russland in dieser schwierigen Lage Verteidigungssysteme an Venezuela senden soll.
Nach vermehrten US-Angriffen auf Schiffe vor Venezuela, die angeblich Drogen in die USA schmuggeln, flammte in den vergangenen Monaten ein Streit zwischen der venezolanischen Führung und der US-Regierung auf. Der Kreml scheint den sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro symbolisch gegen den gemeinsamen Feind USA unterstützen zu wollen.
Gleichzeitig beschreibt etwa Politikwissenschaftler und Blogger William Spaniel auf seinem Youtube-Kanal die russischen Sendungen von Luftverteidigungssystemen als "völlig bizarr". Russland brauche die Systeme selbst, um Angriffe im Inneren zu verhindern.
Spaniel vermutet, dass der Kreml die Gefahr ukrainischer Angriffe entweder unterschätzt oder die Reaktion der eigenen Bevölkerung einfach nicht fürchtet und deshalb weiter seine außenpolitische Agenda gegenüber der innenpolitischen priorisiert.
Präsident Wladimir Putin scheint lediglich auf symbolische Taktiken zu setzen, etwa auf den Einsatz mobiler Luftabwehreinheiten, die aus Soldaten mit auf Lastwagen montierten Maschinengewehren bestehen – ein Konzept, das bereits Spott auf sich zog.
Ein Foto, das zwei russische Soldaten neben einem Pickup mit Flugabwehrgeschütz vor dem Kreml zeigt, ging am 26. Oktober viral. Es wurde von kremlnahen Telegram-Kanälen veröffentlicht. "Von drei Tagen bis Kiew zu zwei Typen, die Moskau verteidigen. Peinlich", schrieb etwa die politische Kommentatorin Meaghan Mobbs auf X.
Das Bild der beiden Soldaten mit dem Pickup-Geschütz ist wohl mehr Symbolik als echte Verteidigung, wie Oleksiy, ein stellvertretender Kommandant der ukrainischen Luftabwehr, dem "Kyiv Independent" erklärte. Der russischen Bevölkerung gegenüber solle wohl der Eindruck erweckt werden, dass die "heiligen Symbole" des Landes geschützt seien.
Ukraine fehlen Waffen, um Russland-Schwäche zu nutzen
Trotz der Schwächen in Russlands Luftabwehr und fragwürdigen Kreml-Taktiken, die diese Schwächen verdeutlichen könnten, hat die Ukraine ein großes Problem: Es fehlt an ausreichend Waffen, um diese Lücken effektiv auszunutzen.
Zwar erzielt Kiew mit seinen Langstreckendrohnen beachtliche Erfolge, doch deren Sprengköpfe sind vergleichsweise klein und können nicht mit der Zerstörungskraft von Marschflugkörpern mithalten, wie der "Kyiv Independent" berichtet.
Die Ukraine würde entscheidende Raketen bislang nicht in großen Stückzahlen produzieren. Um die Schwächen in Russlands Luftabwehr besser ausnutzen zu können, sei das Land deshalb auf die Unterstützung seiner westlichen Verbündeten angewiesen.
Großbritannien hat kürzlich eine nicht näher genannte Anzahl von Storm-Shadow-Raketen geliefert. Doch die erhoffte Lieferung von Tomahawk-Raketen aus den USA blieb vorerst aus. Und auch Deutschland zögert weiterhin, seine Taurus-Marschflugkörper bereitzustellen, obwohl diese mit einer Reichweite von 500 Kilometern eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Daher könnte es vorerst bei vielen, jedoch begrenzt effektiven Luftschlägen der Ukraine bleiben.
