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Schweden wählt und ganz Europa fürchtet sich vor Jimmie Akesson von den rechten Schwedendenokraten

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Schweden wählt – und ganz Europa fürchtet sich vor diesem Mann

09.09.2018, 07:4909.09.2018, 14:24
peter riesbeck
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Schweden wählt am Sonntag ein neues Parlament. Und Europa zittert wieder einmal vor einem rechten Erfolg. Denn die rechtspopulistischen Schwedendemokraten von Jimmie Akesson stehen vor einem Erfolg. 

4 Fakten zu den Wahlen und warum die Abstimmung auch für Europa richtungsweisend ist.

Wer ist Jimmie Akesson? Und was haben seine Schwedendemokraten vor?

Akesson, 39, hat mal Politik studiert und als Webdesigner gearbeitet. Eigentlich war er aber fast immer aktiver Spieler in der Politik. 

Er sieht ja schon ein wenig aus wie Karl-Theodor zu Guttenberg:

  • 1998 übernimmt Akesson den Vorsitz der stramm rechten, einst neonazistischen Schwedendemokraten.
  • 2005 führt er die Partei erstmals ins schwedische Parlament.
  • 2014 zieht er sich nach dem Wahlkampf wegen eines Burnouts kurz zurück, steigt aber bald wieder in die Politik ein. Sein Ziel umschrieb er 2015 in einem Interview mit der Zeitung "Dagens Nyheter" so:
"Meine Aufgabe ist es, dieses Land umzukrempeln. Das habe ich noch nicht erreicht. Wir sind nun die drittstärkste Partei in Schweden und wir kämpfen darum, stärkste Kraft zu werden. Vielleicht bei der nächsten Wahl. So lange es so weitergeht, macht's Spaß."
Jimmie Akesson, Schwedendemokratendagens nyheter

Akessons zentrale Punkte lauten: 

  • Anti-Flüchtlingspolitik: So erklärte er 2015 mitten in der Krise der europäischen Flüchtlingspolitik: "Bleibt weg, Flüchtlinge, Schweden ist voll."
  • Anti-EU: Akesson wünscht ein Referendum über den Verbleib Schwedens in der Europäischen Union nach britischem Vorbild. Sein Bild von Europa:  "Die Europäische Union ist ein großes Netz der Korruption."

In den Umfragen liegt seine Partei derzeit mit 18,2 Prozent auf dem dritten Rang. 

Ganz schön bunt die Parteienlandschaft:

Die Sozialdemokraten (24,3 Prozent) führen in den Umfragen, vor den bürgerlichen Moderaten (19,4 Prozent) und den Schwedendemokraten (18,2 Prozent), der Linkspartei (10,2 Prozent), Christdemokraten (6 ...
Die Sozialdemokraten (24,3 Prozent) führen in den Umfragen, vor den bürgerlichen Moderaten (19,4 Prozent) und den Schwedendemokraten (18,2 Prozent), der Linkspartei (10,2 Prozent), Christdemokraten (6,2 Prozent), Zentrumspartei (8,0 Prozent) und der Umweltpartei (5,7 Prozent). https://www.svt.se/special/valjarbarometern/

Die Regierungsbildung im zersplitterten Parlament wird schwierig. Noch lehnen es die anderen Parteien ab, mit Akesson zu paktieren. Aber nach der Wahl scheint in Schweden vieles möglich. Die Dämme in Europa brechen: 2010 ließ sich Hollands liberaler Premier Mark Rutte vom Rechtspopulisten Geert Wilders dulden.

Woher kommt der Erfolg der rechten Partei?

Jahrzehntelang war das in Schweden immer so: Alle vier Jahre wählten die Bürger. Am Ende gewannen die Sozialdemokraten. Hohe Steuern gegen einen großzügigen Sozialstaat, so lautete die nordische Formel zum Glück. Folkhemmet – Volksheim – wurde das Modell genannt. 

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Bild: iStockphoto

Bis 1991 ging das gut, dann landeten die Sozialdemokraten erstmals in der Opposition. Seither wechselt die Macht zwischen der bürgerlichen Partei "Moderaten" und den Sozialdemokraten. Seit 2014 regiert der Sozialdemokrat Stefan Löfven. Wichtigste Themen bei der Wahl: 

  • Wirtschaft: Die Arbeitslosigkeit ist mit rund sechs Prozent zwar niedrig, aber viele im exportorientierten Land fühlen sich als Spielball der Globalisierung. Wichtigstes Symbol: Volvo. Der Autobauer, der für kantiges schwedisches Design und wuchtige Sicherheit stand, wurde 2010 an den chinesischen Konzern Geely verkauft. . 
  • Land-Flucht: Alle wollen nach Stockholm und Göteburg (nur Studierende müssen nach Umea, Lund und Uppsala). Auf dem Land aber fühlen sich viele abgehängt. Ein Lebensgefühl, das auch andere Länder kennen. Symbolhaft für den verlorenen Anschluss steht die Debatte um Breitbandanschluss auf dem flachen Land.
  • Flüchtlingspolitik: Auch Schweden hatte seinen Moment des "Wir schaffen das!". Der bürgerliche Premier Frederik Reinfeldt forderte: "Öffnet eure Herzen." Ende 2015 hat Schweden dann seine Grenzen geschlossen. Die Debatte um die Flüchtlingspolitik bleibt. 

Und wie soll es weitergehen?

In Schwedens neuem Parlament wird es ziemlich bunt. Eine Mehrheitsbildung wird schwierig. 

Die Prognosen für die Sitzverteilung im Plenum: 

Gelb Akessons Schwedendemokraten, hellblau Kristerssons Moderate, blassrot die Sozialdemokraten. Der bunte Rest: Splittergruppen von der Linkspartei (dunkelrot) über Christdemokraten (dunkelblau), Zen ...
Gelb Akessons Schwedendemokraten, hellblau Kristerssons Moderate, blassrot die Sozialdemokraten. Der bunte Rest: Splittergruppen von der Linkspartei (dunkelrot) über Christdemokraten (dunkelblau), Zentrumspartei (grün) und Umweltpartei (blassgrün).https://www.svt.se/special/valjarbarometern/

Regierungschef Stefan Löfven von den Sozialdemokraten muss mit kräftigen Verlusten rechnen, seine Minderheitsregierung wird wohl keine weitere Unterstützung im Parlament finden. Löfven muss nach der Wahl wahrscheinlich gehen. Nicht unwichtig, auch für Kanzlerin Angela Merkel. Löfven gilt als wichtiger Unterstützer in der EU für Merkels Flüchtlingspolitik. 

Wird dieser Mann stattdessen der nächste Premierminister?

Ulf Kristerrson von den Moderaten hat die größten Chancen, neuer Ministerpräsident zu werden. Sein Programm wirkt wie eine Kopie des österreichischen Jung-Konservativen Sebastian Kurz. Schärferes Asylrecht, neoliberale Wirtschaftsppolitik, so will Kristersson den Mindestlohn für Arbeitslose bei der Rückkehr ins Berufsleben senken.

Kristersson sagte im "Deutschlandfunk":

"Das ist die Schicksalsfrage für Schweden. Wollen wir auch in Zukunft ein offenes Land bleiben und unser hohes Ansehen als weltweiter Player bewahren, dann muss die Integration endlich gelingen. Das wird sie aber nicht, wenn wir das Asylrecht nicht verschärfen."
Ulf Kristersson, Moderatendlf

Und warum sollen uns die Wahl von 10 Millionen Schweden interessieren?

Weil es in Europa keine Innenpolitik mehr gibt, sagt der niederländische Hochschullehrer und Europaexperte Luuk van Middelaar. Er sagt: 

Jede nationale Wahl in der Europäischen Union ist eine Europawahl. Und umgekehrt. Das heißt auch, dass die nationalen Parlamente sich stärker bewusst werden müssen, etwa durch engeres Rückkoppeln mit dem Europaparlament.
Luuk van Middelaar, Europaexperte

Middelaar weiß, wovon er spricht. In den Niederlanden nahm die neue Rechte mit Geert Wilders und seinem Programm Anti-Migration und Anti-EU im vorigen Jahrzehnt ihren Anfang. Sie haben sich deshalb intensiv mit dem Phänomen befasst. 

Middelaars Landsmann Dick Pels zieht quer durch einen Europa einen dicken Strich von rechts oben (Nord Osten) nach links unten (Südwesten). 

  • Im Norden und Osten (Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland, Ungarn) dominiert ein rechter Populismus, der sich gegen offene Grenzen mit dem Programm Anti-Migration stellt. 
  • Im Südwesten (Podemos in Spanien) dominiert ein linker Populismus der sich gegen offene Grenzen stellt mit dem Propgramm der Anti-Globalisierung.
  • In Italien kommen beide Bewegungen zusammen: Matteo Salvinis fremdenfeindliche Lega und Beppe Grillos linkspopulistische 5-Sterne-Bewegung sitzen gemeinsam in der Regierung.

Vier Fäuste gegen Europa: Viktor Orban und Matteo Salvini

Für die EU wird die Mischung aus linkem und rechten Populismus gefährlich. Sie verliert die Basis. Auch deshalb geht es bei der Wahl am Sonntag nicht allein um Jimmie Akesson und seine rechten Schwedendemokraten. 

Luuk van Middelaar fasst es so zusammen: 

In beiden Fällen [des Protests von rechts und von links] protestiert eine Wählergruppe gegen die Globalisierung, mit ihren offenen Grenzen und offenen Märkten. Schematisch gesagt: Die Rechte kritisiert offene Grenzen wie im Brexit oder der Flüchtlingskrise, während die Kritik auf der Linken sich gegen Euro, Handelsabkommen oder offene Märkte wendet. Europa muss diesen Protest ernst nehmen. Europa lässt sich nicht gegen die Nationalstaaten bauen.
Luuk van Middelaar, Europaexperte
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