Giuseppe Conte soll Italiens neuer Regierungschef werden – und Europa bangt
21.05.2018, 18:3821.05.2018, 19:29
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Die rechtspopulistische Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung haben dem italienischen Präsidenten den Politik-Neuling und Juristen Giuseppe Conte als Regierungschef für Italien vorgeschlagen. Das schrieb Sterne-Chef Luigi Di Maio am Montag auf der Internetseite der Partei. "Abbiamo indicato il nome di Giuseppe Conte al presidente della Repubblica."
Hier sein Tweet zur Mitteilung:
Das ist Conte:
Giuseppe ConteBild: NurPhoto
Viel ist über den 54-Jährigen noch nicht bekannt, denn er ist in der Politik ein Neuling, sitzt nicht einmal im Parlament.
Aber wir wissen, er...
...wurde in dem Dorf Volturara Appula in der süditalienischen Provinz Foggia geboren.
...studierte Jura in Rom, war in Wien, Paris, Cambridge und New York tätig.
...lehrt derzeit als Professor Privatrecht an der Universität Florenz.
...will in der öffentlichen Verwaltung aufräumen und gilt als Experte im Management von krisengeschüttelten Unternehmen.
...ist seit vier Jahren in dem Umfeld der 5-Sterne-Bewegung aktiv, war bereits vor der Wahl als Minister für Öffentliche Verwaltung und Bürokratieabbau für das Schattenkabinett der Partei vorgesehen.
Warum Europa sorgenvoll nach Italien schaut:
Die Regierungsbildung
Schlüsselfigur: Präsident Sergio Mattarella muss den neuen Regierungschef erst ernennen.Bild: MAXPPP
In Italien wollen die populistische 5-Sterne-Bewegung (M5S) und die rechtsextreme Lega am Montag Staatspräsident Sergio Mattarella ihre Programm und ihr Personal für eine neue Regierung präsentieren, darunter Guiseppe Conte als Regierungschef. Aber er schickte schon einmal eine Warnung an die EU.
"Wir werden das Gegenteil von dem machen, was die früheren Regierungen getan haben."
Matteo Salvini, Lega Nord.
Dem Land stehen "radikale" Veränderungen ins Haus, vertraut man auf die Worte von Salvini. "Wir werden das Gegenteil von dem machen, was die früheren Regierungen getan haben", sagte er. Die Regierungsmannschaft, auf die sich die Lega mit den Fünf Sternen geeinigt habe, sei endlich eine, die nicht "per Fax aus Brüssel, Paris oder Berlin" komme.
Das Bündnis
4 Fäuste gegen Europa
Das Bündnis aus der euroskeptischen 5-Sterne-Bewegung (32 Prozent) von Spitzenkandidat Luigi di Maio und der fremdenfeindlichen Lega Nord von Matteo Salvini (17 Prozent) hat die Wahlen im März gewonnen.
Beide Frontmänner besitzen keinerlei Regierungserfahrung.
Lega-Chef Matteo Salvini, 45, war Stadtrat in Mailand und Europaabgeordneter. Sein Durchbruch kam 1997, als er bei "Radio Padania" anheuerte, dem Rundfunksender der Lega. Dort trainierte er seine rhetorische Fähigkeiten. Einer seiner Sendungen hieß "Mai dire Italia" - Sag niemals Italien.
Stoßrichtung seiner Kritik damals war der Süden Italiens. Einer Feier zum 150. Jahrestag des italienischen Staates 2011 blieb er demonstrativ fern. Heute richtet sich seine Kritik gegen das Zentrum Brüssel. Und gegen Ausländer. So fordert Salvini die Abschiebung von Flüchtlingen nach Afrika
5-Sterne Frontmann Luigi Di Maio, 31, forderte zunächst eine radikale Demokratisierung des politischen Systems über neue soziale Medien. Seine Kritik richtet sich nun vor allem gegen die EU und den Euro. Die Forderung über Italiens Euro-Mitgliedschaft per Referendum abstimmen zu lassen, wurde aber fallen gelassen.
Das Programm
Ein Programm für die kleinen Leute.Bild: dpa
Das neue Bündnis rühmt sich eines Programms für die kleinen Leute.
Die Lega setzte sich mit ihrer Forderung nach einer Flat-Tax durch, einem einfachen und niedrigen Steuertarif.
15 Prozent Steuern alle Einkommen bis 80 000 Euro.
20 Prozent Steuern für alle, die mehr als 80 000 Euro pro Jahr verdienen
Die 5-Sterne verankerte ein Grundeinkommen von monatlich 780 Euro für Arbeitslose.
Die Flat-Tax kommt vor allem bei den vielen Kleinunternehmern des Landes an, das Grundeinkommen bei den Geringverdienern.
Die Wirtschaft soll neben den Geldern, die durch die Steuerreform frei werden, auch über staatliche Investitionen angekurbelt werden.
Die Kosten für das Programm werden auf jährlich 80 Milliarden Euro bis 120 Milliarden Euro geschätzt.
Russland-Sanktionen der EU lehnen beide Parteien mit Blick auf die enge Verflechtung der italienischen Wirtschaft mit dem Land ab. Die Lega steht zudem dem französischen Front National von Marine Le Pen nahe, die direkt von Russland Kredite erhielt.
Die Kritik
Bild: chromorange
Die EU schaut sorgenvoll nach Italien. Von einem "Spiel mit dem Feuer", sprach der CSU-Politiker Manfred Weber, einflussreicher Fraktionschef der Christdemokraten im Europaparlament. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte, die "Stabilität des gesamtem Euroraums könnte bedroht sein". Kritischer mit Blick nach Norden und die Politik der deutschen Bundesregierung zeigte sich der deutsch-italienische Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi. Er sagte watson.de:
"Entweder Deutschland stärkt seine Binnenwirtschaft durch höhere Löhne und Investitionen oder Länder wie Italien werden mittelfristig die Eurozone verlassen."
Fabio de Masi, Linken-Bundestagsabgeordneter
Die neuen Regierungsparteien in Italien kündigten an, sich nicht an die Sparvorgaben des Euroraums halten zu wollen. Schwierig, weil:
Italiens Staatschuldenquote schon bei 134 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft (BIP) liegt. Die zweithöchste nach Griechenland.
Italiens Banken hoch verschuldet sind. Das liegt an einem speziellen italienischen Wirtschaftskreislauf. Der hochverschuldete Staat leiht sich Geld bei den Banken. Diese wiederum geben Schuldscheine (etwa Sparbriefe) aus, die von Italiens Sparern gern aufgekauft werden.
Die Folge: Der Staat verschuldet sich bei den Banken, die wiederum bei den Bürgern.
Das Problem: Die Euro-Staaten bemühen sich gerade einer neuerlichen Bankenkrise vorzukommen. Unter dem Stichwort Bankenunion sollen ihr Aktionäre, Gläubiger (Besitzer von Sparbriefen) und Sparer (mit einem Guthaben von mehr als 100 000 Euro) haften, wenn eine Bank in die Pleite geht. Schwierig, weil das im Sparerland in Italien gerade jene treffen würde, die Schuldscheine der eigenen Banken halten. Italien dringt deshalb auf einen gemeinsamen Euro-Fonds zur Risiko-Haftung, Länder wie Deutschland, Niederlande und die baltischen Staaten lehnen dies ab. Streit scheint also programmiert.
"Systemrelevante Banken müssen aufgespalten werden, um eine Haftung der Eigentümer und Gläubiger sowie eine geordnete Abwicklung erst zu ermöglichen", sagte der Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, Linke, watson.de
Auch das Reformprogramm von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Reform der EU und der Eurozone scheint blockiert, wenn sich Italiens neue Regierung nicht kooperativ zeigt.
Die Russland-Sanktionen, welche die EU nach der russischen Annexion der Krim verhängt hatte, müssen auf dem Juni-Gipfel der EU verlängert werden. Italiens neue Regierung will sich dem verweigern.
Fazit: Einfacher wird es nicht für die EU.
Italien stellt sich in der Politik der Euro-Sanierung quer.
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