Der Mord am christlichen Fundamentalisten Charlie Kirk erschüttert die USA. Der 31-Jährige war Mitbegründer von Turning Point USA und enger Verbündeter Donald Trumps. Für die MAGA-Bewegung war er ein Motivator der Jugend, hat dem Präsidenten immer wieder Talente aus dem jungen Spektrum zugeführt.
Der Erfolg war messbar: Trumps Rückhalt bei jungen Wähler:innen wuchs. Es ist ein Verdienst, der auch Kirk zugeschrieben wird.
Kaum war die Nachricht des Todes bekannt, begann Donald Trump, die politische Linke für die Tat verantwortlich zu machen. Unterstützer:innen inszenierten Kirk bereits als "Märtyrer".
In rechten Kreisen der USA herrscht nach dem Attentat erneut das Narrativ, die Linken seien radikal, gewalttätig und gefährlich. Während die Hetze an Fahrt aufnimmt, zeichnen Daten und Analysen ein anderes Bild.
In einem Fox-Interview verkündete Trump am Freitag, dass der mutmaßliche Täter in Gewahrsam sei. Es soll sich bei dem Verdächtigen um den 22-jährigen Tyler R. aus Utah handeln. Über seine Gesinnung sind noch keine Details bekanntgegeben worden.
Doch noch bevor ein Tatverdächtiger offiziell feststand, hatte Trump die politische Linke verantwortlich gemacht. Auch Stephen Miller, Trumps Nummer zwei im Oval Office, hatte bereits zuvor in TV-Übertragungen von "linksliberalen Terroristen" gesprochen.
Die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook warnte noch am Donnerstag bei der "Tagesschau" vor den Folgen dieser Rhetorik: "Das ist ein sehr gefährlicher Moment. (…) Die Sprache spitzt sich sofort zu, vermeintliche Täter werden ausgemacht, viel zu früh – und das peitscht eine ohnehin aufgeheizte Stimmung weiter auf."
Die Tat reiht sich ein in eine Serie jüngster Gewalttaten. Im Juni attackierte ein christlich-nationalistisch geprägter Angreifer demokratische Politiker:innen in Minnesota, zwei Menschen starben. "Man merkt, wie auf beiden Seiten des politischen Spektrums politische Gewalt zunimmt", so Clüver Ashbrook.
Das aktuelle Attentat auf Kirk trifft die konservative Bewegung ins Mark und befeuert sie gleichzeitig. Insofern dürfte die Tat vor allem dem rechten Spektrum nützen. Gerade weil Kirk als Symbol für die Mobilisierung junger Wähler:innen galt, nutzen Trump und seine Getreuen den Mord nun gezielt für politische Zwecke.
Dass der Präsident drei Tage Trauerbeflaggung an allen US-Botschaften anordnete, unterstreicht die symbolische und politische Dimension des Vorfalls. Eine solche Geste blieb aus, als im Juni die demokratische Abgeordnete Melissa Hortman in Minnesota erschossen wurde. Ein Ungleichgewicht, das Kritiker:innen nun als politisch motivierte Instrumentalisierung sehen.
Die Realität sieht anders aus, als rechte Narrative behaupten. Eine aktuelle Analyse des renommierten libertären Thinktanks Cato Institute zeigt: Politische Gewalt in den Vereinigten Staaten ist insgesamt selten. Wenn sie verübt wird, dann überwiegend von rechten Täter:innen.
Von 1975 bis 2025 wurden in den USA 3599 Menschen bei terroristischen Anschlägen getötet; das entspricht nur 0,35 Prozent aller Morde in diesem Zeitraum. Cato-Analyst Alex Nowrasteh schreibt in seiner Analyse: "Es gibt nicht viele politisch motivierte Terror-Morde in den Vereinigten Staaten."
Historisch prägen zwei Ausnahmen die Statistik: die Anschläge vom 11. September 2001 mit fast 3000 Toten und der Bombenanschlag von Oklahoma City 1995. Ohne 9/11 steigt der Anteil rechtsextrem motivierter Morde deutlich an: auf rund 63 Prozent. Ein Blick auf die Verteilung laut Analyse:
Das Fazit von Cato: Politisch motivierte Gewaltakte sind insgesamt eine Randerscheinung. Gerade deshalb wiegt ihre politische Instrumentalisierung so schwer: Weil Einzelfälle schnell genutzt werden, um ganze Bewegungen zu diskreditieren.
Trotz dieser Daten wird in rechten und ultrarechten Kreisen die Erzählung befeuert, die Linke sei "radikaler" und "gewalttätiger". Die Tat an Kirk liefert für diese daher einen willkommenen Aufhänger – obwohl bisher kein Täter verurteilt wurde und die Faktenlage eine andere Sprache spricht.
Die Gefahr: In einem Land mit Millionen privater Waffenbesitzer:innen und einem Präsidenten, der zahlreiche Kapitol-Angreifer begnadigt hat, kann aufgeheizte Rhetorik schnell in reale Gewalt umschlagen. "Es wird sehr viel schneller sehr viel Ärger geben, mitunter eben auch mit Gewalt auf Amerikas Straßen", warnte Clüver Ashbrook.
Das Attentat auf Charlie Kirk zeigt damit weniger, wie mächtig angeblich linke Gewalt in den USA ist, sondern vielmehr, wie politisch Gewaltakte instrumentalisiert werden. In einer ohnehin polarisierten Gesellschaft könnte genau diese Instrumentalisierung die größere Bedrohung werden.