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Donald Trump: Kampf gegen Wissenschaft führt USA zurück ins Mittelalter

ARCHIV - 26.08.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump spricht während einer Kabinettssitzung im Weißen Haus. (zu dpa: «Goldpreis steigt auf Rekordhoch») Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa +++ dp ...
US-Präsident Donald Trump plant drastische Schritte gegen alles, was ihm nicht gefällt. Bild: AP / Mark Schiefelbein
Analyse

USA: Donald Trump will zurück ins Mittelalter

Der US-Präsident kämpft gegen die Wissenschaft und will die absolute Macht. Sein Kabinett hält ihm dabei den Rücken frei.
02.09.2025, 19:3502.09.2025, 19:35
Philipp Löpfe / watson.ch
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In seinem Roman "The Second Sleep" schildert Robert Harris eine Welt, in der die Wissenschaft wie im Mittelalter verbannt und die Kirche wieder die absolute Deutungshoheit über alles hat. Betrachtet man die aktuelle Entwicklung in den USA, erweist sich, was als warnende Dystopie gemeint ist, zunehmend als realistische Zukunftsperspektive.

Donald Trump sagt der Wissenschaft immer offener den Kampf an. Nichts zeigt dies besser als die jüngsten Entwicklungen beim Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Susan Monarez wurde noch vor wenigen Wochen als neue Chefin installiert und dabei mit Lob überschüttet, um jetzt schon wieder gefeuert zu werden. Grund: Sie hat sich geweigert, die abstruse Anti-Impf-Kampagne ihres Chefs, des Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr., mitzutragen und gestandene Wissenschaftler zu entlassen.

Es sei erwähnt: Das CDC gilt in Sachen Bekämpfung von Pandemien und wissenschaftlicher Forschung auf diesem Gebiet als weltweiter Goldstandard.

ARCHIV - 14.05.2025, USA, Washington: US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. spricht vor einem Senatsausschuss für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Renten im US-Kapitol in Washington. (zu dpa: «U ...
Kronjuwel der Regierung: Robert F. Kennedy Jr.Bild: AP / John McDonnell

Nun kann man das Ganze als Banalität abtun, denn dass Kennedy, was das Impfen betrifft, mehr als dubiose Thesen vertritt, ist hinreichend bekannt, und früher oder später dürfte er sich ohnehin – wie das so üblich ist – mit Trump überwerfen und aus dem Kabinett fliegen. Elon Musk lässt grüßen.

Weit gefehlt. Kennedy ist alles andere als ein geduldeter Außenseiter im Weißen Haus. Er gehört zum harten Kern. "Minister Kennedy ist das Kronjuwel unserer Regierung", schwärmt Stephen Miller, der gemeinhin als bedeutendster Einflüsterer Trumps gilt. Pressesprecherin Karoline Leavitt beeilte sich auch umgehend zu versichern, der Gesundheitsminister habe mit der Entlassung der CDC-Chefin ganz im Sinne des Präsidenten gehandelt.

Donald Trump: Kennedy Jr. von unglaublicher Bedeutung

Warum das so ist, erklärt Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, in der "Washington Post": "Bobby Kennedy ist das Werkzeug, das MAGA und MAHA (Make America Healthy Again) zusammenschweißt. Wenn wir diese Kombination geschickt handhaben, werden wir unschlagbar sein."

In den kommenden Tagen wird der Gesundheitsminister sich vor dem Senat rechtfertigen müssen. Bannon warnt davor, sich zu verteidigen, und ruft zu einer offensiven Kampagne auf: "Wenn wir die Zone mit Daten, Studien und Experten fluten, ist das für uns ein Thema, mit dem wir gewinnen werden."

Trump stützt nicht nur Kennedy und dessen Impf-Schwurblereien, er flirtet auch regelmäßig mit Symbolen von QAnon, einer Kultbewegung, für die keine Verschwörungstheorie zu absurd ist. Vor allem jedoch kennen sein Narzissmus und seine Allmachtsfantasien keine Grenzen. In einer Kabinettssitzung erklärte er kürzlich unumwunden: "Ich bin der Präsident und kann machen, was ich will."

Trump-Minister wecken Erinnerungen an Kim-Jong Un

Die Art und Weise, wie sich die Regierungsmitglieder an dieser Sitzung verhielten, hätte Kim Jong-uns Ministern zur Ehre gereicht. Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer hatte am Gebäude des Departements of Labor ein riesiges Trump-Porträt anbringen lassen und säuselte: "Mr. Präsident, ich hoffe, Sie haben ihr schönes Gesicht dort gesehen."

Finanzminister Scott Bessent, einst ein geachteter Mann an der Wall Street, entblödete sich nicht, Trump vor laufenden Kameras zu versichern, "er sei der beste Kandidat" für den Friedensnobelpreis und fügte an: "Sie haben dieses Land gerettet."

Trump führt sein Kabinett nicht nur als Haufen von rückgratlosen Speichelleckern vor, an die entscheidenden Stellen hat er auch Personen gesetzt, die es ihm erlauben, seinen Rachefeldzug gegen seine Feinde ohne Rücksicht auf den Rechtsstaat zu verfolgen. FBI-Direktor Kash Patel, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Tulsi Gabbard, Director of National Intelligence, sie alle setzen die Wünsche des Präsidenten blindlings um, selbst wenn sie im krassen Widerspruch zur Verfassung stehen.

President Donald Trump listens during a cabinet meeting. Tuesday, Aug. 26, 2025, at the White House in Washington, with from left, Secretary of Interior Doug Burgum, Secretary of State Marco Rubio, Tr ...
Donald Trumps Kabinett der Speichellecker.Bild: AP / Mark Schiefelbein

Der Machthunger des Präsidenten ist noch längst nicht gestillt. Täglich lotet er neue Grenzen des Rechtsstaates aus.

So müssen Richter entscheiden, ob er überhaupt dazu ermächtigt ist, Lisa Cook, eine Gouverneurin der Notenbank, zu entlassen. Oder ob er das Recht hat, bereits vom Kongress bewilligte Kredite eigenmächtig zu widerrufen. Vor allem auch, ob seine "reziproken Zölle" verfassungskonform sind oder nicht. Dies hat ein Berufungsgericht jüngst verneint, das letzte Wort muss deshalb der Oberste Gerichtshof sprechen.

Grenzenlos ist auch die Korruption des Präsidenten. Das "Wall Street Journal" berichtete, dass die Trump-Familie mit ihrer Pseudo-Krpyto-Währung "World Liberty" einen Gewinn von rund fünf Milliarden Dollar eingefahren habe, zumindest auf dem Papier. Diese Währung sei nun "das wertvollste Asset" der Trumps, so das Finanzblatt, wertvoller noch als alle Immobilien.

Pressesprecherin Leavitt versicherte jedoch umgehend und treuherzig, dass "weder der Präsident noch seine Familie je etwas tun würden, was je zu einem Interessenkonflikt führen könnte".

Ganz anders sieht dies Frank Bruni, Kolumnist in der "New York Times". Unter dem Titel "Die unkontrollierte, unbalancierte Herrschaft von König Trump" stellt er die rhetorische Frage: "Wie ist es möglich, dass Trump mit seinem Machthunger durchkommt? Weil er keine Skrupel kennt und kein Schamgefühl hat. Weil ihn Tradition und Anstand kaltlassen. Weil er raffgierig ist und sich nicht beherrschen kann."

Die Hoffnung, dass die Wirtschaftsbosse und die Finanzmärkte Trump zur Räson bringen werden, hat sich bisher nicht erfüllt.

Die Personen, die sich sonst gerne als die "Masters of the Universe", als die "Big swinging dicks" sehen, halten sich jetzt vornehm zurück. Deshalb spricht die "Financial Times" von einem "kalkulierten Schweigen". Einzige und löbliche Ausnahme stellt Ray Dalio dar. Der Gründer des größten Hedgefunds warnt in der "Financial Times", dass Amerika unter Trump in Zustände zurück driftet, die an die Dreißigerjahre erinnern. "Auch damals", erinnert Dalio, "haben die meisten aus Angst den Mund gehalten."

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