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Migration und Wirtschaft dominieren den Wahlkampf – wo bleibt das Klima?

Landwirte sowie Klima-, Umwelt- und Tierschuetzer demonstrieren am Samstag 18.01.2025 in Berlin fuer eine klima- und tiergerechte Landwirtschaft und eine oekologische Wende in der Lebensmittelprodukti ...
Landwirte sowie Klima-, Umwelt- und Tierschützer demonstrieren für eine klima- und tiergerechte Landwirtschaft.Bild: IMAGO/epd
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Wahlkampf 2025: Migration, Wirtschaft, Sicherheit – doch was ist mit dem Klima?

31.01.2025, 20:03
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Unsicherheiten, Hass und Angst dominieren die öffentliche Debatte in Deutschland. Vor der Bundestagswahl 2025 bestimmen Migration, Wirtschaft und Sicherheitsfragen die Schlagzeilen. Doch ein Thema, das langfristig über Wohlstand und Stabilität entscheidet, gerät ins Hintertreffen: der Klimaschutz.

Während Politiker:innen über Abschiebungen und Standortpolitik diskutieren, zeigen Daten klar: Die Klimakrise ist nicht verschwunden. Das ist keine Meinung, sondern wissenschaftlicher Konsens. Schon lange.

2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Extremwetterereignisse – von Hitzewellen bis zu Überschwemmungen – verursachten allein in Deutschland Schäden in Milliardenhöhe. Doch im Wahlkampf spielt das Klima eine Nebenrolle.

Warum werden Umweltthemen so wenig thematisiert? Liegt es an den Wähler:innen, an den Parteien oder an einer zunehmenden Klimamüdigkeit? Und was muss passieren, damit der Klimaschutz wieder auf die politische Agenda rückt? Ein Einblick.

Wahlkampf: Politiker können mit dem Klima aktuell weniger punkten

Die Expertin Dr. Brigitte Knopf sagt dazu auf Anfrage von watson: "Wie wir etwa in den Diskussionen rund um das Heizungsgesetz gesehen haben, wird die Klimapolitik mittlerweile selbst häufig als Zumutung empfunden, sodass der Klimaschutz Gefahr läuft, aufs Abstellgleis zu geraten." Knopf ist Direktorin von Zukunft KlimaSozial – einem Thinktank, der Lösungen für eine klimaneutrale und sozial gerechte Zukunft entwickelt.

Ihr zufolge spielt der Klimaschutz auch deshalb eine untergeordnete Rolle im Wahlkampf, weil "die Politik" damit aktuell "nicht bei der Bevölkerung punkten kann".

Zwar würden der Klimawandel und seine Auswirkungen nach wie vor als Gefahr wahrgenommen, allerdings eher als eine abstrakte Bedrohung.

Laut ARD-Deutschlandtrend vom Januar 2025 machen andere Dinge den Deutschen akut mehr Sorgen. Demnach halten aktuell 37 Prozent der Befragten Zuwanderung beziehungsweise Flucht für eines der beiden wichtigsten politischen Probleme in Deutschland. Damit hat dieses Thema in nur einem Monat deutlich an Bedeutung gewonnen (+14). Gemeinsam mit der Wirtschaft (34 Prozent) liegt es klar vorne. Erst mit einigem Abstand folgen außenpolitische Fragen von Krieg und Frieden (14 Prozent), Umwelt und Klima (13 Prozent) sowie die soziale Ungerechtigkeit (11 Prozent).

Die meisten Wahlprogramme vernachlässigen das Klima

Das schlägt sich in den Wahlprogrammen der Parteien nieder. Eine Analyse von WWF Deutschland zur Bundestagswahl 2025 zeigt, dass Klimaschutz dort eine weniger prominente Rolle spielt als bei früheren Wahlen. Besonders auffällig ist, dass CDU/CSU und SPD ihre Ambitionen im Vergleich zur letzten Bundestagswahl deutlich zurückgeschraubt haben. Die FDP hat das Ziel der Klimaneutralität auf 2050 verschoben, was hinter den Zielen anderer Parteien zurückbleibt. Das neu gegründete BSW setzt sich für die Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines ein, was Klimaschutzbestrebungen entgegenstehen könnte.

Einzig die Grünen und die Linke halten an ambitionierten Klimazielen fest. Die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel gleich ganz und lehnt Klimaschutzmaßnahmen weitgehend ab.

Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer glaubt, dass das Klima im Wahlkampf dennoch eine Rolle spielt. "Denn wer den ganzen Tag über Klimaschutz spricht, das sind die Rechtsradikalen, als hätten sie keine anderen Themen", sagt die in einem Interview mit N-TV. Sie bezeichnet dies als gefährlich. Neubauer warnt: "Wenn es auf der demokratischen Seite immer stiller wird, sind es am Ende nur noch die Rechtsradikalen und Klimaleugner, die ihre skurrile, menschenverachtende, realitätsverdrehende Agenda diktieren."

Deshalb sei es entscheidend, dass der demokratische Teil sich in diesem Wahlkampf ganz klar positioniere.

Brigitte Knopf sieht ebenso wie Neubauer zudem wichtige Zusammenhänge zwischen Klima und Sicherheit. Laut Knopf fokussiere sich die Aufmerksamkeit zwar stärker auf die Sicherheits- und Wirtschaftsthemen. Was man ihrer Meinung nach jedoch nicht vergessen darf: Dazu gehöre auch die soziale Sicherheit. Sie findet: "Diese muss man in Kombination mit der Frage nach Bezahlbarkeit nach vorne rücken."

Der populistischen Erzählung, Klimaschutz sei ein Eliten-Projekt und deshalb für die meisten Menschen irrelevant, "sollten wir nicht auf den Leim gehen." Denn es komme auf die sozial gerechte Ausgestaltung an. Etwa, indem alle an der Transformation teilhaben können "und niemand im fossilen Lock-in verharren muss".

Dass die Frage der sozialen Gerechtigkeit beim Klimaschutz entscheidend ist, betont auch Heike Vesper, Vorständin Politik & Transformation beim WWF Deutschland. Sie sagt: "Ohne intakte Natur und stabiles Klima gibt es keine sichere Zukunft – weder für die Menschen noch für die Wirtschaft. Die aktuelle Wahlkampfdebatte geht an den wesentlichen Themen aber vorbei."

Laut Vesper muss man jetzt über echte Lösungen reden, statt populistische Scheindebatten zu führen, die keine Antworten liefern. Die Klima-Allianz Deutschland fordert in ihrem Positionspapier "Zukunft sichern: Klimaschutz für ein modernes Land" eine konsequente Fortführung der ökologischen Modernisierung.

Wähler wollen Klimaschutz – aber nicht um jeden Preis

Interessant ist: Laut dem Umweltbundesamt (UBA) nimmt das Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit zunehmend an Bedeutung: Ambitionierte Klimapolitik bietet große Chancen, soziale Ungleichheiten zu reduzieren. Doch viele Menschen befürchten demnach finanzielle Belastungen. Ärmere Bevölkerungsgruppen sind besonders von Umweltbelastungen betroffen, könnten gleichzeitig von einer guten Umweltpolitik am meisten profitieren.

Entscheidend ist laut UBA eine sozialverträgliche Gestaltung: schrittweise Maßnahmen, zielgruppenspezifische Förderprogramme und die Stärkung von Handlungsspielräumen für nachhaltige Lebensweisen. Nur wenn Bürger:innen die Maßnahmen als nützlich und gerecht wahrnehmen, wird eine erfolgreiche Umwelt- und Klimapolitik möglich sein.

Mehr Klimaschutz in der Politik: Was muss passieren?

Aus den Augen, aus dem Sinn also? Das ist den Expertinnen zufolge keine gute Idee. Knopf ist überzeugt: "Wenn wir die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen hinten anstellen, vertagen wird das Problem der Klimakrise lediglich und übertragen den Großteil der Verantwortung zur Lösung kommenden Generationen." Dann ließen sich die Probleme allerdings nicht mehr so einfach lösen. "Die Klimafolgen und auch deren wirtschaftliche Kosten" werden dann ein "weitaus größeres Ausmaß angenommen haben – die Zeit für Lösungen wird knapper und die Umsetzung immer aufwendiger und teurer."

Brigitte Knopf betont, dass sich bei Klima-Themen der Fokus verändern muss: "Wir müssen den Klimaschutz wieder stärker mit der Lebenswirklichkeit der Menschen verbinden und deutlich machen, dass klimapolitische Maßnahmen mit positiven Effekten im Hier und Jetzt verbunden sind."

Eine sozial gerechte Transformation zur Klimaneutralität bedeute demnach, dass etwa die Infrastruktur ausgebaut wird und mehr Menschen Zugang zu öffentlichem Nahverkehr hätten – beispielsweise auch junge Menschen, die oft kein eigenes Auto besitzen.

Dafür bräuchte es laut Knopf bessere Förderprogramme, etwa für energetische Sanierungen, sowie klare politische Leitplanken durch das Ordnungsrecht. Zudem sei ein sozial gestaffeltes Klimageld notwendig, um Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen für die absehbar steigenden CO₂-Preise zu kompensieren. Knopf sagt dazu: "Nur wenn wir die Chancen von Klimaschutz aufzeigen können – wie mehr Teilhabe, eine bessere Gesundheit und klimaneutrale und bezahlbare Wohnungen für alle – werden wir Menschen wieder für das Klimathema begeistern."

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