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Nach der Bundestagswahl verschwinden die Wahlplakate wieder.Bild: Imago / hen-foto / Peter Henrich
Politik
Die Streitigkeiten und letztlich das Zerbrechen der Ampel-Koalition ließ den Bundestag im vergangenen Jahr mehr wie eine absurde Kabarettshow wirken. Der ständige Streit innerhalb der Koalition sorgte nicht nur für Blockaden innerhalb des Bundestages, sondern auch für viele frustrierte Bürger:innen. Das Krisenmanagement der Ampel hat das Vertrauen in die Regierung geschwächt.
Und unlängst fragen sich viele angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl 2025:
Wen kann man überhaupt noch wählen? Deshalb haben wir euch die Wahl-O-Mat Antworten der Parteien zusammengefasst.
Wahlkampf-Thema Nr. 1: Migration
Migration ist eines der zentralen Themen im Wahlkampf, das wie kaum ein anderes erheblichen politischen Druck auf die Parteien ausübt und die Gesellschaft spaltet: Viele Bürger:innen sorgen sich um die steigende Zahl an Asylbewerber:innen und die damit angeblich steigende Gefahr. Gleichzeitig gibt es Forderungen nach humanitären Lösungen und einem gerechteren europäischen Verteilungsmechanismus.
In einem Punkt herrscht unter allen Parteien (mit Ausnahme der AfD) Einigkeit: Rechtsextremismus stellt ein ernstzunehmendes Problem dar. Während Themen rund um Migration, die häufig von rechten Kräften instrumentalisiert werden, mittlerweile auch in der politischen Mitte intensiv diskutiert werden, setzen die Parteien dennoch geschlossen auf die Förderung von Projekten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus.
Soziales: Kommt die Wehrpflicht wieder?
Als progressive Regierung beschloss die Ampel vor allem zwei Neuerungen, die unter anderem bei der CDU und AfD gar nicht gut ankamen:
Im Juni 2022 wurde das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB) gestrichen und vor rund einem halben Jahr trat Anfang November das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das trans* und nicht-binären Menschen erleichtern soll, ihren Geschlechtseintrag zu ändern.
Die CDU, die sich von Anfang an gegen diese Neuerungen äußerte, sieht stattdessen die Notwendigkeit, bestimmte gesellschaftliche Pflichten zu stärken – beispielsweise durch eine Einführung eines sozialen Pflichtjahres für junge Menschen.
Klimaschutz: Welche Partei will was verändern?
Vor allem der Wahlkampf von CDU, AfD und FDP konzentriert sich in diesem Jahr stark auf Migrationsthemen und scheinen dabei ein ganz wichtiges Thema vergessen zu haben: den Klimawandel.
Nicht umsonst gingen am vergangenen Freitag deutschlandweit Tausende Demonstrierende auf die Straße und forderten gemeinsam mit Fridays for Future konkrete Klimamaßnahmen – auch im Wahlkampf.
Klimaschutz ist laut einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank von Ende 2024 die drittgrößte Herausforderung für Deutsche. Für 92 Prozent der Befragten seien Klimaanpassungen in ihrem Land wichtig. 40 Prozent davon fordern, dass das Thema Priorität haben müsste. Dafür findet das Thema medial kaum statt.
Welche Parteien wollen den Mindestlohn erhöhnen?
Die Diskussion über eine mögliche Einführung der 35-Stunden-Woche gewinnt zunehmend an Bedeutung, wobei die Grünen und die Linke dies als notwendigen Schritt für eine bessere Work-Life-Balance und höhere Produktivität sehen, während andere vor wirtschaftlichen Risiken und Fachkräftemangel warnen.
Auch der Mindestlohn bleibt ein umstrittenes Thema: Soll dieser erneut angehoben werden? Und sollen Menschen mit einer Behinderung überhaupt einen Anspruch auf den Mindestlohn haben?
Immerhin arbeiten rund 300.000 Menschen mit einer Behinderung für durchschnittlich 220 Euro im Monat in einer Werkstatt. Das entspricht einem Stundenlohn von etwa 1,46 Euro, umgerechnet ein Achtel vom festgeschriebenen Mindestlohn.
Finanzen: Wer fordert elternunabhängiges BAföG?
Die steigenden Mietpreise in Großstädten machen es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden – zunehmend auch für Menschen aus der Mittelschicht. Besonders junge Berufstätige und Familien geraten unter Druck, da die Löhne oft nicht mit den steigenden Wohnkosten und Lebenshaltungskosten mithalten können.
Aktuell liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent und wird ab einem jährlichen Einkommen von 68.480 Euro erhoben. Um die Mittelschicht steuerlich zu entlasten, wollen SPD, BSW, Die Linken und die Grünen den Spitzensteuersatz anheben. Das bedeutet, dass dieser erst bei einem höheren Verdienst von beispielsweise 80.000 Euro jährlich beginnen würde.
Zeitgleich fordern einige dieser Parteien ebenfalls eine Erhebung des Satzes auf 45 Prozent oder gar 53 Prozent. Menschen mit einem hohen Einkommen würden also mehr Steuern zahlen: Damit könnte die Erhöhung der Einkommensschwelle gegenfinanziert werden.
Demokratie: Wird das Streikrecht eingeschränkt?
Erstaunlich, aber hier ziehen Die Linke und AfD am selben Strang: Beide sprechen sich für Volksentscheide auf Bundesebene aus. Volksentscheide sind Ausdruck des demokratischen Willens und stehen für mehr politische Teilhabe seitens der Bürger:innen. Sie sind aber auch anfälliger für Populismus und laufen Gefahr, komplexe Themen zu sehr zu vereinfachen.
Beim Streikrecht wiederum haben sich die Parteien klar gegenüber der Wahl-O-Mat-Redaktion positioniert. Die Einschränkung würde alle Berufe der kritischen Infrastruktur betreffen, die folgende Bereiche umfasst: Wasser, Verkehr und Transport, Energie, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation, Siedlungsabfallentsorgung, Medien und Kultur, Staat und Verwaltung. Der Eingriff in das Streikrecht wäre damit von erheblicher Größe.
Na, und wen soll ich jetzt wählen?
Es nicht nur darum, welche Lösungen man favorisiert, sondern auch darum, welche Werte man unterstützen möchte. Wähler:innen sollten sich genug Zeit nehmen, um zu entscheiden, welche Partei am besten mit den eigenen Überzeugungen in Einklang steht, und ob taktisch wählen für einen infrage kommt.
Letztendlich muss jede:r selbst entscheiden, bei welcher Partei man am Sonntag sein Kreuz setzen wird – nicht umsonst gilt das Wahlgeheimnis.
Die Bundestagswahl steht an. Und wohl selten war es in Deutschland in der jüngeren Geschichte so wichtig, wählen zu gehen wie 2025. Wer wahlberechtigt ist und noch nicht via Brief abgestimmt hat, sollte am Sonntag unbedingt seine Stimme abgeben.